Köln | Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 eine gesetzliche Aktienrente. Ist das die Reform, die das deutsche Rentensystem braucht oder wird die Rente damit zum Spekulationsobjekt?
Das umlagefinanzierte Rentensystem kommt aufgrund des demografischen Wandels immer mehr an seine Grenzen. 2019 musste der Staat die Rente bereits mit 72,3 Milliarden Euro bezuschussen. Tendenz steigend. Um den Bundeshaushalt dahingehend zu entlasten bedarf es Reformen. Der FDP-Vorschlag einer kapitalgedeckten Alterssicherung durch Aktien sieht vor, dass 2 Prozent des Rentenbeitrags in die gesetzliche Aktienrente fließen sollen. Der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung würde dann von 18,6 auf 16,6 Prozent schrumpfen. Für die Beitragszahler*innen würde der abzugebende Betrag gleich bleiben. Orientiert am schwedischen Modell soll ein staatlicher Non-Profit-Fonds das Geld verwalten. Was sagen die anderen Parteien zur Aktienrente?

CDU: Private statt gesetzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge

Die gesetzliche Rentenversicherung wird geschwächt sollte eine gesetzliche Aktienrente eingeführt werden, teilt die Pressesprecherin der CDU Lara Urbaniak mit. Zwar will die CDU stärker auf kapitalgedeckte Altersvorsorge setzen, allerdings ausschließlich in der privaten Vorsorge. Die Partei setzt auf eine neue Form der kapitalgedeckten Altersvorsorge, zum Beispiel durch eine Generationenrente von Geburt an. Dabei soll ein staatlicher Monatsbeitrag in einem Pensionsfonds angelegt werden. Über mögliche Kompromisse in einer Koalition wollte sich die CDU nicht äußern.

Die SPD sagt nein zur gesetzlichen Aktienrente und ja zu einem freiwilligen Altersvorsorgeprodukt

Eine gesetzliche Aktienrente will die SPD nicht. Stattdessen setzt die Partei auf ein „neues und kostengünstiges Altersvorsorgeprodukt“ auf freiwilliger Basis, teilte Ingrid Herden, Pressesprecherin der Parteivorsitzenden der SPD, auf Anfrage mit. In das Konzept können positive Beispiele aus anderen Ländern einfließen, so Herden weiter.

Grüne: Bürgerfond statt Aktienrente

Mit Hilfe eines Bürgerfonds wollen die Grünen Rentner*innen an der wachsenden Volkswirtschaft beteiligen. Die Anlagen sollen an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden. Die Grünen wollen den Bürgerfond „als Ersatz der heute schlecht funktionierenden privaten Vorsorge bei Riester“, wie Maria Henk von der Pressestelle des Bundesvorstands der Grünen mitteilt. Gleichzeitig soll die gesetzliche Rentenversicherung gestärkt werden. Durch eine gesetzliche Aktienrente, wie sie die FDP vorschlägt, würde die gesetzliche Rentenversicherung um 2 Prozent schwächer werden.

Finanzcrash und dann? Bedenken der Linken gegenüber der Aktienrente

Die Linke befürchtet, dass von einer Aktienrente lediglich die börsennotierten Unternehmen profitieren, jedoch nicht die Rentner*innen. Michael Hinze, Pressesprecher der Linken, teilt auf Anfrage mit, dass Aktienmärkte keine Stabilität bieten können. Als Beispiel nennt er den Finanzcrash im Jahr 2008, wo vor allem Rentner*innen in den USA ihre Renten einbüßen mussten, weil sie den Aktienmärkten vertraut hatten. Die Linke spricht sich ausdrücklich gegen eine Aktienrente aus und will die gesetzliche Rentenversicherung stärken. Wie man zukünftige Rentner*innen an einer wachsenden Volkswirtschaft profitieren lassen kann, erläutert Matthias W. Birkwald, Bundestagsabgeordneter der Linken und stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für Arbeit und Soziales, im Interview mit Report K. Wenn das Bruttoinlandsprodukt steigt, müssen die Beschäftigten ihr Stück vom Kuchen bekommen. Dabei spricht er vor allem von Lohnerhöhungen für Beschäftigte. Diese haben gleichzeitig positive Auswirkungen auf den Rentenanspruch. Außerdem spricht sich Matthias W. Birkwald ausdrücklich gegen kapitalgedeckte Altersvorsorge aus. Aktien und Investments können dem Vermögensaufbau dienen, hätten aber nichts mit Alterssicherung zu tun.

Aktienrente gleich „kleine Zusatzrente“? Das sagt die AfD

Der FDP-Vorschlag zur Aktienrente sei lediglich eine „kleine Zusatzrente“, teilt die rentenpolitische Sprecherin der AfD Frau Schielke-Ziesing, auf Anfrage mit. Die Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Aktienrente würde enorme Kosten für das Umlagesystem verursachen. Frau Schielke-Ziesing weist darauf hin, dass eine Aktienrente „nur langfristig helfen würde, aber eben nicht bei der Bewältigung des Renteneintritts der Babyboomer“. Die AfD schlägt stattdessen staatlich finanzierte Spardepots für Kinder vor, welche für die spätere Altersvorsorge eingerichtet werden sollen.
Aktienrente und dann?
Der Vorschlag der FDP zur Aktienrente lässt weiter einige Fragen offen. Die Anfrage dieser Internetzeitung zum Rentenreformvorschlag wurde nicht beantwortet. Bei der FDP-Forderung zur kapitalgedeckten Altersvorsorge bleibt weiter unklar, ob Nachhaltigkeitsaspekte beim Anlagemodell eine Rolle spielen oder ob schlichtweg die Rendite im Vordergrund steht. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, inwiefern die Rente durch Wirtschaftseinbrüche verzockt werden kann. Außerdem entwickeln Aktien in der Regel erst langfristig ihre Stärke, was für Unklarheiten bei denjenigen sorgt, die nur wenige Jahre nach Einführung der Aktienrente in Rente gehen würden. Durch die Schwächung der gesetzlichen Rentenversicherung klafft zumindest kurz- und mittelfristig ein enormes Loch in den ohnehin schon klammen Rentenkassen, somit wäre die Einführung einer Aktienrente mit hohen Kosten verbunden. Dabei besteht die Gefahr, dass Rentner*innen noch mehr belastet würden.

Autor: Timo Steffens