Köln | Am 13. September stehen 13 Kandidatinnen und Kandidaten in Köln zur Wahl um das höchste Amt der Stadt. Sie wollen Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister werden. Report-K fragte alle Bewerberinnen und Bewerber, wie sie die Ausleihe der Social Media Accounts vor dem Hintergrund der anstehenden Kommunalwahl bewerten. Nicht alle Kandidatinnen und Kandidaten meldeten sich zurück.

Am 31. Juli stellte der Wahlausschuss der Stadt Köln fest, welche Bewerberinnen und Bewerber zur Wahl zugelassen sind. Die Bewerberinnen und Bewerber, die dieser Internetzeitung antworteten fordern Aufklärung und einige von ihnen sehen die Frage nach fairen und gleichen Wahlchancen kritisch. Report-K dokumentiert Fragen und Antworten.

[infobox]Diese Fragen stellte die Redaktion: (Henriette Reker erhielt eine gesonderte Frage)

Die amtierende Oberbürgermeisterin lieh ihre Social Media Accounts an die Stadt Köln aus, die diese für mindestens 44 Monate lang auf Kosten der Stadt Köln pflegte. Am 1.9. übernahm Henriette Reker diese Accounts wieder und nutzt sie – wie schon 2015 – für ihren aktuellen Wahlkampf.

Auch Sie betreiben in den sozialen Medien Wahlkampf. Sehen Sie vor dem Hintergrund dieser Vorgehensweise der Kandidatin Henriette Reker faire und gleiche Wahlchancen bei der Oberbürgermeister/innenwahl am 13. September gewährleistet?

Wie bewerten Sie die Vorgehensweise der Kandidatin Henriette Reker?

Wenn Sie von den Kölnerinnen und Kölnern am 13. September oder in der Stichwahl am 27. September zur/m Kölner Oberbürgermeister/in gewählt werden, würden Sie dann auch Ihre Social Media Accounts an die Stadt Köln verleihen?

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Diese Frage stellte die Redaktion der Kandidatin Henriette Reker:

Als amtierende Oberbürgermeisterin haben Sie Ihre Social Media Accounts an die Stadt Köln verliehen. Seit dem 1. September 2019 nutzen Sie diese Accounts für Ihren Wahlkampf. Wenn Sie von den Kölnerinnen und Kölnern am 13. September oder in der Stichwahl am 27. September zur/m Kölner Oberbürgermeister/in gewählt werden, würden Sie dann wieder Ihre Social Media Accounts an die Stadt Köln verleihen?

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Diese Kandidatinnen und Kandidaten gaben keine Rückmeldung und Antworten:
Andreas Kossiski, SPD
Jörg Detjen, Linke
Martin Josef Przybilski, parteilos
Rüdiger René Keune, ÖDP
Nicolin Gabrysch, Klima Freunde
Thor Zimmermann, Gut

Hier die Antworten im Wortlaut:
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Henriette Reker, parteilos

„Als ich ins Amt gewählt wurde, war die Stadt Köln in verschiedenen sozialen Netzwerken nicht aktiv, so dass eine Leihe sinnvoll war. In der Zwischenzeit hat die Stadt Köln auf allen gängigen Plattformen eigene Social-Media-Profile angelegt, so dass eine Ausleihe zum Zwecke der Erfüllung der Dokumentations- und Informationspflicht nicht erforderlich ist.“

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Roberto Campione, parteilos

„Wir sind uns einig darüber, das diese Vorgehensweise einen großen auch finanziellen Vorteil der amtierenden Oberbürgermeisterin bringt. Die gesammelten Erfahrungen, User-Eigenschaften und die Anzahl der Follower sind für einen Außenseiter in so kurzer Zeit kaum aufholbar. Ich halte es darüber hinaus für eine Unsitte seinen persönlichen Account der Stadt Köln zu leihen!

Aus diesem Grunde habe ich von Anfang an, zwei Facebook Auftritte, einmal als Privatperson Campione und als OB Kandidat. Ich fordere Frau Reker dringend auf, Klarheit in diesen Misstand zu bringen und vor allen Dingen wer die letzten Jahre Ihre sozial Mediaarbeit bezahlt hat.“

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Olivier Fuchs, Volt

„Wir leben in einer Stadt, in der ein OB-Kandidat und Verwaltungsangestellter in einem öffentlichen Interview sagt, dass es „guten“ Klüngel gäbe.

Wir leben in einer Stadt, in der beamtete Personen in schamlosester Weise Geld für nicht geleistete Arbeit (Überstunden) kassieren, nur weil sie meinen, sie hätten befördert werden müssen – und wo andere Leute das auch noch genehmigen!

Es gibt viele weitere Beispiele dafür, dass in Köln – vorsichtig gesprochen – eine gewisse Gelassenheit gegenüber Regeln und Transparenz herrscht. Dass darf auf gar keinen Fall toleriert werden, und es muss anders werden. Es ist daher wichtig, jeden intransparenten Fall vor die Öffentlichkeit zu bringen. Vielen Dank also dafür, das ist wichtige Medienarbeit!
Die Geschichte zeigt, dass kein Gespür dafür herrscht, wie heikel und wie wichtig Social Media-Kanäle und ihre Behandlung sind – für die Stadt ist das Thema sichtbar noch Neuland.
Man kann natürlich begrüßen, dass das abstrakte Gut „Reichweite“ an die Stadt gespendet wird, aber die Stadt gibt auch Bearbeitung und weitere Reichweite zurück. Die Trennung von öffentlich und privat ist hier sehr unsauber, und das bei einem zwar nicht greifbaren, aber doch sehr wertvollen Gut. Gerade zu Corona-Zeiten läuft ein großer Anteil des Wahlkampfs digital, umso mehr muss auf vollkommene Transparenz geachtet werden.

Eine Chancenverzerrung sehe ich in diesem Falle allerdings nicht: die Frau Reker unterstützenden Parteien sind etabliert und verfügen über ausreichende Budgets zur Finanzierung des Wahlkampfes. Die Oberbürgermeisterin steht ohnehin im Licht der Öffentlichkeit – die Pflege von Accounts (und Nutzung) durch die Stadt ändert nicht viel, auch wenn hier natürlich ein gewisser Amtsbonus greift (zu diesem Thema hat das Bundesverfassungsgericht übrigens auch eine klare Meinung).
Zwar mag auch die Stadt von der Leihe profitiert haben, Frau Reker hat es in jedem Fall. Vielleicht wäre das nicht so schlimm, wenn wir nur von ohnehin schon vorhandenen Mitarbeitern und Kosten sprechen, aber ein Studium der Presse lässt doch eher vermuten, dass für die genannten Zwecke ein eigener, freier Mitarbeiter auf Kosten des Bürgers beschäftigt wurde – uns das muss restlos aufgeklärt werden.

Es ist punktuell sicher schwierig, die Sache bzw. die Informationen von Stadt und Oberbürgermeisterin zu trennen. Bei so zentralen Themen wie Social Media ist das aber unbedingt notwendig, und wurde hier deutlich versäumt.

Es wurde nicht in den richtigen Gremien diskutiert und genehmigt und hat etwas von Mauschelei, auch wenn sich hier niemand bereichert hat. Die Frage nach einer Verletzung des §181 BGB steht natürlich auch im Raum, gegebenenfalls sogar der Untreue, wenn auch bestimmt nicht in böser Absicht. Trotzdem, Unwissenheit schützt nicht, und ein ganz besonderes Geschmäckle bekommt die Sache dadurch, dass der ehemalige Pressesprecher von Frau Reker dann wohl der ominöse freie Mitarbeiter wurde (sein Honorar wurde übrigens natürlich auch nicht offengelegt, genau so wenig wie eine detaillierte Aufstellung, wann er woran gearbeitet hat). Nun wird er Wahlkampfmanager – da hätte ich mir vorher lückenlose Aufklärung des von Ihnen angefragten Sachverhalts gewünscht.
Offen bleibt natürlich auch die Frage, ob der Allgemeinheit weitere Kosten entstanden sind, z.B. durch das Sponsern von Beiträgen. Das sollte ebenfalls baldmöglichst vom Rat geprüft werden.
Unbedingte und ausnahmslose Transparenz in der Verwaltung ist gerade im vorbelasteten Köln extrem wichtig. Frau Reker hat während ihrer Amtszeit stets für eine Reform der Verwaltung und mehr Transparenz gekämpft, und ich hege keine Zweifel an der Integrität unserer Oberbürgermeisterin, auch wenn ich mir mehr Reformen gewünscht hätte.

Gerade deshalb finde ich es aber auch besonders schade, wie unbedacht und von Nebel verschleiert hier vorgegangen wurde. Niemand ist unfehlbar, aber Frau Reker sollte jetzt die Chance nutzen alles offenzulegen. Noch ist es kein handfester Skandal, und in Köln müssen wir offenbar Klarheit und Offenheit in der Verwaltung noch lernen: dann lernen wir es bitte auch.

Zusammenfassend: wenn etwas wie dieser Fall geschieht, so würde ich als Kölner Bürger das also unter „wieder etwas gelernt“ verbuchen Ich würde überprüfen, ob das auch wirklich nicht mehr passieren kann (und im Rat mittlerweile entsprechend behandelt wurde), sicherstellen, dass das Verständnis dafür, wie kritisch Social Media und der Umgang damit ist, geschärft wurde, und dann würde ich die Entschuldigung der Beteiligten akzeptieren.

Dann können wir uns endlich wieder mit aller Kraft dem Aufbau des lebenswerten Kölns der Zukunft widmen.“

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Dagmar Langel, Wir sind Köln 2020

„Merkwürdig ist diese Sache. Es stellt sich die Frage, welchen Sinn diese Überlassung hatte?

Hat die Stadt, also eine nichtbekannte Person, für Frau Reker gesprochen und warum?

Hatte Frau Reker keine Zeit, keine Lust, den Account selbst zu führen?

Wer genau schreibt da in Ihrem Namen und wurde dafür bezahlt?

Wer antwortete auf die Fragen der Bürger, die dachten, sie würden mit der  OB persönlich sprechen?

Ist das schon Manipulation und Irreführung?

Es findet ja eine gewaltige Medienschlacht zur Wiederwahl von Frau Reker statt.

Auch die SPD lässt nichts unversucht ihren Kandidaten zu pushen.

Das Budget scheint unbegrenzt.

Die neuen Kandidaten haben diese Budgets bei weitem nicht.
Alleine aus diesem Grunde ist die Wahl schon verzerrt und nicht alle haben die gleichen Chancen.
Das wäre nur gegeben, wenn alle Kandidaten das gleiche Geld zur Verfügung hätten.
Auch in den Medien ist ja auch Frau Reker ganz vorn.
Auch da spielen die anderen Kandidaten kaum eine Rolle.
Soviel zu der offenen und neutralen Berichterstattung zu der z. B. der WDR verpflichtet ist.
Mit Demokratie hat das doch alles nur noch wenig zu tun.
Es geht doch auch hier nur darum wer genug Geld hat um seinen Kandidaten durchzusetzen.
Ich würde mir einen fairen, gleichberechtigten Umgang wünschen.“

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Christer Cremer, Alternative für Deutschland

„Nach der Kommunalwahl muss das Vorgehen der noch amtierenden Oberbürgermeisterin Reker genau untersucht werden. Der Wahlkampf und ihre Amtstätigkeit werden hier m.E. auf unzulässige Weise miteinander vermischt. Mich interessiert insbesondere, in welchem Umfang Steuergelder in die Pflege der Accounts aber auch in die Bewerbung dieser geflossen sind.

Allerdings erlaube ich mir einen Hinweis, die AfD Köln ist so stark in den Sozialen Medien, dass wir über diese kleine Wettbewerbsverzerrung nur lachen können.
Meine Konten auf den Sozialen Medien würde ich nicht an die Stadt Köln verleihen, sondern ich würde der lieben Ordnung halber einen offizielle Oberbürgermeister-konten schaffen, der dann vom Amtsinhaber an seinen Nachfolger weitergereicht werden würde. Ich verspreche für den Fall meiner Wahl, dass dieser Vorgang untersucht, Transparenz über den Umgang mit Steuergeldern und auch die notwendigen Konsequenzen ggü. Frau Reker im Falle eines Fehlverhaltens gezogen werden. Wenn es dann im übertragenen Sinne heißt: lock her up. Dann heißt es auch lock Reker up!“

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Sabine Neumeyer, parteilos

„Dies war mir so nicht bekannt, dass Frau Reker ihre Social Media Accounts an die Stadt Köln ausgeliehen hat und jetzt wieder für ihren Wahlkampf nutzt! Ich finde das beim Wahlkampf absolut unfair!!

Ich würde meine Social Media Accounts nicht an die Stadt Köln ausleihen, den das sind meine Privat Accounts, als OB würde ich einen offiziellen OB Account eröffnen um dort die Bürger zu informieren!

Auf Kosten der Steuerzahler diesen privaten mit dienstlichen Accounts zu vermischen ist unakzeptabel eine unfaire Handhabung und sollte beanstandet werden!“

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Robert Nussholz, parteilos

„Frau Reker hat durch die professionelle permanente Pflege der Social Media Accounts (SMA) über Jahre hinweg einen indirekten Wahlkampf betrieben, der auf Kosten der Steuerzahler geht. Ich als Steuerzahler habe somit mit meinen Steuergeldern den Wahlkampf meiner Gegnerin mitfinanziert. Diese SMA leben von der dauerhaften Pflege, die in diesem Fall durch die Stadt Köln durchgeführt worden ist. Mein Account für die Wahl entstand erst im vergangenen Jahr. Nein, keine fairen und gleichen Wahlchancen. Nein. Es sind meine persönlichen Accounts, sie gehören mir und ich werde sie zukünftig unter meinem Namen selbst pflegen und nicht irgendein Stadtmitarbeiter.“

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Autor: Andi Goral