Berlin | Die Grünen ziehen nach der Nominierung von Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin in der Wählergunst an der Union vorbei. Im Sonntagstrend, den das Meinungsforschungsinstitut Kantar/Emnid wöchentlich für die „Bild am Sonntag“ erhebt, legen die Grünen sechs Prozentpunkte auf 28 Prozent zu. Das ist der höchste Grünen-Wert in der Geschichte des Sonntagstrends. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, FDP, sagt derweil, dass der Verfall der Union nicht mehr aufzuhalten sei.

Die Union hingegen verliert nach der Nominierung ihres Kanzlerkandidaten Armin Laschet zwei Punkte und landet mit 27 Prozent nur noch auf Platz zwei. Auch die SPD verliert zwei Punkte und landet bei 13 Prozent – dem schlechtesten Wert seit August 2019. Linkspartei (sieben Prozent) und AfD (zehn Prozent) verlieren jeweils einen Punkt, die FDP bleibt stabil bei neun Prozent. Die sonstigen Parteien würden sechs Prozent wählen.

„Den Grünen ist es in den letzten Tagen gelungen, Wähler der Union, der SPD, der Linkspartei, aber auch der Nichtwähler für sich zu gewinnen“, sagte Kantar/Emnid-Meinungsforscher Torsten Schneider-Haase dem Blatt. Sie besetzten Themen, die gerade Konjunktur hätten. „Hinzu kommt: Annalena Baerbock profitiert von den Schwächen ihrer beiden Mitbewerber.“

Tatsächlich würde Baerbock bei einer Kanzler-Direktwahl deutlich besser abschneiden als ihre Mitbewerber. Laut einer INSA-Befragung für die „Bild am Sonntag“ würden 30 Prozent Baerbock direkt wählen, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz käme auf 20 Prozent und Laschet auf 18 Prozent. „Für einen erfolgreichen Wahlkampf müssen Partei, Programm und Kandidat zusammenpassen“, sagte die Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele von der Hertie School of Governance der Zeitung.

Bei den Grünen sei das der Fall. „Bei der Union hadert die Basis mit Armin Laschet und das Programm ist noch nicht da. Olaf Scholz passt zwar hervorragend zum Parteiprogramm, dafür hat sich die SPD-Basis bei der Wahl des Parteivorsitzenden gegen ihn ausgesprochen.“ Für die Erhebung befragte das Meinungsforschungsinstitut Kantar/Emnid insgesamt 1.225 Menschen im Zeitraum vom 15. bis zum 21. April. Frage: „Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären?“

Kubicki: Verfall der Union nicht aufzuhalten

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hält den Niedergang der Union für nicht mehr aufzuhalten. „Der Verfall der Union ist meines Erachtens unabhängig von den Personen Laschet oder Söder, er wird von beiden nicht gebremst werden“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Man sehe eine Partei, „die in den letzten 16 Jahren keine inhaltlichen Debatten geführt, sondern fast ausschließlich strategische Machtüberlegungen angestellt hat“.

Armin Laschet habe nur eine Chance, wenn er sich in den nächsten Monaten von dieser Art der Politikgestaltung verabschiedet und einen eigenen Führungsanspruch dokumentiere. „Die Rolle als kleiner Sohn von Angela Merkel reicht nicht.“ Auf die Frage, ob die FDP mit den Grünen koalieren könne, sagte Kubicki: „Selbstverständlich. Wir dokumentieren das jeden Tag in Schleswig-Holstein. Im Bund könnten wir uns neben Jamaika auch vorstellen, in anderen Konstellationen vernünftige Politik zu betreiben.“ Das Problem bei einer grünen Ampel werde aber darin bestehen, „dass die Sozialdemokratie so abgrundtief abschmiert, dass es numerisch dazu wahrscheinlich nicht reichen wird“, sagte Kubicki der „Welt am Sonntag“.

Autor: dts