Berlin | Die Debatte um den Diesel hat sich mit dem Treffen im Innenministerium gestern nicht erledigt. Umweltministerin Barbara Hendricks ist der Ansicht, dass die Software-Updates nicht ausreichen, die Verbraucherzentralen wollen einen neuen Auto-Gipfel und der Städtebund warnt vor der blauen Plakette. Der Druck auf die Autoindustrie hält an. Eine Zusammenfassung der Reaktionen. 

Verbraucherzentralen wollen neuen Auto-Gipfel

Die Verbraucherzentralen kritisieren die Ergebnisse des Diesel-Gipfels und fordern ein Nachfolgetreffen. „Die Bundesregierung und die Autobranche haben die Chance vertan, Vertrauen bei geschädigten und verunsicherten Verbrauchern zurückzugewinnen“, sagte Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstag). „Der Gipfel brachte nur eine Minimallösung, viele Fragen bleiben offen – zur finanziellen Entschädigung, zu rechtsverbindlichen Garantien, zum Dieselauto in der eigenen Garage“, so Müller weiter.

Verbraucherinteressen seien wieder ausgebremst worden. „Deshalb fordern wir einen zweiten Autogipfel nach dem Dieselgipfel – dann aber bitte schön auch mit Verbrauchervertretern am Tisch“, erklärte er. „Die Hersteller dürfen sich nicht mehr aus der Verantwortung stehlen und die Bundesregierung darf sich nicht mehr wegducken. Millionen Autofahrer und Millionen Menschen, die von den Stickoxidemissionen betroffen sind, warten auf Antworten und Lösungsvorschläge – jetzt.“

Hendricks: Software-Updates für Diesel-Pkw reichen nicht aus

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hält die beim Gipfeltreffen verabredeten Software-Updates der Diesel-Fahrzeuge für nicht ausreichend. „Das sind Schritte in die richtige Richtung, aber es reicht noch lange nicht aus“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). Die Bevölkerung in den deutschen Städten habe „ein Recht auf saubere Luft. Das wird durch die jetzt beschlossenen Software-Updates nicht erreicht“, sagte die Ministerin. Deshalb müsse die Autoindustrie bald erklären, „wie sie auf ihre Kosten auch die Hardware nachrüsten wird“, so die Ministerin. „Wir müssen uns neben der von der Autoindustrie zu bewerkstelligenden Altlastenbeseitigung gemeinsam um eine echte Verkehrswende kümmern. Das ist die wahre Perspektive nicht nur für die Autoindustrie, sondern für Mobilitätstechnologien in ihrer ganzen Breite, für Beschäftigung und nicht zuletzt für Lebensqualität in Deutschland.“

Städtebund warnt vor der Blauen Plakette

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, lehnt die Blaue Plakette für schadstoffarme Dieselautos ab. „Die Erwartung, die Einführung einer blauen Plakette würde die Schadstoffsituation in vielen deutschen Städten lösen, ist ein Irrglaube“, sagte Landsberg dem „Handelsblatt“ (Donnerstagsausgabe). „Schon die von vielen begrüßten Umweltzonen mit verschiedenen Plaketten haben nichts gebracht außer Bürokratie und Kosten.“

Die Blaue Plakette könne allenfalls eine Erleichterung bei der Kontrolle von Fahrverboten bieten. Landsberg glaubt aber nicht, „dass man mit immer mehr Verboten und Geboten die Zukunft unserer Gesellschaft gestalten kann“. Viel notwendiger seien stattdessen die Verkehrswende und ein klares Bekenntnis zu schadstofffreien Antrieben.

„Darauf sollten wir uns konzentrieren und nicht weitere Bürokratiemonster schaffen.“ Die Grünen fordern dagegen eine Verschärfung der bereits bestehenden Umweltzonen und sehen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Zug, seinen Widerstand aufzugeben. „Mit seiner Blockade der Blauen Plakette zeigt Dobrindt einmal mehr, dass er als Büttel der Automobilindustrie agiert und ihm die Interessen von Millionen Abgasbetroffenen in den Städten egal sind“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, der Zeitung.

„Dobrindt soll endlich den Weg frei machen, damit Kommunen nach eigenem Ermessen auch Fahrverbote für die dreckigsten Stinker erlassen können.“ Scharfe Kritik an Dobrindt äußerte auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace. „Verkehrsminister Dobrindt zwingt die Städte mit seiner Blockade der Blauen Plakette zu einem unwürdigen Eiertanz“, sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan der Zeitung.

„Bürgermeister, die die Gesundheit der Bevölkerung schützen wollen, haben keine praktikable und rechtssichere Lösung, um schmutzige Dieselautos aus der Stadt zu halten.“ Gleichzeitig biete Dobrindt den Städten aber auch keine alternative Lösung an. „Die Nachlässigkeit der Politik und die kriminelle Energie der Konzerne haben die dramatischen Probleme entstehen lassen, jetzt muss auch der Verkehrsminister helfen sie zu lösen“, sagte Stephan. „Ohne eine bundesweite Blaue Plakette wird das nicht gelingen.“

Autor: dts, ag