Berlin | aktualisiert | Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben sich auf einen harten Lockdown verständigt. Dieser soll spätestens ab Mittwoch in Kraft treten, teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag mit. Gegen 12:30 Uhr will sich auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet äußern. Der bayerische Ministerpräsident Söder spricht davon, dass die Lage der Coronapandemie außer Kontrolle geraten sei.

Ausnahmen soll es für den Einzelhandel mit Lebensmitteln und „ähnlichen dringenden Waren des täglichen Bedarfs“ geben. „Es wird auch darauf geachtet, dass der Verkauf von Nicht-Lebensmittelprodukten im Lebensmittel-Einzelhandel nicht ausgeweitet wird“, fügte die Kanzlerin hinzu. Der Verkauf von Pyrotechnik vor Silvester werde verboten.

Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie zum Beispiel Friseure müssen ebenfalls schließen. Beim Thema Schulen und Kitas wurde beschlossen, dass die Kontakte dort „deutlich eingeschränkt“ werden sollen. „Das bedeutet, dass Kinder, wann immer möglich, zu Hause betreut werden“, so Merkel.

Schulen würden ab Mittwoch grundsätzlich geschlossen oder die Präsenzpflicht ausgesetzt. Eine Notfallbetreuung werde bereitgestellt. Für Abschlussklassen könne es Ausnahmen geben.

Eine Überlastung des Gesundheitssystems müsse verhindert werden, sagte die CDU-Politikerin zur Begründung des Beschlusses. „Ziel bleibt, dass die Kontaktnachverfolgung wieder möglich wird.“ Dafür brauche man eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 pro 100.000 Einwohner oder weniger. Die neuen Regelungen sollen zunächst bis zum 10. Januar gelten. Anfang Januar werde man über das weitere Vorgehen beraten. Wie es dann weitergehe, könne man noch nicht sagen, so Merkel. Mit dem Beschluss ziehen die anderen Länder mit Sachsen gleich, wo bereits ab Montag Schulen, Kindergärten, Horte und Teile des Einzelhandels geschlossen werden. Die Ergebnisse der Bund-Länder-Beratungen werden in den einzelnen Bundesländern in der Form von Verordnungen umgesetzt. Dabei gibt es in der Regel im Detail kleinere Abweichungen.

Söder mit drastischen Worten

Der bayerische Ministerpräsident Söder spricht davon, dass die Lage der Coronapandemie außer Kontrolle geraten sei. Deutschland wird schnell das Sorgenkind in Europa. Alle drei Minuten sterben in Deutschland jemand an Corona, sagte Söder, der ergänzte, dass Bergamo näher sei als manche denken.

Bund erhöht Corona-Finanzhilfen

Vor dem Hintergrund des ab Mittwoch geltenden harten Lockdowns in Deutschland erweitert der Bund die Corona-Finanzhilfen für Unternehmen. Konkret stehe die „verbesserte Überbrückungshilfe III“ bereit, die Zuschüsse zu den Fixkosten vorsieht, heißt es in dem Beschlusspapier der Bund-Länder-Runde vom Sonntag. Mit verbesserten Konditionen, insbesondere einem höheren monatlichen Zuschuss in Höhe von maximal 500.000 Euro für die direkt und indirekt von den Schließungen betroffenen Unternehmen, leiste der Bund seinen Beitrag, Unternehmen und Beschäftigung zu sichern, hieß es.

Bisher lag der Höchstbetrag bei 200.000 Euro. Für die von der Schließung betroffenen Unternehmen soll es Abschlagszahlungen geben. Der mit den Schließungsanordnungen verbundene Wertverlust von Waren und anderen Wirtschaftsgütern im Einzelhandel und anderen Branchen soll aufgefangen werden, indem Teilabschreibungen möglich gemacht werden.

Mit dem Lockdown-Beschluss sei es verbunden, allen beizustehen, die Hilfe brauchen, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Sonntagmittag in Berlin. Es werde daher eine „sehr umfassende Überbrückungshilfe“ geben. „Wenn es zu einer vollen Schließung für einen ganzen Monat kommt, rechnen wir mit Ausgaben knapp über elf Milliarden Euro für einen Monat“, fügte der Vizekanzler hinzu.

Das zeige, dass es eine „sehr umfassend gestaltete Unterstützung“ gebe. Diese sei „absolut richtig“, da es um Existenzen gehe, so Scholz. Zuvor hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder auf einen harten Lockdown ab Mittwoch geeinigt.

Zunächst bis zum 10. Januar sollen weite Teile des Einzelhandels schließen. Ausnahme gelten für den Einzelhandel sowie Wochenmärkte für Lebensmittel, Direktvermarkter von Lebensmitteln, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Poststellen, Reinigungen, Waschsalons, den Zeitungsverkauf, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, den Weihnachtsbaumverkaufs sowie den Großhandel. Der Verkauf von Pyrotechnik vor Silvester wird in diesem Jahr generell verboten. Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Friseursalons, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe werden ebenfalls geschlossen. Schulen sollen grundsätzlich geschlossen oder die Präsenzpflicht ausgesetzt werden. Eine Notfallbetreuung werde sichergestellt, heißt es in dem Beschlusspapier. Zudem werde Distanzlernen angeboten. Für Abschlussklassen sollen gesonderte Regelungen möglich sein. In Kindertagesstätten soll analog zu den Schulen verfahren werden. Aus dem Beschlusspapier geht auch hervor, dass vom 16. Dezember bis zum 10. Januar der Verzehr von alkoholischen Getränken im öffentlichen Raum generell untersagt wird. Verstöße sollen mit einem Bußgeld belegt werden. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder wollen am 5. Januar erneut über die Corona-Lage beraten. Dann soll über das weitere Vorgehen entschieden werden.

Städtetag unterstützt Bund-Länder-Beschluss

Der Deutsche Städtetag hat die Beschlüsse von Bund und Ländern zu einer deutlichen Verschärfung der Corona-Maßnahmen begrüßt. „Der harte Lockdown ist schmerzhaft, aber die Städte unterstützen ihn“, sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben). „Unser Land muss die Pandemie wieder in den Griff bekommen, bevor es zu spät ist und das Infektionsgeschehen völlig aus dem Ruder läuft“, mahnte der Leipziger Oberbürgermeister.

Jung appellierte an die Bevölkerung, sich an die neuen Regeln zu halten: „Jede und jeder Einzelne muss in nächster Zeit wieder mithelfen, dass die Infektionszahlen deutlich sinken.“ Die Kontaktbeschränkungen an Weihnachten und rund um den Jahreswechsel fielen schwer, das abrupte Ende der Weihnachtseinkäufe sei bitter, auch für das Leben in den Innenstädten. Solche Maßnahmen seien aber wirksam, wie die Erfahrungen aus dem Frühjahr zeigten: „Wenn wir jetzt ganz stark Kontakte vermeiden und sich in den nächsten Wochen die Lage nachhaltig bessert, werden wieder Lockerungen möglich werden.“

Staatsrechtler erwartet Klagen gegen Shutdown

Der Berliner Staatsrechtler Ulrich Battis rechnet mit Klagen gegen den von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder beschlossenen Lockdown. Daran ändere auch die neue gesetzliche Grundlage nichts, sagte Battis dem „Handelsblatt“ (Montagsausgabe). „Natürlich ist das mittlerweile geänderte Infektionsschutz eine Verbesserung.“

Der dort eingefügte Katalog von generell zulässigen Maßnahmen der Pandemie-Bekämpfung erfülle eine gewisse legitimierende Funktion. „Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass für die Gerichte immer die konkrete Anordnung des Landes oder der Gemeinde ausschlaggebend sein wird, für die Prüfung, ob eine Maßnahme zulässig ist.“ Es komme sogar auf den Einzelfall an.

„Auch künftig wird es also Klagen gegen die Bestimmungen des Shutdowns geben“, so Battis. „Und das mit Aussicht auf Erfolg.“ Ein einsamer Landstrich mit vergleichsweise niedriger Inzidenz in Schleswig-Holstein könne eben nicht genauso behandelt werden wie das Berchtesgadener Land oder Berlin-Kreuzberg.

Autor: dts, red