Köln | Hamide Akbayir ist seit 2014 die frauenpolitische Sprecherin der Ratsfraktion „Die Linke“ im Kölner Stadtrat. Am 13. September wird ein neuer Stadtrat in Köln gewählt, sofern die Kommunalwahlen wie geplant statt finden. Im Interview mit report-K spricht Frau Akbayir über linke Frauenpolitik in Köln. Auf Grund der aktuellen Lage wurde das Interview statt wie gewohnt im Studio von report-K, schriftlich über E-Mails geführt.

Sie sind seit 2014 die frauenpolitische Sprecherin der Ratsfraktion „Die Linke“ im Kölner Stadtrat. Wenn Sie ein Resumeé ziehen, wie wichtig waren frauenpolitische Themen in der vergangenen Wahlperiode?

Hamide Akbayir: Die kommunale Politik muss darauf abzielen, die strukturellen Benachteiligungen für Frauen und Mädchen zu beseitigen. Mir war es wichtig, dass frauenpolitische Themen parteiübergreifend angegangen werden. Dies konnte ich aber nicht immer spüren. Es war nicht immer leicht, bei bestimmten Frauenthemen sich zu einigen, wie zum Beispiel bei der Forderung nach einem 3. Frauenhaus für Köln. Erst nach langen Debatten konnten wir uns auf einen gemeinsamen Antrag einigen, der im Dezember 2019 im Rat beschlossen wurde. So konnte der Weg zur Etablierung eines dritten Frauenhauses freigemacht werden und die Verwaltung bekam den Auftrag, ein entsprechendes Grundstück oder eine bestehende Immobilie zu benennen. 

Wir konnten aber durch regen Austausch mit dem Arbeitskreis Kölner Frauenvereinigungen (AKF) und der Gleichstellungsstelle unsere Arbeit mit und für Frauen voranbringen. Die Themen “Straßenbenennung nach einer Frau“, damit auch die Verdienste von Frauen sichtbar gewürdigt werden oder „Verleihung eines Frauenpreises nach ELSE-FALK“ waren einige davon.

Gab es Ereignisse, denken wir an die Silvesternacht 2015, die Einfluss auf die Wahrnehmung von frauenpolitischen Themen im Rat nahmen? Wie bewerten Sie dies?

Hamide Akbayir: Die Übergriffe an Silvester waren schockierend. Es war richtig, das Einsatzkonzept der Polizei zu ändern und für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum zu sorgen. Die meiste Gewalt findet aber nach wie vor daheim und in alltäglichen Situationen statt. Als Reaktion auf die Ereignisse in und um den Hauptbahnhof forderte die Ratsfraktion „Die Linke“ ein antisexistisches Maßnahmenprogramm. Im Fokus standen/stehen Beratungs- und Hilfsangebote für Gewaltopfer. Neben einer Aufstockung der Platzzahlen und mehr Personal für die Frauenhäuser, sind eine auskömmliche Finanzierung der Beratungsstellen und eine Ausweitung der Angebote für Migrantinnen in den Herkunftssprachen der Kern für einen wirksamen Gewaltschutz.

Veränderte sich die Kölner Frauenpolitik dadurch, dass Köln seit 2015 eine Oberbürgermeisterin hat?

Hamide Akbayir: Die Frauenpolitik findet nicht nur im Rat statt, sondern im zivilgesellschaftlichen Engagement. Die Frauenvereinigungen, Frauenhäuser, die zum größten Teil durch Ehrenamt ihre Arbeit aufrecht halten müssen, sind überfordert. Hier muss die Politik ansetzen. Wenn über 50 Prozent der Bevölkerung einer Stadt ernst genommen werden muss, dann müssen die Arbeit dieser Frauen gewürdigt werden. Deshalb appelliere ich an Frau Reker als Oberbürgermeisterin – die ja erneut kandidiert – sich dieses Themas ernsthaft anzunehmen und im nächsten Haushalt Gelder für Frauenpolitik bereitzustellen. Natürlich ist eine Frau als Oberbürgermeisterin von Vorteil, in der Wahrnehmung und Umgangsform zu frauenspezifischen Angelegenheiten.

51,1 Prozent der Kölner Stadtbevölkerung sind weiblich. Im Kölner Stadtrat sind nur 30 Prozent der Mitglieder weiblich. Braucht der Kölner Stadtrat eine Quote?

Hamide Akbayir: Ja, paritätische Sicherstellung der Ratsmitglieder ist wichtig, um die gleichberechtigte politische Partizipation von Frauen zu gewährleisten. Deshalb unterstütze ich eine Frauenquote von mindestens 50 Prozent. Die Grünen und Die Linke haben diese Quote längst erreicht, andere müssen nachziehen. Nicht nur im Rat, sondern in allen Gremien, sowie in Führungspositionen und Aufsichtsräten muss die Quote her. Nur so können wir von einer Gleichstellung von Frauen und Männern reden. Aber das wünsche ich mir nicht nur für Führungspositionen, sondern um es Männern zu erleichtern, sich für mehr Familienarbeit zu entscheiden. Um die Quote zu erreichen, müssen Frauen ermutigt werden, sich für ihre Rechte einzusetzen. Sie müssen entlastet werden, sich zu engagieren. Nur das führt zur Bewußtseinsänderung in der Gesellschaft.

Was sind die 3 wichtigsten frauenpolitischen Forderungen der Linken und wie wollen sie diese umsetzen? 

Hamide Akbayir:

1. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

2. Ein Leben in Sicherheit und ohne Gewalt

3. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit

Welches Thema sollte darüber hinaus in den nächsten Jahre die Kölner Frauenpolitik bestimmen?

Hamide Akbayir:

–       Förderung der Frauenprojekte

–       Überprüfung aller Ratsentscheidungen nach Gendergesichtspunkten

–       Selbstverpflichtung der Parteien zur Aufstellung quotierter Ratslisten

Sollten sich die Kölnerinnen stärker für Frauenpolitik engagieren und wie kann man sie dazu motivieren?

Hamide Akbayir: Ja. Weil ohne Frauen keine erfolgreiche Politik denkbar ist. 2019 feierten wir 100 Jahre Frauenwahlrecht. Gleichzeitig beobachten wir aber sinkende Frauenanteile in fast allen Bereichen. Was sind die Ursachen oder Hindernisse politisch Einfluss zu nehmen? Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, Frauen für ihre Rechte zu ermutigen und strukturelle Nachteile zu beseitigen. Die Familienarbeit zwischen Frauen und Männern muss gerechter verteilt werden und das traditionelle Familienbild muss sich ändern.

Dazu gehört auch, dass Frauen sich untereinander stärken und vernetzen. So kann es Frauen leichter fallen, politisch Einfluss zu nehmen und ernst genommen zu werden.

Es gibt die Forderung nach einem Gleichstellungsausschuss im Rat. Unterstützen Sie das?

Hamide Akbayir: Ja, auf jeden Fall. Bisher gibt es keinen eigenständigen Ausschuss oder Beirat für Frauenpolitik. Nur als einen Tagesordnungspunkt in allen Ausschüssen als „Gleichstellungsrelevante Themen“ Ich persönlich habe seit meiner Zeit im Stadtrat nie erlebt, dass zu diesem Punkt etwas berichtet wurde. Das soll sich ändern. Deshalb unterstützen wir als frauenpolitischen Sprecherinnen der demokratischen Fraktionen die Einrichtung dieses Ausschusses, in dem intensiv die Frauen- und Genderpolitik diskutiert wird, nicht nur symbolisch!

Unterstützen Sie die Idee des Gender-Budgetings?

Hamide Akbayir: Ja, weil ich das zur Überprüfung aller Ratsentscheidungen nach Gendergesichtspunkten wichtig halte. Zum Beipiel bei der Mittelverteilung im Haushalt, dabei muss die Gleichstellung der Geschlechter gleichermaßen gefördert werden.

  

Autor: Greta Spieker