München/Düsseldorf | In der Plagiatsaffäre um Bundesbildungsministerin Annette Schavan soll ein 35 Jahre altes Heft der Universität Düsseldorf belegen, dass die CDU-Politikerin in ihrer Doktorarbeit gegen gängige Regeln verstoßen hat. In einer Anleitung für Pädagogik-Studenten heiße es, dass „alle wörtlichen und sinngemäßen Entlehnungen aus fremden Texten kenntlich zu machen“ seien, berichtete die „Süddeutschen Zeitung“ in ihrer Samstagausgabe. Genau gegen diesen Grundsatz habe Schavan verstoßen, da sie in ihrer 1980 verfassten Doktorarbeit „Person und Gewissen“ ganze Sätze fremder Autoren übernommen habe.

Das 32 Seiten umfassende Heft „Hinweise zur Anfertigung von Seminararbeiten“ soll dokumentieren, wie Ende der 1970er Jahre an Schavans Institut für Erziehungswissenschaften die Zitierreglen waren. Am Anfang des Kapitels „Zitierpflicht“ steht geschrieben: „Geistiger Diebstahl ist kein Kavaliersdelikt.“ Vielmehr handele es sich um einen Verstoß gegen die Prinzipien des wissenschaftlichen Arbeitens und habe schon manchen Wissenschaftler „um Ehre und Karriere“ gebracht. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat Auszüge des Heftes auf ihrer Internetseite veröffentlicht.

Bei der Frage, wie sinngemäße Zitate wiedergegeben werden müssen, gibt die Anleitung einen klaren Kurs vor: „Wenn man längere Ausführungen eines Autors zusammenfassend wiedergeben will, kommt an Stelle eines wörtlichen nur ein sinngemäßes Zitat, das man in eigene Worte fassen muss, in Frage. Jedes sinngemäße Zitat muss genauso wie ein wörtliches Zitat mit einer genauen Quellenangabe versehen werden.“ Schavan wird allerdings vorgeworfen, vollständige Sätze von anderen Autoren in ihre Doktorarbeit übernommen zu haben, ohne diese kenntlich zu machen.

Entscheidung am Dienstag möglich

Seit Monaten steht die Bundesministerin unter dem Verdacht, in ihrer 1980 verfassten Dissertation Textpassagen unsauber übernommen und Quellen nicht klar gekennzeichnet zu haben. Vor rund zwei Wochen hat die Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität ein offizielles Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels eingeleitet. Am kommenden Dienstag tagt der zuständige Fakultätsrat der philosophischen Fakultät erneut. Kommt das Gremium dann schon zu dem Entschluss, dass Schavan plagiiert hat, könnte der CDU-Politikerin der Titel entzogen werden.

Die Minister selbst bestreitet die Vorwürfe und sagt immer wieder, dass sie nach „bestem Wissen und Gewissen“ gearbeitet habe. Vor einigen Tagen räumte sie allerdings erstmals mögliche Fehler ein. Sie könne nicht in Anspruch nehmen, keine Flüchtigkeitsfehler gemacht zu haben. „Aber ich kann in Anspruch nehmen, nicht plagiiert oder gar getäuscht zu haben“, sagte Schavan dem „Zeit-Magazin“. Sie fügte hinzu: „Flüchtigkeitsfehler sind mir nicht peinlich.“

Laut einer aktuellen Umfrage spricht sich eine große Mehrheit der Deutschen dagegen aus, dass die Bundesbildungsministerin eine Sonderbehandlung erhält. In der repräsentativen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov sind 80 Prozent der Meinung, dass die Uni Düsseldorf keinen Unterschied zwischen Schavan und anderen Fällen machen soll. Elf Prozent meinen, dass für die Bundesministerin besonders hohe Maßstäbe gelten sollten. Nur fünf Prozent sind der Auffassung, dass der Fall Schavan weniger streng geprüft werden sollte.

Autor: Christian Wolf, dapd | Foto: Deutscher Bundestag/Thomas Trutschel photothek.net