Berlin | aktualisiert | Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, das öffentliche Leben über Ostern stark herunterzufahren. Der 1. und 3. April sollen „zusätzlich einmalig als Ruhetage definiert werden und mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen sowie einem Ansammlungsverbot vom 1. bis 5. April“ belegt werden, heißt es im Beschluss. Die Einigung kam erst nach elf Stunden Verhandlungen und nach 2 Uhr in der Nacht zustande. Die Reaktionen: Kanzleramtsminister Braun verteidigte die Maßnahmen und die Vertreter der Kommunen begrüßten den verschärften Oster-Lockdown. Kritische Stimmen kommen aus der Wirtschaft.

Mit der „Erweiterten Ruhezeit zu Ostern“ gelte damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip „WirBleibenZuHause“, so das Beschlusspapier. Private Zusammenkünfte sind in dieser Zeit im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit einem weiteren Haushalt möglich, jedoch auf maximal fünf Personen beschränkt, Ansammlungen im öffentlichen Raum sollen „grundsätzlich untersagt“ werden. Ausschließlich der Lebensmitteleinzelhandel darf am Ostersamstag öffnen.

„Selbstverständlich werden Tankstellen offen haben“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Nacht betreffend des geplanten fünftägigen „Osterlockdowns“. Es würden die Regeln gelten wie an Feiertagen. Anstatt Erleichterungen zu Ostern gab es damit eine Verschärfung, anstatt härterer allgemeiner Regeln bleibt im Grunde alles beim alten.

Die schon beschlossenen Lockdown-Regeln sollen bis zum 18. April verlängert werden, sie sehen ab bestimmten Inzidenzwerten härtere Maßnahmen vor. Weiter beschlossen Bund und Länder, dass in Schulen und Kitas „flächendeckende Tests“ eingeführt werden, von einem Schließen war aber, anders als in einem früheren Beschlussentwurf, nicht mehr die Rede. Beim Thema Reisen soll „eine generelle Testpflicht vor Abflug zur Einreisevoraussetzung bei Flügen nach Deutschland“ werden, so ein weiterer Beschluss von Bund und Ländern.

Sogenannte „Protokollnotizen“, um die es bei den Verhandlungen wohl stundenlangen Streit gegeben hatte, waren im in der Nacht veröffentlichten Beschluss nicht zu finden. So hatten sich beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein für sogenannten „kontaktlosen Urlaub“ ausgesprochen, etwa in der Ferienwohnung oder im Wohnmobil. Davon war im Beschluss nun keine Rede, was aber nicht heißt, dass die Länder nicht doch noch eigene Regeln dafür entwerfen. „Das Team Vorsicht hat sich durchgesetzt“, sagte der Bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder in der Nacht. Am 12. April wollen Bund und Länder erneut beraten.

Kanzleramtschef verteidigt Oster-Maßnahmen

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) hat den Beschluss von Bund und Ländern zu schärferen Corona-Beschränkungen über Ostern verteidigt. Es sei besser, die privaten Kontakte für diese überschaubare Zeit von fünf Tagen deutlich zu reduzieren, sagte Braun in der Sendung „Frühstart“ von RTL und n-tv. „Das kann einen Beitrag leisten, dass das Infektionsgeschehen dann auch wirklich sinkt. Das ist besser erträglich als Maßnahmen, die die nächsten drei oder vier Wochen zusätzliche Beschränkungen bedeuten.“

Braun hält es außerdem für richtig, dass die Ministerpräsidentenkonferenz keine neuen Lockerungen beschlossen hat. „Die britische Mutante hat auch in Deutschland die Führerschaft übernommen und sorgt jetzt für eine sehr ernst zu nehmende dritte Welle. Das macht leider wieder Beschränkungen erforderlich.“ Der Kanzleramtschef nannte die Diskussion zwischen Ministerpräsidenten und Kanzleramt „sachlich, aber auch sehr, sehr intensiv“.

Kommunen begrüßen verschärften Lockdown über Ostern

Die Kommunen haben die Beschlüsse für einen verschärften Lockdown über Ostern begrüßt. „Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hält es für den richtigen Ansatz, dass sich Bund und Länder nicht ausschließlich darauf beschränkt haben, die Lockdown-Regelungen fortzuschreiben oder zu verschärfen“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der „Rheinischen Post“. Der beschlossene verschärfte Lockdown an Ostern könne die Welle brechen und sei ein wichtiges Signal an die Bevölkerung, „wie ernst die Lage ist“.

Deutschland stehe am Beginn der dritten Welle, die Infektionszahlen stiegen seit einigen Tagen wieder deutlich an. „Für flächendeckende Öffnungen gibt es leider keinen Spielraum“, so Landsberg. Es sei dringend notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Entwicklung zu bremsen.

Bei der Bevölkerung sei „eine gewisse Erschöpfung“ zu spüren, immer wieder Einschränkungen hinzunehmen und die eigenen Kontakte zu reduzieren. Dies müsse berücksichtigt werden, denn die Akzeptanz der Menschen und die Einhaltung der AHA-Regeln sind entscheidend für den Erfolg der Pandemiebekämpfung. „Deshalb war es richtig, jetzt nicht einen flächendeckenden harten Lockdown zu beschließen, den viele wahrscheinlich eher weniger akzeptiert hätten. Ein an die regionale Entwicklung angepasstes Konzept hat größere Aussichten, auf die Akzeptanz der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung zu treffen“, sagte Landsberg.

Die Verständigung auf zeitlich befristete Modellprojekte, in denen Länder und Regionen für Bereiche des öffentlichen Lebens erproben können, sei daher ein wichtiges Hoffnungssignal. Kritik übte Landsberg an der Schnellteststrategie „Hier ist Deutschland leider zu spät gestartet. Wir brauchen ganz schnell mehrmals pro Woche Testmöglichkeiten für alle. Die vorgesehene Regelung, einen Schnelltest pro Woche zu ermöglichen, reicht hier noch nicht aus. Nur mit einer großen Zahl von Schnell- und Eigentests lassen sich Infektionsketten entdecken und unterbrechen. Dies gilt insbesondere für Schulen, Kitas und die Arbeitsstätten, wo wir wirksame und engmaschige Testungen sicherstellen müssen“, sagte Landsberg weiter.

Weitere Reaktionen

Mallorca-Streit empört Immobilienbranche

Nach dem Corona-Gipfel hat die Immobilienbranche mit Unverständnis auf den Streit zu den Reiserückkehrern reagiert. „Wie kann man stundenlang über Mallorca reden, wenn im Handel und in der Hotel-Branche täglich Existenzen zerstört werden“, sagte Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er warf den Spitzenvertretern von Bund und Ländern eine falsche Prioritätensetzung vor: „Statt alternative Strategien zu erörtern, wie sie in vielen Staaten der Welt erfolgreich gefahren werden, wurde über den Nebenkriegsschauplatz Mallorca heftig gestritten“, sagte Mattner.

Für etwas Hoffnung sorgt beim ZIA, der viele Vermieter von Hotel- und Gewerbeflächen vertritt, die Aussicht auf weitere Hilfen. „Letztlich werden in wenigen Sätzen am Ende des Beschlusses vage zusätzliche Hilfsprogramme erwähnt. Diese müssen nun zügig konkret ausgestaltet und unbürokratisch ausgezahlt werden“, forderte Mattner.

Autohändler kritisieren Lockdown-Verlängerung

Vor dem Autogipfel am Dienstagabend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben Deutschlands Autohändler die Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns kritisiert. „Wir können und dürfen nicht warten, bis die Pleitewelle rollt“, sagte Jürgen Karpinski, Präsident des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Die Politik muss Handlungswege aufzeigen und darf unser Land nicht länger stilllegen.“

Viele Existenzen im mittelständischen Kraftfahrzeuggewerbe stünden auf dem Spiel. Die Geduld und das Verständnis seien aufgebraucht, machte Karpinski deutlich. Mit ihren großen Verkaufsräumen, der geringen Kundenfrequenz und Schutzauflagen seien Autohäuser laut Robert-Koch-Institut fast so sicher wie Aufenthalte im Freien, sagte der ZDK-Präsident.

„Wenn die Autohäuser also praktisch nichts zum Infektionsgeschehen beitragen, wie soll ihre Schließung dann bei der Eindämmung des Virus helfen? Und mit welcher Rechtfertigung soll den Unternehmen ein derartiges Opfer aufgezwungen werden“, fragte Karpinski.

Autor: dts
Foto: Symbolbild