Berlin | Friedrich Merz (CDU) wirft der CDU-Führung vor, die Corona-Pandemie lediglich als Vorwand zu nutzen, um seine Wahl zum neuen CDU-Vorsitzenden zu verhindern. „Ich habe ganz klare, eindeutige Hinweise darauf, dass Armin Laschet die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr Zeit, um seine Performance zu verbessern. Ich führe ja auch deutlich in allen Umfragen. Wenn es anders wäre, hätte es in diesem Jahr sicher noch eine Wahl gegeben“, sagte Merz der „Welt“. Die am Montag vom Parteivorstand beschlossene Absage des Wahlparteitages am 4. Dezember sei „der letzte Teil der Aktion `Merz verhindern` in der CDU“. „Und das läuft mit der vollen Breitseite des Establishments in Berlin“, so Merz.

Auf die Nachfrage, ob er mit „Establishment“ das Kanzleramt meine, antwortet Merz: „Es gibt einen gewaltigen Druck, und große Teile der Parteiführung entziehen sich dem leider nicht. Ich war von Anfang an davon ausgegangen, dass der Kampf um die Neuausrichtung der CDU ein harter Machtkampf wird. In die letzte Phase dieses Machtkampfes sind wir jetzt eingetreten.“

Für den weiteren innerparteilichen Wahlkampf befürchtet Merz weitere Tricks. „Es ist doch kein Zufall, dass immer wieder Gerüchte über einen neuen, vierten Kandidaten gestreut werden. Alle drei Kandidaten sollen zerschlissen und ermüdet werden, um dann möglicherweise in letzter Sekunde einen Überraschungskandidaten zu präsentieren. Das wird ja auch systematisch so vorbereitet“, sagte er. Die amtierende Parteiführung mit der Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und dem Generalsekretär Paul Ziemiak fordert Merz auf, „keine substanziellen Sach- oder Personalentscheidungen mehr zu treffen“.

Ab dem 1. Januar 2021 habe die Partei „keine uneingeschränkt legitimierte Führung“ mehr. Merz sieht eine bedrohliche Situation für die Partei: „Die CDU ist seit Sonntag in wirklich großer Gefahr, aber ohne jedes Zutun von mir.“ Dennoch will Merz weiter für seine Wahl als Vorsitzender kämpfen. „Ich habe eine Nachricht an alle meine Freunde und weniger guten Freunde in und außerhalb der Partei: Ich halte durch! Ihr zermürbt mich nicht.“ Nach wie vor sieht er sich als Favoriten im innerparteilichen Wettbewerb. „In den Umfragen habe ich mehr Zustimmung als meine beiden Konkurrenten zusammen. Die Parteibasis will eine Entscheidung. Sie will sie jetzt. Und sie will mehrheitlich meine Person“, sagte Merz.

Amthor: Mitgliederbefragung kann CDU-Führungsfrage lösen

Nach der Entscheidung des CDU-Vorstands, den geplanten Parteitag am 4. Dezember zu verschieben, bringt CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor eine Möglichkeit ins Spiel, schneller über die Spitzenpositionen in der CDU zu entscheiden. So hält er eine Mitgliederbefragung für sinnvoll. „Von der Parteibasis haben mich heute auch durchaus zahlreiche kritische Stimmen zur Verschiebung des Parteitages erreicht“, sagte er dem Wirtschaftsmagazin „Business Insider“.

„Viele Mitglieder erwarten aus nachvollziehbaren Gründen eine zeitnahe Entscheidung der Führungsfrage.“ Amthor weiter: „Als der CDU-Bundesparteitag im November 2019 den Urwahl-Antrag der Jungen Union abgelehnt hat, konnte noch niemand mit den Entwicklungen der Corona-Pandemie rechnen“, sagte Amthor weiter. „Ich akzeptiere das demokratische Ergebnis aus dem vergangenen Jahr, sehe aber auch, dass die Lösung der Führungsfrage in der aktuellen Lage mit einer Mitgliederbefragung vereinfacht werden könnte.

Dies könnte durch einen satzungsgemäßen Antrag mehrerer Landesverbände auf den Weg gebracht werden und würde dann Sinn ergeben, wenn sich die Bewerber um den Parteivorsitz auf ein Akzeptieren des Ergebnisses einigen würden. Letztlich liegt es deshalb auch in der Hand der Kandidaten, inwieweit ihnen die Parteibasis am Herzen liegt.“

Kretschmer: Land hat „andere Sorgen“ als CDU-Vorstandswahl

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält angesichts der Coronakrise eine Entscheidung über den neuen Parteivorsitzenden der Christdemokraten nicht für dringend. Deutschland habe angesichts der Coronakrise „andere Sorgen als die Neuwahl eines CDU-Vorsitzenden“, sagte Kretschmer der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe). Eine Entscheidung über den neuen Parteivorsitzenden der CDU sei auch erst nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Mitte März möglich.
Man stehe vor „sehr schwierigen Entscheidungen in Deutschland“, so der CDU-Politiker. „Wir haben es nicht geschafft, die Corona-Lage zu beruhigen.“ Alle Personalreserven würden nun in die Gesundheitsämter gesteckt.

Das sei momentan die Baustelle in Deutschland und nicht, ob die CDU einen neuen Vorsitzenden wählt. Das könne man auch nach Ostern machen, wenn sich die Wetterlage wieder verbessere. Das Coronavirus sei in der „kälteren Jahreszeit sehr viel gefährlicher“, das zeige der deutliche Anstieg der Corona-Neuinfektionen: „Wir haben allein vom September auf den Oktober eine dramatische Veränderung erlebt, und das Einzige, was anders ist, ist das Wetter.“

Die Entscheidung von Präsidium und Vorstand der CDU, den für Dezember geplanten Parteitag abzusagen, sei eine „Güterabwägung“, so Kretschmer. Eine kurzfristige Absage des Parteitags sei nicht mehr ohne hohe Stornokosten möglich. Und an einem digitalen Parteitag habe seiner Einschätzung nach „niemand“ ein Interesse. „Das entspricht auch nicht unserer Tradition“, sagte Kretschmer.

Brinkhaus verteidigt Verschiebung von CDU-Parteitag

Der Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag Ralph Brinkhaus hat die Verschiebung des CDU-Parteitags ins kommende Jahr verteidigt. „In der Abwägung von Vor- und Nachteilen geht die Gesundheit einfach vor“, sagte Brinkhaus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstagsausgabe). Friedrich Merz, einer der Bewerber um den Parteivorsitz, hatte die Entscheidung scharf kritisiert und als Schritt des „Parteiestablishments“ gegen seine Wahl gewertet.
Auf die Frage, ob die nochmalige Verschiebung des Parteitags zu einer Spaltung der Partei führen könnte, sagte Brinkhaus: „Ich glaube, wir sind in einer Situation, wo es nicht um A gegen B geht, sondern darum, wie weit wir es uns in der CDU leisten können, die Führungsfrage noch weiter offen lassen zu können.“ Angesichts der sich verschärfenden Pandemie-Lage sei man zum Urteil gekommen, „dass es – Stand heute – nahezu unmöglich sein wird, am 4. Dezember in Stuttgart einen ordentlichen Parteitag abzuhalten.“ Auch das in der niedersächsischen CDU praktizierte Modell der dezentralen Delegiertentreffen lehnte Brinkhaus für die Bundespartei ab.

„Das ist mit dem Risiko verbunden, dass dann, wenn an einem dieser kleineren Orte etwas schief geht, gleich der ganze Parteitag zerstört wird“, so der Unionsfraktionsvorsitzende. „Aber ich glaube, wir werden im Winter einen besseren Überblick über den Pandemie-Verlauf gewinnen und dann auch entscheiden können, wie und wann die CDU-Führung gewählt wird. Das ist ja vor allem in der CDU-Binnensicht von Interesse. Viele Menschen interessieren sich momentan aber eher für die Corona-Lage und die Konsequenzen daraus, die sie betreffen.“ Auf die Frage, wann es für die Bundestagswahl 2021 einen Spitzenkandidaten brauche, verwies Brinkhaus auf „eine sehr erfolgreiche Kanzlerkandidatur, die erst im März des Wahljahres feststand“, jene von Gerhard Schröder 1998. „Wenn alle, die sich berufen fühlen, ruhig und entspannt mit der Situation umgehen, auch verantwortungsvoll, dann ist das eine Sache, die wir sehr gut auch im Frühjahr entscheiden können. Es hängt von uns selbst ab, ob da nun ein größerer Druck entsteht, oder nicht.“

Im Hinblick auf die Beteiligung des Bundestags in der Pandemiebekämpfung sagte Brinkhaus: „Wir sind jetzt vorsichtig geworden bei der Verlängerung befristeter Verordnungsermächtigungen. Die Bundesregierung möchte das haben, um weiter pandemiebedingte Maßnahmen treffen zu können.“ In jedem Fall entscheide das Parlament, „aus solchen Instrumenten darf kein Dauerzustand werden“. Brinkhaus geht nicht davon aus, dass der Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums über Verordnungsermächtigungen ohne Befristung problemlos vom Kabinett beschlossen werde. „Sonst würde es auch schwierig für den Entwurf im Bundestag.“

Autor: dts