Karlsruhe | Dieser Artikel wird laufend aktualisiert | Das Bundesverfassungsgericht hat den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM unter Auflagen genehmigt. Aktualisiert: Jetzt mit Stimmen aus der Politik zum Urteil: Bundespräsident Joachim Gauck will so bald wie möglich über die Ausfertigung der Gesetze entscheiden. Außenminister Guido Westerwelle und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begrüßten das Urteil.

So könne dieser erst dann abschließend ratifiziert werden, wenn völkerrechtlich sichergestellt sei, dass die deutsche Haftungsobergrenze von 190 Milliarden Euro nur mit Zustimmung des Bundestages geändert werden könne, erklärte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle am Mittwoch in Karlsruhe. Nachdem Bundestag und Bundesrat dem ESM und dem Fiskalpakt am 29. Juni zugestimmt hatten, waren mehrere Verfassungsklagen in Karlsruhe eingegangen. Die Kläger monierten, dass die Gesetze zu einer unwiderruflichen Aufgabe von Hoheitsrechten führen würden. Mit ihren Eilanträgen wollten die Kläger verhindern, dass Bundespräsident Joachim Gauck den Vertrag über den ESM unterzeichnet.

Stimmen zum Urteil:

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als „kluge Entscheidung“ bezeichnet. „Das ist eine kluge Entscheidung im pro-europäischen Geist unserer Verfassung“, sagte Westerwelle kurz nach Verkündung des Urteils durch Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Die Arbeit der Bundesregierung für den Euro und für Europa gehe nun weiter. Die von den Karlsruher Richtern vorgegebene Begrenzung der Haftungspflicht Deutschlands „ist richtig und notwendig“, so Westerwelle weiter. „Die deutsche Leistungskraft darf nicht überfordert werden.“ Der Außenminister sieht bei der Bewältigung der Schuldenkrise in der Eurozone nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts zudem „erstes Licht am Ende des Tunnels“.

„Wir dürfen jetzt nicht nachlassen in unserer Entschlossenheit, mit Haushaltsdisziplin, Wachstumsorientierung und europäischer Solidarität gemeinsam die Schuldenkrise zu überwinden“, forderte Westerwelle. Unterdessen reagierte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erleichtert auf das Urteil aus Karlsruhe. „Das ist nicht nur ein guter Tag für Europa, sondern auch für die parlamentarische Demokratie“, erklärte Steinmeier mit Blick auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Gespräch mit dem Fernsehsender Phoenix.

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans zum Urteil: „Das ist ein Schuss vor den Bug derer, die mit Stimmungsmache gegen Europa Parteipolitik betreiben und dabei in Kauf nehmen, dass die Krise unbeherrschbar wird. Es ist gleichzeitig ein Signal, dass Europa seine Probleme nur miteinander und nicht gegen­einander lösen kann. Die Bundesregierung muss aber auch die Aufforderung der Karlsruher Richter ernst nehmen, die parlamentarischen Rechte zu stärken. Eine stabile Finanz- und Währungsordnung in Europa ist das A und O auch für unsere Zukunft. Die dafür notwendigen Entscheidungen dürfen nicht einfach aus dem Bauch heraus getroffen werden, aber sie müssen die Menschen mitnehmen. Sonst entsteht Angst, und Angst ist ein schlechter Ratgeber. Jetzt ist der Weg frei für rasches und verantwortungsvolles Handeln. Diesen Rahmen muss die Bundesregierung aber auch ausfüllen und ihr Handeln dem Bürger verständlich machen. Ihr bisheriges Hinterherhecheln mit ständigen Querschüssen aus der schwarz-gelben Koalition im Bund und in Bayern stärkt nicht gerade das Vertrauen in ihre Handlungsfähigkeit. Nordrhein-Westfalen hat ein ureigenes Interesse an einer Stabilisierung des Euro­raums. Der Zusammenhalt Europas ist eine menschliche Verpflichtung mit unmittelbaren Auswirkungen auf unseren Lebensstandard – auf Exportchancen, Arbeitsplätze, Renten und Mieten. Für Dilettantismus ist da genau so wenig Raum wie für dumpfe Stimmungsmache.“

Bundespräsident Joachim Gauck möchte „so bald wie möglich“ über die Ausfertigung der Gesetze zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und zum Fiskalvertrag entscheiden. Dies teilte die Sprecherin des Bundespräsidenten mit. „Der Bundespräsident beabsichtigt, so bald wie möglich über die Ausfertigung zu entscheiden. Einen Termin zu nennen, ist gegenwärtig nicht möglich“, so die Sprecherin Gaucks. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Bundespräsidenten am 21. Juni 2012 gebeten, von einer Ausfertigung der Gesetze zum ESM und zum Fiskalvertrag zunächst abzusehen, um ausreichend Zeit zur Prüfung angekündigter beziehungsweise bereits vorliegender Eilanträge zu haben. Mit dem Urteil aus Karlsruhe vom heutigen Mittwoch sei der „Weg für die Fortsetzung des Ausfertigungsverfahrens“ frei, so die Sprecherin des Bundespräsidenten weiter.

Der Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, hat das Urteil begrüßt. „Das ist eine gute Nachricht für den Euro. Wir brauchen diesen Rettungsschirm im Kampf um den Euro“, sagte Franz der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe). „Ich finde es gut, dass der Gesetzgeber jetzt zweifelsfrei eingebunden wird beim ESM“, sagte der Chef des Sachverständigenrats zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung. Franz verwies allerdings darauf, dass der Euro mit dem Urteil noch nicht gerettet sei. „Es kann noch mal spannend werden, wenn das Verfassungsgericht in der Hauptsache über die geplante Staatsfinanzierung durch die EZB verhandelt“, so Franz. Der Mannheimer Ökonom forderte die Bundesregierung überdies dazu auf, sich rasch für einen systematischen Weg aus der Euro-Krise zu entscheiden. „Jetzt müssen wir kurzfristig aus dem Schlamassel der Euro-Krise herauskommen“, betonte Franz. „Wer gegen den Schuldentilgungspakt des Sachverständigenrats ist und auch gegen die EZB-Anleihekäufe und die Eurobonds, muss jetzt bitteschön sagen, wie er den Euro dann retten will“, sagte Franz an die Adresse von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Eurostabilitätsmechanismus (ESM) begrüßt. Es sei ein „klares Signal“, dass es in Deutschland auch in Zukunft eine deutliche Ausrichtung nach Europa gebe, sagte die SPD-Politikerin. Das Land könne auch künftig nur dann stark sein, „wenn die Europäische Union als Ganzes auf Dauer erfolgreich“ sei. Die Lösung der derzeitigen Probleme sei „mehr Europa und nicht weniger“.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das am heutigen Mittwoch den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM sowie den Fiskalvertrag unter Vorbehalten genehmigt hatte, könne der ESM Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zufolge innerhalb „weniger Wochen einsatzbereit sein“. Die Bundesregierung werde im Rahmen des Ratifikationsverfahrens „völkerrechtlich sicherstellen, dass die Haftung Deutschlands unter allen Umständen auf den im ESM-Vertrag fixierten“ Höchstbetrag von 190 Milliarden Euro beschränkt bleibe, erklärte Schäuble am Mittwoch in Berlin. Dies sei im Übrigen schon jetzt im Kreis der ESM-Vertragsstaaten „einhellige Auffassung“, betonte der Finanzminister. „Gleichzeitig werden wir auch einmal mehr klarstellen, dass die Informationsrechte von Bundestag und Bundesrat umfassend gewahrt bleiben. Der ESM kann dann innerhalb weniger Wochen einsatzbereit sein“, so Schäuble weiter, der den heutigen Tag überdies als „eine wichtige Wegmarke für die Stabilisierung der Eurozone“ bezeichnete.

Autor: dts | Foto: chocolat/ pixelio.de