Düsseldorf | Die Verhandlungen über eine Neuauflage der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen sind auf der Zielgeraden. Bevor am Dienstag ein unterschriftsreifer Koalitionsvertrag vorgestellt werden soll, feilen SPD und Grüne noch an Kompromissen. Bis in die späten Abendstunden sollen am Montag die letzten Unstimmigkeiten ausgeräumt werden. Läuft alles nach Plan, wird Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in der kommenden Woche wiedergewählt.

Es ist die vierte Runde, zu der die Spitzenpolitiker von SPD und Grünen am Montag in Düsseldorf zusammengekommen sind. Drei Wochen lang wurde in großen und kleinen Runden über die Eckpunkte der künftigen Koalition beraten, zehn Arbeitsgruppen tagten zu den verschiedensten Themen. Deren Ergebnisse sollten am Montag den beiden Verhandlungsführerinnen, SPD-Landeschefin Kraft auf der einen, und Schulministerin Sylvia Löhrmann auf der anderen Seite, sowie der großen Koalitionsrunde vorgestellt werden.

Ans Eingemachte geht es dann am Abend. Im kleinen vertraulichen Kreis – den sogenannten Beichtstuhlgesprächen – sollen die übrig gebliebenen Unstimmigkeiten ausgeräumt werden. Die Fachexperten der Arbeitsgruppen müssen dort einem achtköpfigen Gremium Rede und Antwort stehen. Es wird so lange getagt, bis ein Kompromiss gefunden ist. Am Dienstagmorgen tagt dann zum vorerst letzten Mal die Koalitionsrunde, um den fertigen Vertrag abzunicken.

Vor Beginn der finalen Gespräche bemühten sich beide Seiten um Zurückhaltung. Wo genau die strittigen Themen sind, wurde nicht preisgegeben. „Es gibt noch Punkte, die zusammengebunden werden müssen“, sagte Löhrmann. In manchen Bereichen gebe es aber auch schon fertige Ergebnisse. Dennoch würden die Verhandlungen bis Mitternacht oder sogar morgen früh dauern. „Wir werden jetzt noch die restlichen Themenpakete miteinander durchsprechen und dann denke ich, liegen wir gut im Zeitplan“, ergänzte Kraft.

SPD macht bei Energiefrage Druck

Ein Knackpunkt in den Verhandlungen scheint weiterhin das Thema Energie zu sein. Am Wochenende preschte SPD-Fraktionschef Norbert Römer noch einmal vor und forderte in einem Interview: „Wir brauchen neue Gas- und Kohlekraftwerke.“ Sie seien notwendig, um Energieengpässe zu überbrücken. Dass es die Sozialdemokraten mit ihrer Forderung ernst meinen, machte Römer mit einem Verweis auf das Abschneiden der SPD bei der Landtagswahl vor einem Monat deutlich. „Das gute Wahlergebnis von 39,1 Prozent ist auch der Lohn für eine vernünftige Industrie- und Energiepolitik der SPD“, sagte der Fraktionschef.

Bei den Grünen, die gegen neue Kohlekraftwerke sind, stießen Römers Äußerungen auf wenig Gegenliebe. „Ob die SPD meint, der Klimawandel sei gestoppt, weil sie bei der Wahl in NRW zugelegt hat?“, schrieb der Landesvorsitzende Sven Lehmann über den Kurznachrichtendienst Twitter. Geklärt werden muss darüber hinaus auch die Frage, an welchen Stellen Rot-Grün sparen will.

Einigkeit herrscht stattdessen offenbar beim künftigen Zuschnitt der Ministerien. Nach übereinstimmenden Medienberichten soll das „Mammutministerium“ für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr aufgesplittet werden. Beide Häuser sollen der SPD zufallen. Damit könnten sich die prozentualen Zugewinne der Sozialdemokraten bei der Wahl auch machtpolitisch niederschlagen.

Steht der Koalitionsvertrag am Dienstag, muss zunächst noch die Basis beider Parteien zu Wort kommen. Auf Parteitagen am Freitag soll das Vertragswerk von den Delegierten abgesegnet werden. Die offizielle Vertragsunterzeichnung ist für Montag geplant. Krafts Wiederwahl im Landtag steht dann zwei Tage später nichts mehr im Wege.

Autor: Christian Wolf, dapd | Foto: Tim Schulz, dapd
Foto: Die Landesvorsitzende der SPD Nordrhein Westfalen, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen SPD, Michael Groschek (l.), und der Vorsitzende SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Norbert Roemer, verlassen am Montag (11.06.12) die Geschäftsstelle der NRW-SPD in Duesseldorf auf dem Weg zur vierten Runde der Koalitionsverhandlungen mit den Grünen.