Berlin | Nach der Verhaftung eines deutschen Menschenrechtsaktivisten in der Türkei hat das Auswärtige Amt den türkischen Botschafter in Berlin einbestellt.

Außerdem habe Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) seinen Urlaub wegen der Spannungen mit der Türkei abgebrochen, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Mittwoch. Die Bundesregierung fordere die sofortige Freilassung des Aktivisten.

Insgesamt hatte ein türkisches Gericht am Dienstag Untersuchungshaft gegen sechs festgenommene Menschenrechtler angeordnet, weil diese den Terror unterstützt haben sollen. Konkret begründete das Gericht diese Anschuldigung aber nicht

— — —

Bericht: Türkei bezichtigt Daimler und BASF der Terrorunterstützung

Die türkische Regierung hat den deutschen Behörden offenbar eine weitere Liste mit angeblichen Terrorunterstützern übergeben, auf der sich erstmals auch deutsche Firmen befinden sollen, darunter auch Daimler und BASF. Die Liste sei dem BKA vor Wochen übergeben worden, berichtet die Wochenzeitung „Die Zeit“. Auf der Liste sollen insgesamt 68 Unternehmen und Einzelpersonen stehen. Die Türkei wirft den genannten Unternehmen vor, dass sie Verbindungen zur Bewegung des Predigers Fethullah Gülen hätten, die in der Türkei als Terrororganisation verfolgt wird.

In Berliner Regierungskreisen wird die Liste als „absurd“ und „lächerlich“ bezeichnet, schreibt die „Zeit“. Das BKA hat die türkischen Behörden demnach um weiterführende Informationen gebeten, bislang aber keine Antwort erhalten. Anfang Juli hatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in der „Zeit“ erklärt, die türkische Regierung habe 4.500 Akten mit Angaben über angebliche Gülen-Anhänger übergeben.

„Sie müssen diese Terroristen an die Türkei ausliefern“, hatte Erdogan gefordert. „Solange Sie das nicht tun, wird die Türkei Deutschland als Land ansehen, das Terroristen schützt.“ Für die Unternehmen kann die Erwähnung auf einer schwarzen Liste trotz dünner Beweislage unangenehme Folgen haben.

Diese können von öffentlicher Brandmarkung über Boykottaufrufe bis zu rechtlichen Problemen führen.

— — —

Schulz fordert schärferes Vorgehen gegen Erdogan

Nach den jüngsten Haft-Urteilen gegen Menschenrechtsaktivisten in der Türkei hat SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz von EU und Bundesregierung ein schärferes Vorgehen gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gefordert. „Die Ereignisse der letzten Tage zeigen: Deutsche Staatsbürger laufen in der Türkei Gefahr, zu Geiseln der Politik von Präsident Erdogan zu werden“, sagte Schulz der „Bild“. Erdogan sei nicht die Türkei.

„Aber das ist ein Zustand, den die Bundesregierung mit der Kanzlerin an der Spitze nicht einfach achselzuckend zu Kenntnis nehmen darf. Sie muss alle Maßnahmen ergreifen, um deutsche Staatsbürger zu schützen.“ Es mache „in dieser dramatischen Situation keinen Sinn, mit der Türkei weiter über die Ausweitung der Zollunion mit der EU zu reden“.

Aus Brüssel sollten auch keine Mittel zur Vorbereitung des EU-Beitritts nach Ankara fließen. „Denn willkürliche Verhaftungen von Journalisten und friedlichen Menschenrechtsaktivisten sind mit den Werten Europas nicht zu vereinbaren“, sagte Schulz. Die Bundesregierung müsse sich endlich klar positionieren: „Die Zeit des Abwartens und des Beschwichtigens muss vorbei sein. Jetzt muss die Kanzlerin Klartext reden.“ Unterdessen bestellte das Auswärtige Amt den türkischen Botschafter in Berlin ein. Dem türkischen Botschafter sei dabei „klipp und klar“ gesagt worden, dass die Verhaftung der Menschenrechtsaktivisten „nicht nachvollziehbar und auch nicht akzeptabel“ sei, sagte der Sprecher das Auswärtigen Amts am Mittwoch.

Die Bundesregierung fordere die unverzügliche Freilassung des Festgenommenen und sofortigen, ungehinderten konsularischen Zugang .

Autor: dts