Berlin/Düsseldorf | Bildungsministerin Annette Schavan kämpft um ihren Ruf und ihre Karriere: Die CDU-Politikerin hat am Mittwoch erneut Vorwürfe zurückgewiesen, sie habe in ihrer 1980 verfassten Doktorarbeit abgeschrieben oder Quellen nicht korrekt zitiert. Rückendeckung in der Plagiatsaffäre bekam sie von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese hat weiter „volles Vertrauen“ in Schavans Arbeit als Ministerin, wie Merkels Sprecher Steffen Seibert betonte. Am Vorabend hatte der Rat der Philosophischen Fakultät an der Universität Düsseldorf ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet. Am Ende könnte die Aberkennung des Doktortitels stehen. [Bericht von der Entscheidung und das Originalstatement der Universität Düsseldorf]

Aus Sicht der Grünen und der SPD muss Schavan zurücktreten, wenn die Universität ihr den Doktorgrad aberkennt. Schavan erklärte aber: „Ich bin davon überzeugt, dass die unbegründeten Plagiatsvorwürfe ausgeräumt werden.“ Sie gehe zudem davon aus, dass jetzt auch externe Fachgutachten eingeholt werden. Die Dissertation trägt den Titel „Person und Gewissen“. Den Stein ins Rollen gebracht hatte im Mai 2012 ein anonymer Blogger.

Merkels Sprecher betonte, bis zur abschließenden Entscheidung gelte Schavan selbstverständlich als unschuldig. Die Regierungschefin befürchte auch nicht, dass Schavan nun in ihrer Arbeit befangen oder eingeschränkt sein könnte. Die 57-jährige Schavan, die lange Jahre stellvertretende CDU-Chefin war, gilt als eine der wenigen engen Vertrauten Merkels.

Der Rat der Philosophischen Fakultät hatte die Entscheidung mit 14 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung getroffen. Dekan Bruno Bleckmann stellte klar, dass am Ende nicht automatisch der Verlust des Doktortitels steht, sondern das Verfahren ergebnisoffen ist. In den nächsten Wochen würden sich alle Mitglieder des Fakultätsrates „intensiv“ mit den Unterlagen sowie Schavans Stellungnahme befassen. Für den 5. Februar wurde eine weitere Sitzung einberufen.

Ungeachtet der Plagiatsaffäre will Schavan erneut in den Bundestag. Am Freitag wählt der CDU-Kreisverband Alb-Donau/Ulm seinen Kandidaten für die Bundestagswahl, dort tritt Schavan erneut an. Der Kreisverband steht nach eigenen Worten hinter ihr. Schavan würde zudem nach 2013 auch gern Bildungsministerin bleiben, wie ihr Sprecher bestätigte. An Rücktritt habe sie bis jetzt zu keiner Zeit gedacht.

„Es gilt die Unschuldsvermutung“

Grünen-Chefin Claudia Roth sagte der „Welt“: „Wenn Annette Schavan der Doktortitel aberkannt werden würde, wäre ihr Verbleib im Amt ein Bärendienst an der Wissenschaft.“ Bereits das nun eingeleitete Verfahren belaste Schavans Glaubwürdigkeit und schade dem Ansehen des Wissenschaftsstandortes.

Der bildungspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Ernst Dieter Rossmann, mahnte, der Hochschule stehe das alleinige Urteil über die Doktorarbeit zu. „Sollte es schließlich zur Aberkennung des Doktortitels von Frau Schavan kommen, wird sie selbst – aber auch Frau Merkel – wissen, dass sie als Bildungsministerin nicht zu halten ist.“ Aufmunterung kam hingegen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Sie habe Schavan in den vergangenen acht Jahren als eine „sehr integre Kollegin mit ganz hoher Fachkompetenz“ kennengelernt.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Kretschmer, forderte – wie auch Schavan -, dass sich die Universität externen Expertenrat holt. FDP-Bildungsexperte Patrick Meinhardt mahnte zu Fairness. „Bis zum Abschluss der Prüfung gilt die Unschuldsvermutung.“

Die Bildungsexpertin der Linke-Bundestagsfraktion, Petra Sitte, erklärte: „In der Bildungs- und Forschungspolitik stehen in dieser Legislaturperiode noch wichtige Entscheidungen an, die eine angeschlagene Ministerin kaum glaubwürdig vorbereiten und diskutieren kann.“ Die monatelange Hängepartie helfe niemandem.

Gegenwind gab es aus Teilen der CSU. Der Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch sagte in München: „Es wäre an der Zeit, dass die Dame sich unheimlich schämt.“

Schavan hatte im Plagiatsfall des früheren Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hohe Maßstäbe angelegt. Vor dessen Rücktritt im März 2011 betonte sie in einem Interview, dass sie sich als Wissenschaftlerin, die vor 30 Jahren selbst promoviert habe, „nicht nur heimlich schäme“ für das, was passiert sei.

Schavan trägt auch den Professorentitel: Seit dem Wintersemester 2009/2010 lehrt sie als Honorarprofessorin für Katholische Theologie an der Freien Universität Berlin.

Autor: Torsten Holtz, dapd