Köln | Die Initiative „Mehr Demokratie“ warb am heutigen Donnerstag auf dem Rudolfplatz in Köln für Volksentscheide auf Bundesebene. Vereinsmitglieder hatten dort ein sieben Meter hohes aufblasbares Buch mit der Aufschrift „Grundgesetz“ aufgebaut, in das ein Pfeil mit der Aufschrift „Faire Volksentscheide“ ragte. Zum Thema Volksentscheide auf Bundesebene hatte der Verein Kölner Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2013 eingeladen, um die Haltung ihrer Partei zum Thema darzulegen und darüber zu diskutieren. 

Katharina Dröge (Bündnis ’90/Die Grünen), Karsten Möring (CDU),  Hans Stein (FDP),   Matthias Birkwald (Die Linke), Thomas Hegenbarth (Piratenpartei) und Martin Dörmann (SPD) diskutierten zusammen mit Jörg Eichenauer, Mitglied des NRW-Landesvorstands der Initiative „Mehr Demokratie“ das Für und Wider sowie Chancen und Gefahren von Volksabstimmungen auf Bundesebene.

Mehrheit der Parteien für Volksentscheid – unterschiedliche Meinungen bei Art und Umfang

Mit Ausnahme der CDU, vertreten durch Karsten Möring, herrschte nach Angaben der anwesenden Parteivertreter ein Konsens darüber,  plebiszitäre Elemente auf Bundesebene einzuführen. Was die Definition sowie die genaue Regelung angeht, so divergieren die Standpunkte der einzelnen Parteien und ihrer Vertreter. So setzen sich Grüne, Linke und Piraten für die Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid auf Bundesebene ein. Während die Piraten, ganz ähnlich dem Gesetzesvorschlag von „Mehr Demokratie“, obligatorische Volksabstimmungen für Gesetzentwürfe und Entscheidungen des Bundestages in den Bereichen Grundgesetzänderung und Hoheitsübertragung fordern, setzen die anderen befürwortenden Parteien eine vorgeschaltete Initiative aus der Bevölkerung voraus, geknüpft an ein Quorum, das erst erreicht werden muss, um eine Volksabstimmung möglich zu machen.

Hans Stein (FDP) und Martin Dörmann (SPD) bemerkten, dass sich nicht jede politische Entscheidung zu einer Abstimmung durch das Volk eigne. Dörmann ist gegen die von „Mehr Demokratie“ geforderten obligatorischen Volksentscheide immer dann, wenn es darum geht, Kompetenzen auf die EU zu übertragen  oder im Falle von Grundgesetzänderungen. Er plädiert für ein Quorum von mindesten 100.000 Stimmen, ansonsten entstehe bei der Gesetzgebung „zu viel Lähmung“. Außerdem müsse man bei Volksabstimmung immer auch die langfristigen Konsequenzen und die damit verbundenen Kosten einer jeden Entscheidung erläutern, ergänzte Stein (FDP).  Matthias Birkwald (Die Linke), der sich ebenfalls für ein Quorum von 100.000 Stimmen ausspricht, sieht im bundesweiten Volksentscheid eine Chance, der Politikverdrossenheit der Bürger entgegenzuwirken.  Katharina Dröge (Bündnis `90/Die Grünen) betonte, ihre Partei setze sich schon seit Jahren für die Einführung des „Dreiklangs“ aus  Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene ein. Bisher in den Bundestag eingebrachte Anträge zur Einführung des Plebiszits auf Bundesebene seien bisher immer an der fehlenden Zweidrittel-Mehrheit gescheitert.

„Themen zu komplex“

Laut Karsten Möring, der der Volksabstimmung auf Bundesebene ablehnend gegenübersteht, sind einige Themen auf Bundes- oder auch EU-Ebene zu komplex um sie auf „Ja/Nein“-Entscheidungen herunter zu brechen. Auch dem Vorschlag, Volksabstimmungen auf Bundesebene zuzulassen, wenn sie ein vorher festgelegtes Quorum erreichten, erteilte Möring eine Absage.

Jörg Eichenauer von „Mehr Demokratie“ zeigte sich angesichts des regen Austauschs der Politiker erfreut.  Bis zur Bundestagswahl am 22. September will „Mehr Demokratie“ 100.000 Unterschriften für bundesweite Volksabstimmungen sammeln.  Diese sollen nach der Wahl als Denkanstoß an die neue Regierung im Herbst in Berlin übergeben werden.

„Klare Mehrheit für Volksentscheid“

Laut einer aktuellen Emnid-Umfrage befürwortete eine klare Mehrheit der Deutschen die Einführung des bundesweiten Volksentscheids, so Eichenauer. Diese Erfahrung habe er auch während der seit 26. Juni stattfindenden Informationsveranstaltungen und Aktionen seiner Initiative gewonnen. Zwar gebe es unter den angesprochenen Bürgern unterschiedliche Auffassungen in Detailfragen, jedoch befürwortete ein Großteil die Einführung von mehr Bürgerbeteiligung auf Bundesebene. Zur Änderung des Grundgesetzes, die hierfür nötig ist,  sei allerdings eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag notwendig. Weil die CDU die direkte Demokratie auf Bundesebene ablehne, sei diese Mehrheit bisher nicht zustande gekommen. Allerdings hätten Umfragen gezeigt, dass auch in den Reihen der CDU-Mitglieder sich eine Mehrheit für die Einführung dieser ausspreche. Die CDU sollte sich, so Eichenauer, in ihrer Haltung an dieser Mehrheit orientieren.  
 

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Der Verein „Mehr Demokratie“ arbeitet seit 25 Jahren für mehr direkte Demokratie in Deutschland. Zahlreiche Verbesserungen der direkten Demokratie in Bund und Ländern gehen laut eigenen Angaben auf das Konto des Vereins. So hatte die Initiative im Land Nordrhein-Westfalen zuletzt 2011 die Vereinfachung von Volks- und Bürgerbegehren erreicht.
 

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Autor: Daniel Deininger
Foto: Vlnr.: Karsten Möring (CDU), Martin Dörmann (SPD), Jörg Eichenauer, Katharina Dröge (Bündnis ’90/Die Grünen), Matthias Birkwald (Die Linke), Hans Stein (FDP), Thomas Hegenbarth (Piratenpartei)