Berlin | Die SPD-Bundestagsfraktion will eine Abstimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe erzwingen: Noch in dieser Woche werde man eine Abstimmung über die „Ehe für alle“ im Deutschen Bundestag durchsetzen, teilte die Fraktion am Dienstag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Auch SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz erklärte bei einer Pressekonferenz in Berlin, er wolle dafür sorgen, dass es zu einer Abstimmung im Bundestag komme. Einen genauen Termin nannte er jedoch noch nicht.

Am Montagabend hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Veranstaltung der Zeitschrift „Brigitte“ in Berlin erklärt, sie wünsche sich eine Diskussion, die „eher in Richtung einer Gewissensentscheidung“ gehe. Bei einer Abstimmung im Bundestag ohne Fraktionszwang gilt eine Mehrheit für die „Ehe für alle“ als sicher.

„Ehe für alle“: SPD bezichtigt Merkel der Lüge

In der Debatte über die „Ehe für alle“ hat die SPD Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf attackiert. „Sie hat bewusst die Unwahrheit gesagt“, sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, dem „Handelsblatt“. Er nahm dabei Bezug auf Äußerungen Merkels am Montagabend auf einer Veranstaltung der Zeitschrift „Brigitte“ in Berlin.

Merkel hatte gesagt: „Dass wir jetzt vier Jahre mit der SPD nie über dieses Thema gesprochen haben und jetzt im Wahlkampf soll es holterdiepolter gehen, das finde ich seltsam.“ Kahrs sagte dazu, er habe selbst kurz vor Weihnachten mit Merkel über das Thema gesprochen. Seinerzeit habe sie aber keine Chance gesehen, noch in dieser Legislaturperiode zu einer Entscheidung über die „Ehe für alle“ zu kommen.

Nachdem nun aber Merkel von dem klaren Nein ihrer CDU zur gleichgeschlechtlichen Ehe abgerückt sei, gebe es eine neue Lage. „Frau Merkel hat die Abstimmung zu einer Gewissensentscheidung erklärt, und wir nehmen sie beim Wort.“ Laut Kahrs strebt die SPD noch in dieser Woche eine Parlamentsabstimmung über einen bereits vom Bundesrat beschlossenen Gesetzentwurf an.

„Technisch geht das“, sagte Kahrs. „Der Rechtsausschuss kann das Gesetz in den Bundestag durchwinken – entweder mit den Stimmen der Koalition oder mit den Stimmen von SPD, Linken und Grünen.“ Die Grünen sind bereit, noch in dieser Woche im Bundestag über das Thema abzustimmen.

„Nachdem die Kanzlerin sich besonnen hat, muss die „Ehe für alle“ am Freitag im Bundestag abgestimmt werden“, sagte die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), dem „Handelsblatt“. „Das wäre ein gutes Signal in der letzten Sitzungswoche vor der Bundestagswahl und würde das unwürdige Trauerspiel der ewigen Vertagungen im Rechtsausschuss durch SPD und CDU/CSU endlich beenden.“ Künast appellierte an die Kanzlerin: „Frau Merkel, geben Sie die Abstimmung jetzt frei.“

CSU poltert weiter gegen „Ehe für alle“

Aus der CSU kommt weiter Gegenwind gegen das Vorhaben der SPD, zusammen mit Grünen, Linken und womöglich Teilen der Unionsfraktion noch in dieser Woche eine Entscheidung für die sogenannte „Ehe für alle“ im Bundestag durchzudrücken. „Wir stehen zur Ehe zwischen Mann und Frau“, sagte der CSU-Politiker und Vizepräsident des Deutschen Bundestag Johannes Singhammer dem „Deutschlandfunk“. „Die Menschen haben auch gewusst, warum sie uns wählen, wofür wir stehen, dass wir gegen Diskriminierung sind, aber ganz klar auch für uns wichtig ist, dass das Kindeswohl bei der Volladoption eine ganz herausragende Rolle spielt.“

Gleichzeitig verwies er auf die Koalitionsvereinbarung und forderte, die SPD solle „keine Politik gegen den Koalitionspartner machen“. Zudem äußerte Singhammer die Ansicht, dass für Teile der Gesetzesvorlage womöglich eine Zweidrittelmehrheit notwendig sei. Und diese komme unter Umständen nicht zustande.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich diese Woche mehrfach dahingehend geäußert, dass sie einen möglichen Fraktionszwang bei einer Abstimmung über die „Ehe für alle“ aufheben wolle. Es handele sich um eine „Gewissensentscheidung“.

Autor: dts