Berlin | Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann glaubt, dass die „Fridays-for-Future“-Proteste weiter anhalten werden. „Sie haben es bisher geschafft, sich nicht von Parteien oder Organisationen vereinnahmen zu lassen, sie wirken nach wie vor sehr authentisch und frisch, das ist ihre ganz große Stärke“, sagte Hurrelmann der „Heilbronner Stimme“ (Freitagsausgabe) über die demonstrierenden Jugendlichen. Er wüsste nicht, dass „wir schon so eine, man kann schon sagen, kinderpolitische Bewegung gehabt hätten. Denn die bisherigen politischen Proteste wurden meist von Studierenden, also von 25- bis 30-Jährigen gesteuert. Etwa die 68er-Bewegung oder die Anti-Atomkraft-Aktivitäten. Jetzt haben wir die außergewöhnliche Situation, dass die 15- bis 20-Jährigen die Anführer und vor allem Anführerinnen sind“, so der Jugendforscher weiter.

Zurückblickend könne man sagen, „wer hätte vor drei Monaten prognostiziert, dass diese Bewegung so lange anhält? Insofern ist es jetzt schon eine ganz ungewöhnliche Nachhaltigkeit, ein großes Durchhaltevermögen. Und ich würde mal intuitiv sagen, das wird nicht von heute auf morgen abklingen“, sagte Hurrelmann. In der Pubertät betrachte man die Welt „so sensibel wie nie, und die wirtschaftliche Lage ist ein ganz wichtiger Indikator für Politikwahrnehmung“.

Aber dass die Jugendlichen „heute so intensiv und professionell ihre Bewegung in Form von Demonstrationen mit Reden, Plakaten organisieren“, sei wirklich auffällig. „Da nehmen auch Zehnjährige teil, die sich gut artikulieren können, warum sie auf der Straße sind. Viele Erwachsene sind ja total überrascht und perplex, dass Kinder diese Fähigkeit haben, sich politisch so ausdrücken zu können“, so der Jugendforscher.

Er äußerte Verständnis für Eltern und Lehrern, die mit den Kundgebungen während der Unterrichtszeit nicht einverstanden sind. „Die jungen Leute provozieren, sie schwänzen die Schule. Sie verstoßen also gegen ein in ihrer Entwicklung ganz wichtiges Recht. Sie sammeln sich damit völlig zurecht Kritik an“, sagte Hurrelmann der „Heilbronner Stimme“. Das machten sie aber aus Kalkül. „Sie tragen damit das Thema Umweltschutz in die Familien, in die Schulen hinein. Denen bleibt gar nichts anderes übrig, als auch inhaltlich mit den jungen Leuten über das Thema zu sprechen“, so der Jugendforscher weiter.

Autor: dts