Berlin | Nach einem denkwürdigen Auftritt im „Heute-Journal“ und weiteren Äußerungen am Montag hat CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz seine harte Haltung am Dienstag noch einmal bekräftigt.

„Ich bleibe bei meiner Auffassung, die ich übrigens mit vielen Kreisvorsitzenden teile, die sich bei der CDU gemeldet haben, dass wir diesen Parteitag in diesem Jahr noch abhalten müssen“, schrieb Merz am Dienstagnachmittag auf Twitter. Es gebe keinen Grund, ihn in den Januar zu verschieben.

„Es kommt ein Problem hinzu: Am 7. Dezember endet das Mandat einer großen Zahl von CDU-Delegierten. 28 von 54 Kreisverbänden in NRW müssen dann neue Delegierte wählen“, schrieb Merz weiter. „Es bräuchte also eine Vielzahl von Veranstaltungen bis zum 16. Januar.“

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hatte die Kritik von Friedrich Merz am Morgen zurückgewiesen. „Wenn die Delegierten nicht neu gewählt werden können, aufgrund der Infektionslage, dann bleiben sie im Amt“, sagte Ziemiak dem Deutschlandfunk.

Parteienrechtlerin empfiehlt CDU Online-Parteitag mit Briefwahl

Die Düsseldorfer Parteienrechtlerin Sophie Schönberger hat die Verschiebung des CDU-Parteitags als rechtlich problematisch bezeichnet und einen Online-Parteitag mit Briefwahl als rechtlich sicherste Variante empfohlen. Durch die jüngste Änderung des Parteiengesetzes sei die Regelung, dass spätestens im zweiten Jahr gewählt werden muss, unberührt geblieben, sagte Schönberger dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Mittwochsausgaben). „Wenn man also nach dem Buchstaben des Gesetzes geht, kann die CDU den Parteitag nicht verschieben, ohne rechtswidrig zu handeln.“
Bleibe die CDU bei einer Verschiebung des Parteitags, könne es zu Klagen kommen: „Friedrich Merz – oder auch andere – könnte vor ein Zivilgericht gehen, um durchzusetzen, dass der Parteitag stattfinden muss.“ Die erst vor wenigen Wochen vom Bundestag verabschiedete Gesetzesänderung sei „handwerklich sehr schlecht gemacht“, sagte Schönberger. Ein Änderungsantrag der Grünen, der das Formulierungsproblem behoben hätte, sei von der Großen Koalition abgeschmettert worden.

Klarer geregelt seien dagegen mittlerweile die Voraussetzungen für einen Online-Parteitag, so die Parteienrechtlerin. „Ein Online-Parteitag mit Briefwahl ist das, was das Gesetz rechtlich zweifelsfrei vorsieht.“ Eine Briefwahl sei zwar aufgrund der vielen zu organisierenden Wahlgänge sehr aufwändig.

Allerdings sei es absehbar gewesen, „dass das Infektionsgeschehen zum Ende des Jahres nicht besser wird und ein Parteitag mit 1.001 Delegierten ein Problem werden könnte“, sagte Schönberger. „Die CDU hat sich sehenden Auges in diese Lage begeben.“ Negativ bewertete Schönberger die Möglichkeit, per Mitgliederentscheid eine Vorentscheidung über den Parteivorsitz zu treffen.

„Es ist parteienrechtlich nicht zulässig, per Mitgliederentscheid über den Parteivorsitz zu entscheiden. Das muss ein Parteitag tun“, sagte die Direktorin des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung der Universität Düsseldorf. Die SPD habe deswegen 2019 den Umweg genommen, den Mitgliederentscheid als Empfehlung für den Parteitag zu betrachten. „Es ist aber problematisch, auf diese Weise dem Parteitag seine Entscheidungsbefugnis wegzunehmen. Wenn man das anders haben will, müsste man das Gesetz ändern.“ Eine kommissarische Fortführung des Parteivorsitzes durch die Amtsinhaberin Annegret Kramp-Karrenbauer beschneide nicht deren Handlungsfähigkeit. „Dass eine Parteivorsitzende kommissarisch im Amt bleiben kann, ist geregelt. Die Amtszeit verlängert sich einfach.“ Die Person habe alle Befugnisse, die sie vorher auch hatte. „Das gilt auch für die ebenfalls betroffenen Gremien oder für Parteitagsdelegierte“, sagte Schönberger.

Bär kritisiert Merz

Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) bewertet die von CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz erhobenen Anschuldigungen gegen das Partei-„Establishment“ als „mehr als steile These“. Grundsätzlich glaube sie, dass es richtig sei, gerade in Zeiten der Pandemie zu sagen: „Was können wir den Bürgern vermitteln, und sind Veranstaltungen mit 1.000 Menschen an einem Ort auch wirklich ein positives Signal“, sagte Bär der „Welt“ (Mittwochausgabe) angesichts der Verschiebung des CDU-Parteitags. „Ich glaube, dass ein guter Kandidat auch im nächsten Frühjahr noch ein guter Kandidat sein wird.“

Mit Blick auf den Vorwurf von Merz, das CDU-„Establishment“ wolle ihn als Parteichef verhindern und verlege deshalb unter Corona-Vorwand den CDU-Parteitag, sagte Bär: „Ich weiß nicht, ob man bei anderen die Schuld suchen muss oder ob man einfach schauen muss, was ist aufgrund der aktuellen Gegebenheiten auch tatsächlich das Gebot der Stunde. Aber ich glaube, in so einer Ausnahmesituation, wie wir sie jetzt im Jahr 2020 haben, zu behaupten, dass das mit der Pandemie nichts zu tun hat, ist auf jeden Fall eine mehr als steile These.“

„Werte-Union“ will gegen Parteitagsverschiebung klagen

Die sogenannte „Werte-Union“ prüft eine Klage gegen die Verschiebung des CDU-Parteitags. Damit solle eine Vertagung des ursprünglich für 4. Dezember geplanten Wahl-Parteitages verhindert werden, hieß es in einer Erklärung am Dienstag. Gleichzeitig rief die Gruppierung in einem „offenen Brief“ die Parteimitglieder zum Widerspruch gegen die Entscheidung des Parteivorstands auf.

Mögliche Lösungen seien eine virtuelle CDU-Bundeskonferenz oder eine Wahl des Vorsitzenden durch einen Mitgliederentscheid, hieß es. Die „Werte-Union“ sieht sich als „konservative Basisbewegung“ und hat nach eigenen Angaben „deutlich über 4.000 Mitglieder“. Zu den prominenten Mitgliedern zählen u.a. der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sowie der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt.

Roland Koch gegen Verschiebung des CDU-Parteitags

Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat die Entscheidung des CDU-Vorstands kritisiert, den für Anfang Dezember in Stuttgart geplanten Bundesparteitag und die Wahl eines neuen Vorsitzenden zu verschieben. In einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Mittwochsausgabe) greift Koch insbesondere den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet wegen dessen Äußerung an, angesichts der steigenden Zahl von Corona-Infektionen sei der Bevölkerung ein Parteitag „nicht vermittelbar“. Dazu schreibt Koch: „Wenn Politiker mit dem Wort `vermittelbar` meinen, dass Stimmungen – auch Krisenstimmungen – eine Legitimation seien, solche existenziellen Prozesse der Organisation der freiheitlichen Selbstbestimmung zu unterbinden, dann ist das gefährlich.“
Parteitage seien keine Familienfeiern oder Weihnachtsmärkte: „Parlamente dürfen nicht aufhören zu tagen, Wahlen dürfen nicht ausfallen und Parteien müssen funktionsfähig bleiben.“ Das gelte nicht nur für Bundesparteitage, sondern für Parteiversammlungen auf allen Ebenen, etwa für die bevorstehende Nominierung von Bundestagskandidaten. Die Entscheidung der CDU sei „eine falsche Botschaft an alle diejenigen, die die Durchführung dieser vielen Veranstaltungen vor Ort verantworten müssen“.

Der Stuttgarter Parteitag sei „perfekt nach allen Sicherheitsregeln“ geplant gewesen, schreibt Koch. Zudem habe es Alternativen zu der Großveranstaltung gegeben: „Digitale Vorstellung und Debatte und daran anschließend die Briefwahl des Vorsitzenden, das würde in wenigen Tagen Klarheit schaffen.“

Autor: dts