Stanford | Der Computerexperte und Psychologe Michal Kosinski, dessen Forschungen 2016 vom Wahlkampfteam Donald Trumps ausgeschlachtet wurden, warnt davor, dass dieselben Techniken auch im aktuellen Europawahlkampf zum Einsatz kommen. „Ich kann Ihnen garantieren, dass alle Parteien und Akteure auf diese Methoden zurückgreifen“, sagte Kosinski dem Nachrichtenportal T-Online. Es geht um individuelle, auf die Persönlichkeit des Nutzers abgestimmte, Wahlwerbung auf Facebook.

Diese sogenannte pyschografische Targeting sei insbesondere für Parteien attraktiv, „die nicht zum Establishment gehören und über keine Millionenbudgets für den Wahlkampf verfügen“. Prinzipiell sei die individuelle Kommunikation großartig für die Demokratie, weil sie Wählergruppen aktiviere, die die herkömmliche Wahlwerbung nicht erreiche. Doch die Technik werde auch benutzt „von jenen, die über keinen moralischen Kompass verfügen und Falschnachrichten, Hass und politische Propaganda verbreiten wollen“.

Kosinski, der an der Universität Stanford lehrt, hatte über Facebook die Persönlichkeitsprofile von Millionen Nutzern erstellt. Dieser Datensatz wurde im Wahlkampf 2016 von der Firma Cambridge Analytica missbraucht, um Wählern Werbung für Donald Trump auszuspielen, welche auf deren Persönlichkeitsmerkmale abgestimmt war. Die umstrittene Methode gilt als ein Grund für Trumps Erfolg im Internet-Wahlkampf.

Cambridge Analytica meldete nach weiteren Skandalen im Jahr 2018 Insolvenz an. Laut Kosinski ändern weder das Aus von Cambridge Analytica noch die strengeren europäischen Datenschutzregeln etwas am Einsatz des psychografischen Targeting im Wahlkampf. Alles sei in Europa möglich wie in den USA, so Kosinski, schließlich bräuchten europäische Parteien und Gruppen keine eigenen Datensätze, sondern müssten lediglich auf Facebooks Daten zurückgreifen, um etwa gezielt Wähler anzusprechen, die Angst vor Migranten oder dem Klimawandel hätten.

Es gebe außerdem weitere „Firmen, die Daten von fast jedem Kunden im Netz für Kleingeld verkaufen“. Diese würden letztlich dasselbe tun wie damals Cambridge Analytica – mit dem Unterschied, dass sie nicht öffentlich damit prahlten.

Autor: dts