Köln | Politik und Wissenschaft diskutieren über einen harten Lockdown. Die ersten Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten reagierten bereits und Sachsen ist im harten Lockdown.

Kanzlerin wirbt für harten Lockdown

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat für eine weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen im Rahmen eines harten Lockdowns geworben. Man tue gut daran, die entsprechenden Empfehlungen der Leopoldina ernstzunehmen, sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag. Man müsse alles tun, damit man nicht wieder in ein exponentielles Wachstum komme.

Die seit Anfang November geltenden Kontaktbeschränkungen hätten nicht zu einer „Trendumkehr“ geführt. Die Infektionszahlen seien weiter zu hoch. Eine weitere Reduzierung der Kontakte sei nötig.

„Weil die Zahlen so sind, wie sie sind, müssen wir etwas tun – und zwar Bund und Länder gemeinsam“, so Merkel. Bisher gilt in den meisten Bundesländern noch der sogenannte „Lockdown light“. Für nachhaltig sinkende Infektionszahlen hatte dieser bisher aber nicht gesorgt.

Zuletzt waren die täglich vom Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldeten Zahlen sechs Tage in Folge höher als jeweils sieben Tage zuvor. Am frühen Mittwochmorgen waren es 20.815 Neuinfektionen und damit 20,5 Prozent mehr als am Mittwochmorgen vor einer Woche. Bei den gemeldeten Todesfällen wurde zudem mit 590 binnen 24 Stunden ein neuer Höchstwert seit Beginn der Pandemie erreicht.

Als erstes Bundesland war Sachsen am Dienstag vorgeprescht und hatte aufgrund der sich weiter zuspitzenden Infektionslage einen harten Lockdown ab Montag verkündet. Es wird erwartet, dass weitere Bundesländer nachziehen könnten.

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Gesundheitsminister mahnt Länder zu strengerer Corona-Eindämmung

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat Länder mit hohen Corona-Zahlen zu strengeren Eindämmungsmaßnahmen aufgerufen. „Früh und hart eindämmen wirkt“, sagte der CDU-Politiker der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Und weiter: „Ausgehbeschränkungen, Wechselunterricht für die Schulen, Alkoholausschankverbote: Die Instrumente für ein regional angepasstes Vorgehen liegen alle auf dem Tisch. Sie müssen konsequent angewendet werden.“ Dass Bayern und Sachsen bereits härtere Maßnahmen beschlossen hätten, sei „absolut richtig“. Zu den erforderlichen Maßnahmen „gehören auch Stichprobenkontrollen an den Grenzen zum Ausland, um unnötige Grenzübertritte und damit das Einschleppen des Virus zu unterbinden“, so der Minister.

„Viele innerdeutsche Corona-Hotspots sind auch auf hohe Infektionszahlen in Nachbarländern zurückzuführen. Das gilt für Sachsen und Bayern. Der Tagesausflug oder Einkaufstrip ins Nachbarland, das ist derzeit leider nicht möglich.“

Um die Ansteckungsgefahr im privaten Bereich zu minimieren, könne womöglich auch Gurgeln helfen. „Wissenschaftlich belegt ist das noch nicht. Aber die Idee dahinter ist, dass Gurgeln mit Mundspülungen aus in Alkohol gelösten ätherischen Ölen oder sogar Kochsalz die Viruslast im Mund-und-Rachen-Raum senken soll“, sagte der Minister und bekannte in der NOZ: „Ich gurgele ohnehin regelmäßig.“

Eine explizite Gurgel-Empfehlung wie die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene wollte Spahn zwar nicht aussprechen, das müsse letztlich jeder selbst wissen. „Aber schaden tut es sicher nicht“, sagte er. Zudem warb Spahn für die Einhaltung einer einfachen Faustregel: „Verhalte dich so, als hättest du Corona: Dann hält man doch ganz automatisch Abstand und ist insgesamt vorsichtiger.“ An Familien appellierte Spahn, zu Weihnachten auch auf innerdeutsche Reisen zu verzichten. „Den Ort der Familienfeier in das Bundesland mit den großzügigsten Regeln zu legen, fände ich nicht richtig. Denn auch innerhalb der Familien kann Covid-19 ganz schnell gefährlich werden“, sagte der Minister und ergänzte: „Ich werde Weihnachten zum ersten Mal, seitdem ich denken kann, nicht mit Eltern und Geschwistern gleichzeitig zusammenkommen. Das ist sehr schade. Aber es hilft, das Virus in Schach zu halten.“

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Berlins Gesundheitssenatorin für harten Lockdown

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hat sich angesichts der aktuellen Infektionszahlen für einen harten Lockdown in der Hauptstadt ausgesprochen. Man müsse den Leitspruch „stay at home“ wieder befolgen, sagte Kalayci dem RBB-Sender „Radioeins“. Verstärkte Maßnahmen seien unumgänglich.

„Ich denke, hier muss man auf die Wissenschaft hören und da sind die Appelle sehr eindeutig und die Zahlen in Berlin zeigen auch, dass der Lockdown light leider mehr light war als Lockdown.“ Die Zahlen seien zwar leicht runtergegangen, aber nach wie vor auf sehr hohem Niveau. „Deswegen brauchen wir weitere Einschränkungen.“

Auch die Mobilitätsdaten zeigten, dass man die Kontaktreduzierung nicht hinbekommen habe. „Im März haben wir noch nachvollziehen können, dass 40 Prozent der Mobilität weniger geworden ist, im November sind es nur vier bis zehn Prozent. Also: Wir müssen hier nachsteuern.“

Am kommenden Dienstag wolle der Berliner Senat über die Verschärfungen beraten und Beschlüsse fassen. Kalayci sagte, der Ausblick auf Weihnachten und Silvester berge sowohl Risiken als auch Chancen. Sie appellierte an Betriebe und Arbeitgeber, Betriebsferien auszusprechen und wo es geht, Homeoffice zu ermöglichen.

Familien sollten auch bei ihren Weihnachtsfeiern auf Abstand achten und gut lüften. Die Berliner sollen auf Partys auf den Straßen zum Jahreswechsel verzichten, forderte Kalayci. Jetzt sei „Entschleunigung angesagt“. Die Lage in den Berliner Krankenhäusern sei „sehr dramatisch“, zwei Corona-Ampeln stehen derzeit auf rot, die Neuinfektionszahlen seien mit mehr als 7.000 in der Woche viel zu hoch, 27 Prozent der Intensivbetten seien derzeit mit Covid-19-Patienten belegt. 1,5 Millionen Schnelltest seien an Pflegeeinrichtungen verteilt worden, um Infektionsherde zu vermeiden.

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Leopoldina will „harten Lockdown“

Die Mitglieder der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina haben sich für einen „harten Lockdown“ ausgesprochen. Das geht aus einer Stellungnahme hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Demnach sollen bereits ab dem 14. Dezember Kontakte im beruflichen wie im privaten Bereich auf das „absolute Mindestmaß“ reduziert werden.

Das Homeoffice müsse, wo immer möglich, die Regel sein. Die Schulpflicht sollte bis zum Beginn der Weihnachtsferien aufgehoben werden. Zudem fordern die Akademiker die Einstellung von Gruppenaktivitäten in Sport und Kultur.

Ab dem 24. Dezember bis mindestens zum 10. Januar sollte dann in ganz Deutschland das öffentliche Leben „weitgehend ruhen“ und ein „harter Lockdown“ gelten, hieß es weiter. Dafür sollten auch alle Geschäfte bis auf die des täglichen Bedarfs geschlossen und die Weihnachtsferien in den Bildungseinrichtungen verlängert werden. Die Wissenschaftler plädieren außerdem dafür, Urlaubsreisen während dieses Zeitraums zu unterlassen und Zusammenkünfte nur im „engsten stabilen Personenkreis“ durchzuführen.

Für Schulen fordert die Leopoldina nach dem 10. Januar die Verpflichtung des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes im Unterricht für alle Jahrgangsstufen. Zudem müsse man ländereinheitliche Regeln für den Wechselunterricht ab der Sekundarstufe erarbeiten, hieß es. Die Politik müsse außerdem ein „klares, mehrstufiges und bundesweit einheitliches System von Regeln“ erarbeiten, „die ab einer bestimmten Anzahl von Fällen pro 100.000 Einwohner greifen“, heißt es in der Stellungnahme.

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Sachsen geht in harten Lockdown

Als Reaktion auf die weiterhin schwierige Corona-Lage geht Sachsen ab Montag in einen harten Lockdown. Das kündigte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Dienstagnachmittag in Dresden an. Demnach sollen zu Beginn der kommenden Woche Schulen, Kindergärten, Horte und Teile des Einzelhandels geschlossen werden.

Geschäfte, in denen Lebensmittel und für den Grundbedarf nötige Dinge verkauft werden, sollen geöffnet bleiben. Man müsse das Land „zur Ruhe bringen“, sagte Kretschmer. „Es ist die einzige Möglichkeit, um dieses Infektionsgeschehen zu stoppen.“

Bis zum Freitag soll der Lockdown ausgearbeitet und beschlossen werden. Die harten Maßnahmen sollen zunächst bis zum 10. Januar gelten.

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Rheinland-Pfalz kassiert Corona-Ausnahmen für die Feiertage

Rheinland-Pfalz kassiert die ursprünglich geplanten Corona-Ausnahmen für die Feiertage wieder weitgehend weitgehend ein. Man könne sich allenfalls vorstellen, dass sich zwischen dem 23. und 27. Dezember bis zu zehn Personen aus maximal drei Haushalten treffen dürfen, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Dienstag nach einer Sitzung des Landeskabinetts. An Silvester dürfe es jedoch keinerlei Lockerungen geben.

„Wir möchten auch nicht, dass geböllert wird“, sagte Dreyer. Es werde zudem auch über ein Alkoholverbot nachgedacht. Dieses Jahr werde es „kein Silvester der Partys, kein Silvester der Feuerwerke“ geben.

Rheinland-Pfalz wolle diesbezüglich noch abwarten, ob sich eine bundesweite Linie durchsetze. Eine neue Rechtsverordnung werde erst nächste Woche beschlossen, sagte Dreyer.

Autor: dts