Düsseldorf | aktualisiert 17:46 Uhr | Mit einem Klimaschutzgesetz will die rot-grüne Landesregierung erstmals konkrete Minderungsziele für Treibhausgasemissionen gesetzlich festlegen. Im Düsseldorfer Landtag wurde der Gesetzentwurf heute in erster Lesung beraten. Während Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) von einem „guten, soliden“ Entwurf sprach, befürchtete die Opposition Schäden für den Industriestandort NRW. Mit einem Nazi-Vergleich sorgte der CDU-Abgeordnete Rainer Deppe kurzzeitig für Unruhe. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause brachte der Landtag zudem ein neues Mittelstandsgesetz auf den Weg.

Bis zum Jahr 2020 will Rot-Grün die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um mindestens 25 Prozent reduzieren – bis 2050 sogar um 80 Prozent. Der CO2-Ausstoß würde dadurch von bislang 300 Millionen Tonnen jährlich auf 70 Millionen Tonnen sinken. Der Gesetzentwurf wurde schon einmal im Landtag behandelt, aufgrund der Parlamentsauflösung im März konnte das Verfahren allerdings nicht zu Ende gebracht werden.

Laut Remmel soll Nordrhein-Westfalen auch mit Unterstützung des Gesetzes zum „Klimaschutzland Nummer Eins“ in Deutschland werden. Die beabsichtigten Minderungsziele seien zwar ambitioniert. Wenn aber die gesamte Gesellschaft mithelfe und alle Beteiligten – darunter Industrie und Energiewirtschaft – ihren Beitrag leisteten, könnten die „gewaltigen Anstrengungen“ gelingen. Der Wirtschaftsstandort NRW solle durch das Gesetz allerdings nicht gefährdet werden. „Wir wollen die Wertschöpfungskette zusammenhalten“, sagte Remmel. Dazu gehörten auch die energieintensiven Stahl- und Aluminiumindustrien im Land.

Opposition befürchtet Gefahren für die Wirtschaft

Die Opposition befürchtet dennoch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Das Gesetz gebe der Landesregierung alle Werkzeuge in die Hand, um „die Axt an den Industriestandort Nordrhein-Westfalen zu legen“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Hendrik Wüst. Statt konkreter Maßnahmen zur Energieeinsparung formuliere das Gesetz eine Fülle von Instrumenten, um den Energieverbrauch zu reglementieren.

Nach Ansicht von FDP-Umweltexperte Henning Höne verunsichert das Gesetz die Unternehmen im Land und „gefährdet langfristige Investitionen und Arbeitsplätze“. Lediglich die Piraten signalisierten Zustimmung. In den Ausschüssen des Landtages soll der Entwurf in den kommenden Monaten näher beraten werden.

Nazi-Vergleich sorgt für Unruhe

Für Unruhe in der ansonst sachlichen Debatte sorgte der CDU-Abgeordnete Rainer Deppe mit einem Nazi-Vergleich. Der Christdemokrat bezeichnete den Gesetzentwurf als Ermächtigungsgesetz für Umweltminister Remmel zur „Deindustrialisierung unseres Landes“. Vonseiten des Landtagspräsidiums erhielt Deppe daraufhin eine Rüge. Vizepräsident Eckhard Uhlenberg (CDU) bezeichnete den Begriff als „derart belastet“ aus einer „unsäglichen Vergangenheit“ Deutschlands, dass er nicht Teil einer Auseinandersetzung im Landtag sein solle. Am Ende der Debatte ergriff Deppe noch einmal das Wort und nahm den Begriff mit „ausdrücklichem Bedauern“ zurück. Ein Vergleich zum Nationalsozialismus sei nicht beabsichtigt gewesen.

Das im März 1933 vom Reichstag gebilligte sogenannte Ermächtigungsgesetz markiert das Ende der demokratischen Weimarer Verfassung und sicherte dem damaligen Reichskanzler Adolf Hitler die uneingeschränkte politische Kontrolle über das Land.

Mittelstandsgesetz in der Kritik

Am geplanten neuen Mittelstandsgesetz ließ die Opposition kein gutes Haar. CDU, FDP und Piraten kritisierten den Entwurf unisono als zu unkonkret. So sprach der CDU-Abgeordnete Arne Moritz von einem „inhaltsleeren“ Entwurf, der lediglich als Placebo verstanden werden könne. Ralph Bombis von FDP-Fraktion nannte das Papier „Mittelstandslyrik“, die Piraten monierten eine mangelnde Transparenz. Kernstück des Gesetzes ist der Aufbau einer Clearingstelle Mittelstand, wodurch die Wirtschaft schon frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess einbezogen werden soll. Wie auch das Klimaschutzgesetz wurde der Entwurf zur Mittelstandspolitik für die weiteren Beratungen in die jeweiligen Ausschüsse verwiesen.

Ein von den Piraten eingebrachter Entwurf für eine Verfassungsänderung zugunsten von mehr Bürgerbeteiligung wurde von den anderen Fraktionen als „Schnellschuss“ und nicht gründlich genug kritisiert. Auch mit dem umstrittenen Betreuungsgeld beschäftigte sich das Plenum und verabschiedete mit den Stimmen von SPD, Grünen und den Piraten einen Antrag, in dem die von der Bundesregierung geplante Zahlung abgelehnt wird. Ein ähnlicher FDP-Antrag, der neben dem Betreuungsgeld auch beitragsfreie Kindergartenjahre mit Verweis auf die verschuldeten Haushalte ablehnte, fand keine Mehrheit.

In der Sommerpause wird der Landtag nun umfassend renoviert und erhält neben neuen Stühlen und Tischen auch einen behindertengerechten Umbau. Die nächste Sitzung ist auf den 12. September terminiert. „Drücken Sie die Daumen, dass der Umbau bis dahin dann auch fertig ist“, sagte Landtagspräsidentin Carina Gödecke zum Abschluss.

Autor: Christian Wolf/ dapd | Foto: Roberto Pfeil/ dapd
Foto: Landtag NRW