Pretoria | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen scharf kritisiert. Christian Lindner reist nach Thüringen um mit dem dortigen Landesverband und Kemmerich zu sprechen und der SPD-Vorsitzende Dr. Norbert Walter-Borjans äußerte sich zur Großen Koalition.

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„Da dies absehbar war, in der Konstellation, wie im dritten Wahlgang gewählt wurde, muss man sagen, dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und deshalb auch das Ergebnis wieder rückgängig gemacht werden muss“, sagte Merkel am Donnerstag bei einem Besuch in Südafrika. Jedenfalls dürfe sich die CDU nicht an einer solchen Regierung unter dem gewählten Ministerpräsidenten beteiligen.

Die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum thüringischen Ministerpräsidenten sei „ein einzigartiger Vorgang“ gewesen, „der mit einer Grundüberzeugung gebrochen hat für die CDU und auch für mich“, sagte Merkel. „Es war ein schlechter Tag für die Demokratie“, so die Bundeskanzlerin. Bei der Ministerpräsidenten-Wahl im Thüringer Landtag hatte die AfD-Fraktion am Mittwoch ihren eigenen Kandidaten im dritten Wahlgang fallengelassen und zusammen mit der CDU dem FDP-Kandidaten Kemmerich zur Mehrheit verholfen.

Der bisherige Amtsinhaber Bodo Ramelow (Linke) hatte keine eigene Mehrheit im Parlament und wollte eine Minderheitsregierung bilden.

Wadephul kritisiert Kemmerich-Wahl

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johann Wadephul (CDU), hat die Vorgänge rund um die Wahl des FDP-Landeschefs Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD kritisiert. „Man hat gemeinsam mit Herrn Höcke, mit dieser völkisch denkenden AfD politisch etwas gestaltet, und das hätte nie geschehen dürfen“, sagte Wadephul am Donnerstag dem Deutschlandfunk. Es müsse „sofort und unwiederbringlich rückgängig gemacht werden.“

Die CDU habe „klare Beschlüsse“ zum Umgang mit der AfD und an Beschlüsse müsse man sich halten, so der CDU-Politiker weiter. „Deswegen erwarten wir von den Parteifreunden in Thüringen, dass jetzt alle Schritte eingeleitet werden, dass das beendet wird“, so der Unionsfraktionsvize. In Thüringen müssten nun „zügige Entscheidungen“ getroffen werden, wie mit der Situation weiter umgegangen werde.

„Das geht über einen Rücktritt von Herrn Kemmerich. Wenn er dazu nicht bereit ist, muss man Neuwahlen herbeiführen“, sagte Wadephul dem Deutschlandfunk. Dies könne die CDU im thüringischen Landtag unterstützen.

„Es ist vollkommen klar – und an der Stelle gibt es eine null Toleranz der CDU Deutschlands: Wir werden mit dieser AfD niemals zusammenarbeiten“, so der CDU-Politiker.

Lindner reist zu Krisengespräch mit Thüringer FDP

Nachdem mehrere FDP-Landesverbände den Rücktritt des neuen thüringischen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) und Neuwahlen gefordert haben, will FDP-Chef Christian Lindner am Donnerstagvormittag vor Ort in Erfurt mit Kemmerich einen raschen Ausweg aus der Krise finden. Dazu gäbe es mehrere Szenarien, etwa das Stellen der Vertrauensfrage im Erfurter Landtag, um den Weg für Neuwahlen freizumachen, berichtet der „Tagesspiegel“ unter Berufung auf Parteikreise. Entscheidend dafür sei aber, dass die CDU-Fraktion im Erfurter Landtag mitmache, also dass Kemmerich die Vertrauensfrage verliert.

Bekommt Kemmerich dabei nicht die Mehrheit aller Mitglieder des Landtags, kommt es zu Neuwahlen, wenn das Parlament nicht binnen drei Wochen einen neuen Regierungschef wählt. Allerdings müsste die FDP, die nur mit 5,0 Prozent in den Thüringer Landtag eingezogen ist, bei Neuwahlen fürchten, den Wiedereinzug zu verpassen.

Kemmerich-Wahl: SPD-Chef fürchtet Auswirkungen auf Große Koalition

Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans hat vor Konsequenzen für die Große Koalition im Bund gewarnt, nachdem AfD, CDU und FDP gemeinsam Thomas Kemmerich (FDP) zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt haben. „Es gibt kein `Weiter so` und kein `Weiter` ohne eine Klärung des Problems“, sagte Walter-Borjans in der Sendung „Frühstart“ der RTL/n-tv-Redaktion. FDP und CDU seien gefordert, „das Problem aus der Welt zu schaffen“.

„Ich rede ungern darüber, was wir machen, wenn etwas nicht passiert, sondern ich rede darüber, was passieren muss“, so der SPD-Chef weiter. Für die Sozialdemokraten gelte, „dass ein solches Ergebnis, das so zustande gekommen ist, keinen Bestand haben darf.“ FDP und CDU dürften sich nicht „zum Steigbügelhalter für den Faschismus, für Rassismus, für Hetze gegen anders denkende Menschen missbrauchen lassen“, so der SPD-Politiker.

„Ich weiß es auch aus Gesprächen, dass sich die CDU dieses Problems bewusst ist, dass sie das lösen muss“, sagte Walter-Borjans. Er und die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken hätten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer telefoniert. Nun müsse eine Lösung im Rahmen der Thüringer Verfassung gesucht werden.

„Wir wollen Antidemokraten nicht damit begegnen, dass wir eine antidemokratische Form der Reaktion wählen“, so der SPD-Chef weiter. Er warnte zudem vor einem Schaden für das internationale Ansehen Deutschlands. „Ich glaube, dass Deutschland gerade in dieser Frage unter ganz besonderer Beobachtung steht und das, was da passiert ist, ist ein Signal, das wir so nicht stehen lassen können“, sagte Walter-Borjans in der Sendung „Frühstart“ der RTL/n-tv-Redaktion.

Bartsch verlangt Entlassung des Ostbeauftragten

Der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, hat die Abberufung des Ostbeauftragten der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), gefordert. „Christian Hirte muss sofort entlassen werden“, sagte Bartsch den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung sei eine „Beleidigung für die Ostdeutschen“.

„Ein Staatssekretär, der eine Zusammenarbeit mit der AfD begrüßt, ist untragbar“, so der Linken-Politiker weiter. Für die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Markus Söder sei dies „ein Lackmustest“. Wenn Hirte weiter im Regierungsamt „für Bündnisse mit Faschisten werben“ dürfe, beschädige er die „Autorität und Glaubwürdigkeit der Vorsitzenden von CDU und CSU“, sagte Bartsch den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“.

Hirte hatte nach der Wahl des neuen thüringischen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) bei Twitter geschrieben: „Herzlichen Glückwunsch, Thomas Kemmerich! Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer Rot-Rot-Grün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats Thüringen!“ Hirte stammt aus Thüringen.

Autor: dts