Erfurt | Der Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, sieht in der Berliner Corona-Demonstration vom Wochenende einen Erfolg für die rechtsextremistische Szene. Politik und Sicherheitsbehörden müssten sich für derlei Ereignisse künftig besser wappnen, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Mittwochausgaben). „Es gab eine überdurchschnittliche Mobilisierung in der rechtsextremistischen Szene in Thüringen“, so Kramer.

„Da wurden teilweise eigene Veranstaltungen abgesagt, um am Wochenende nach Berlin zu fahren.“ Es sei „klar“ gewesen, „wohin die Reise geht“, so Kramer. „Wenn unter den 20.000 Demonstranten tausend Rechtextremisten waren, dann ist das natürlich keine Dominanz.“

Aber die Rechtsextremisten hätten mit relativ wenig Einsatz eine Großveranstaltung gekapert und eine Woche lang für Schlagzeilen gesorgt. „Sie haben also mit relativ wenig Aufwand viel erreicht.“ Der Präsident des Landesverfassungsschutzes äußerte sich besorgt über die Wirkung der Demonstration in die eigene Szene hinein.

Sie verlaufe nach dem Motto: „`Schaut, was wir erreichen können, wenn wir gemeinsam was machen.` Das provoziert auch noch mehr Spinner, die sagen: `Denen zeig ich`s mal`“, warnte Kramer. Das Vorgehen in Berlin habe den längst bekannten Methoden etwa der Identitären Bewegung entsprochen, so Kramer: Es gehe darum, mit symbolträchtigen Aktionen an symbolträchtigen Orten möglichst viel Aufmerksamkeit zu erhaschen. Auf dieses Prinzip könne man sich einstellen und jeweils genügend Polizeikräfte vor Ort haben, „um wichtige symbolträchtige Orte“ wie das Reichstagsgebäude „zu schützen, damit sie nicht missbraucht werden können“.

Bei Verstößen gegen Auflagen müsse man Demonstrationen tatsächlich offensiv auflösen, „zur Not mit Wasserwerfern“, so Kramer. Zugleich rief der Verfassungsschutzchef zu „ein bisschen mehr Souveränität“ im Umgang mit den Folgen auf: „Diese Diskussion über eine Bannmeile um den Reichstag halte ich für völlig verfehlt“, sagte Kramer dem RND. Genau darauf hätten die Rechtsextremisten gezielt, um behaupten zu können: „`Aha, jetzt schützt sich die Obrigkeit hinter Mauern und Gräben.`“ Der Neonazi-Szene gehe es „immer darum zu zeigen, wie unfähig dieser Staat ist“, so Kramer. „Über dieses stete Herausfordern des Rechtsstaates muss man sich mehr Gedanken machen.“

Grüne warnen vor Verbot von Reichsbürgern

Die Grünen im Bundestag warnen vor dem Versuch, die sogenannten Reichsbürger zu verbieten. „Die Reichsbürger müssen auf jeden Fall intensiver beobachtet und auf ihr Gefahrenpotential analysiert werden. Noch sind die Voraussetzungen, auch im Hinblick auf die Organisationsstruktur, wohl nicht ausreichend für ein Verbot“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Keul, dem „Tagesspiegel“ (Online).
Wichtiger als Verbote sei aber ohnehin eine aufgeklärte Gegenöffentlichkeit, die sich dieser Ideologie entgegenstelle. „Ein Verbot der Reichsflagge kommt nach meiner Einschätzung nicht in Betracht, da sie nicht Symbol einer verbotenen Organisation, sondern eine historische Flagge ist“, so Keul.

Autor: dts
Foto: Symbolfoto