Karlsruhe | Diesmal ist die Prognose nicht schwierig: Das Bundesverfassungsgericht wird in seinem am Dienstag (19. Februar) erwarteten Grundsatzurteil das Adoptionsrecht für homosexuelle Partner aller Voraussicht nach ausdehnen.

In der mündlichen Verhandlung am 18. Dezember hatten Familienrechtsexperten und Psychologen das Gericht aufgefordert, das bisherige Verbot für Homosexuelle, ein Adoptivkind ihres eingetragenen Lebenspartners ebenfalls zu adoptieren, zu kippen. Eltern mit gleichen Rechten zu haben, diene dem Kindeswohl, argumentierten die Sachverständigen unisono. Eine solche Zweitadoption sei ein „Rechtsgewinn“ für das Kind. Die Bundesregierung zeigte sich von der Diskussion im Verfassungsgericht beeindruckt: „Für mich hat sich ein eindeutiges Bild ergeben“, sagte Justizstaatssekretärin Birgit Grundmann.

Und Bundesverfassungsrichter Johannes Masing bilanzierte: „Ich habe selten eine mündliche Verhandlung erlebt, in der die Stellungnahmen so einhellig waren.“ Offenbar musste das Verfassungsgericht danach für seine Urteilsfindung nicht besonders lange überlegen. Dafür spricht die nur zweimonatige Dauer zwischen Verhandlung und Urteilsverkündung – in den meisten Fällen sind es drei oder deutlich mehr Monate.

Bislang ist nur die Stiefkindadoption erlaubt

Nach geltendem Recht ist zwar die Adoption des leiblichen Kindes des eingetragenen Lebenspartners möglich („Stiefkindadoption“), nicht aber die Adoption eines vom eingetragenen Lebenspartner adoptierten Kindes („Sukzessivadoption“ oder „Zweitadoption“). Dagegen werden Ehepartnern beide Adoptionsmöglichkeiten eingeräumt.

Die 53-jährige lesbische Frau, die Verfassungsbeschwerde eingelegt hat, lebt seit 20 Jahren mit ihrer Partnerin zusammen, seit 2005 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Ihre Partnerin hatte 2004 ein Mädchen adoptiert, das 1999 in Bulgarien geboren wurde. Beide leben mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt in Münster.

2008 stellte die Klägerin einen Antrag auf Adoption des Kindes ihrer Partnerin, weil sie auch rechtlich vollwertige Mutter sein will. Der Antrag wurde vom Oberlandesgericht Hamm jedoch mit der Begründung abgelehnt, die bestehende gesetzliche Regelung ziele darauf ab, „einander widersprechende Elternrechte“ zu verhindern.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, Rechtsanwältin Rita Coenen, hält dem entgegen: „Seit neun Jahren lebt das Mädchen in einer Familie mit zwei Müttern.“ Nur zu einer habe das Kind aber ein rechtliches Elternverhältnis. Das sei „nicht nachvollziehbar“.

In einem weiteren Fall aus Hamburg will ein schwuler Mann, dessen Partner ein im Jahr 2000 in Rumänien geborenes Kind adoptiert hatte, dieses ebenfalls adoptieren. Dass die Gesetzeslage ihm dies verwehrt – darin sah das Oberlandesgericht Hamburg einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes und legte die Sache dem Bundesverfassungsgericht vor.

Nur wenige adoptierte Kinder in „Regenbogenfamilien“

Nach Auffassung des Fraktionsgeschäftsführers der Grünen im Bundestag, Volker Beck, ist es im Interesse und Wohl eines Kindes, „zwei gleichberechtigte Elternteile zu haben“. Kinder dürften nicht rechtlich benachteiligt werden, „weil die Eltern in einer Lebensform leben, die nicht dem Normalfall entspricht“, betonte Beck.

Er verwies zudem auf eine Studie des Bundesjustizministeriums von 2009, wonach die persönliche Entwicklung von Kindern in homosexuellen Partnerschaften ebenso gut verläuft wie in einer Ehe zwischen Mann und Frau. Gut möglich schien nach der Karlsruher Verhandlung auch, dass das kommende Urteil indirekt eine weitere Weiche stellen könnte: Dass die gemeinschaftliche Adoption eines fremden Kindes bald auch für homosexuelle Lebenspartner möglich werden könnte.

Rechtlich hat die jetzt zur Entscheidung stehende Problematik eine große Tragweite, zahlenmäßig allerdings nicht: Zwar gibt es in Deutschland etwa 27.000 eingetragene homosexuelle Lebenspartnerschaften. Und in „Regenbogenfamilien“ von homosexuellen Eltern leben schätzungsweise rund 2.000 Kinder. Die meisten davon sind aber leibliche Kinder eines Partners. Nur einige wenige sind adoptiert, wie der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) betonte.

Autor: Norbert Demuth, dapd | Foto: RGB4you/fotolia