Berlin | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach dem sogenannten Impfgipfel das Ziel bekräftigt, bis zum Sommer jedem Bundesbürger ein „Impfangebot“ machen zu können. „Im Großen und Ganzen“ gehe sie davon aus, dass die nunmehr gemachten Lieferzusagen eingehalten würden, sagte Merkel nach dem fünfstündigen Treffen. „Wir haben gelernt, wie kompliziert die gesamten Lieferketten zusammenhängen“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).

Das Krisentreffen, an dem ab 14 Uhr neben der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten auch Vertreter der Impfstoffhersteller und der EU-Kommission teilnahmen, war als Reaktion auf den schleppenden Start der Corona-Impfungen in Deutschland initiiert worden. Im Vorfeld kritisierten die für die Impfungen zuständigen Bundesländer ausbleibende Impfstoff-Lieferungen. Bis Montagnachmittag wurden 1,9 Millionen Menschen in Deutschland mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft, entsprechend einer Impfquote von 2,3 Prozent.

Die Zahl der täglichen Erstimpfungen sank laut letzter Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) auf unter 50.000 am Tag, Mitte Januar waren schon mal durchschnittliche Werte von 90.000 pro Tag erreicht worden. bei dem Tempo hätten erst Ende nächsten Jahres rund Zweidrittel der Bevölkerung einen Impfschutz – oder die Infektion durchgemacht.

Staatsrechtler: Staatliche Impfstoff-Produktions-Steuerung möglich

Nach Einschätzung des Staatsrechtlers Joachim Wieland spricht aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts gegen eine staatliche Steuerung der Impfstoffproduktion. „Die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie lassen in der gegenwärtigen Notsituation die Etablierung einer staatlich gelenkten Not-Impfstoffwirtschaft zu und würden auch die Etablierung gemeinwirtschaftlicher Elemente in der Pharmaindustrie erlauben“, sagte Wieland dem „Handelsblatt“ (Dienstagausgabe). Angesichts der „groben“ Fehler bei der Beschaffung von Impfstoffen stelle sich verfassungspolitisch allerdings die Frage, „ob der Staat sich bei so weitreichenden Eingriffen nicht übernehmen würde“, fügte Wieland hinzu.

Für weniger problematisch hält es Wieland indes, wenn der Staat, wie Ökonomen vorgeschlagen hatten, Pharmaunternehmen mit Prämien dazu anreizen würde, die Impfstoffproduktion schneller als geplant hochzufahren. „Die Verfassung steht jedenfalls auch dem Einsatz finanzieller Anreize zur Steigerung der Impfstoffproduktion nicht entgegen“, sagte der Jurist.

Lindner nennt Ergebnisse des Impfgipfels „leider enttäuschend“

FDP-Chef Christian Lindner hat den Ausgang des Impfgipfels kritisiert. „Das Ergebnis des Impfgipfels ist leider enttäuschend“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Bislang ist es nicht gelungen, den Rückstand gegenüber anderen Ländern wegen der unzureichenden Bestellungen aufzuholen.“

Aus den langsamen Fortschritten beim Impfen dürfe sich nun aber kein Dauer-Lockdown bis zum Ende des Sommers ergeben. „Umso mehr ist es jetzt nötig, regional und mit innovativen Schutzkonzepten Öffnungen zu ermöglichen“, forderte Lindner. „Dort, wo die Lage vor Ort unter Kontrolle ist, wären pauschale Grundrechtseingriffe nicht verhältnismäßig.“

Biontech-Chef dementiert Probleme bei Impfstoffproduktion

Biontech-Chef Ugur Sahin hat Kommentare zurückgewiesen, wonach es Probleme bei der Impfstoffproduktion gebe. Der Eindruck, es holpere, sei „defacto nicht richtig“, sagte Sahin am Montag den ARD-Tagesthemen. Die Prozesse, die notwendig seien, um die Produktion hochzufahren, würden dauern.

„Was die Produktion angeht sind wir fast im Plan“, sagte Sahin weiter. Biontech habe vor zwei Wochen angekündigt, „temporär weniger zu liefern“, um die Produktionshallen zu erweitern und die Produktionsprozesse anzupassen. „Jetzt sind wir in der Lange, deutlich mehr zu produzieren, als wir Ende des letzten Jahres eingeplant hatten“.

Der Impfgipfel heute sei wichtig gewesen, erklärt Sahin, damit alle „die Kompliziertheit verstehen“. „Wir haben keine vollen Lagerstätten. Alles, was wir produzieren, wird sofort ausgeliefert“.

Auf die Frage, ob auch andere Firmen den Biontech-Impfstoff in Lizenz produzieren könnten, sagte Sahin, selbst große, erfahrene Unternehmen würden alleine für den Aufbau der Abfüllung „mehrere Monate“ brauchen. Laut letzten Plänen wird Biontech bis Ende dieser Woche 4,1 Millionen Corona-Impfdosen an Deutschland ausgeliefert haben, bis zum Ende des Quartals folgen wohl etwa acht Millionen weitere. Im zweiten Quartal könnten dann aber nach EU-Angaben schon mindestens 55 Millionen Impfdosen von Biontech an Deutschland gehen, weiteren Ankündigungen aus Brüssel und Berlin zufolge könnten es gar bis zu 85 Millionen Impfdosen sein.

Das Unternehmen wollte diese Zahlen am Montag auf Anfrage der dts Nachrichtenagentur nicht bestätigen.

Autor: dts