Halle (Saale) | Nach dem Anschlag von Halle (Saale) hat die jüdische Autorin und Grünen-Politikerin Marina Weisband politischen Amtsträgern in Deutschland „unfassbare Ignoranz“ vorgeworfen.

Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte sie, „natürlich konnte man mit einer solchen Tat rechnen. Sie bahnte sich an. Wir haben immer wieder davor gewarnt“. Unter anderem hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von einer bisher „undenkbaren“ Tat gesprochen. Weisband hielt dagegen: „Da braute sich eine Wolke zusammen. Dass sie sich entlädt, war nicht überraschend.“ Die ehemalige Piraten-Politikerin warnte vor einer Verdrängung der Realität: „Wer Halle jetzt anders darstellt, redet den deutschen Antisemitismus klein.“ Weisband rief dazu auf, Warnungen betroffener Gruppen ernster zu nehmen.

„Anhand des aktuellen Falles gilt das für Juden, allgemein aber auch für Muslime, die ebenfalls seit Jahren sagen, dass sie sich hier nicht mehr sicher fühlen“, sagte die Psychologin. „Was den Täter von einem Massaker abgehalten hat, war eine Tür, nicht mehr.“ Weisband forderte eine stärkere Kontrolle digitaler Netze.

Dafür müsse speziell die Polizei besser ausgebildet sein. „Wer Prävention betreibt, muss wissen, was ein Meme ist, also ein geteilter Witz auf Bildbasis, den nur Einweihte verstehen, und Twitch, also die Streamingplattform, die der Attentäter verwendet hat.“ Zudem gebe es einen Dreiklang zwischen Rassismus, Antisemitismus und Antifeminismus. „Deshalb kann man sich auch als AfD nicht als Beschützer der Juden aufspielen, denn sie bedient selbst Hass. Das muss langsam Konsequenzen haben, auch in den Medien, wo die AfD sich immer wieder präsentieren darf.“

Weisband erklärte: „Wir haben es mit einer rechtsextremen globalen Bewegung zu tun, die digital stark vernetzt ist und Konventionen und Sprache teilt. Es ist schon auf normalen Plattformen völlig gang und gäbe, sich antisemitisch, rassistisch und antifeministisch zu äußern. Der Attentäter von Halle ist kein Einzeltäter. Er ist Teil einer neuen Art von Terrornetzwerk. Diesem wollte er zeigen: ,Seht her, ich mache das, worüber andere nur reden.`“ Unzulässig wäre aber, seine Form der Inszenierung in Verbindung zu bringen mit anderen Formen der digitalen Selbstdarstellung. „Das hieße ja, Leute, die Dinge aus ihrem Leben bei Instagram oder Facebook posten, mit einem Mörder in Bezug zu setzen.“

Autor: dts