Berlin | Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sieht in Mini-Kernkraftwerken (SMR) kein Potenzial als CO2-freie Energiequelle. Derzeit würden manche kleine Reaktoren „propagieren“, die „Atommüll fressen und ungefährlich sein sollen – das sind Märchen“, sagte Schulze der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Konzepte seien im Kern alle seit Jahrzehnten bekannt, hätten sich aber nirgends durchsetzen können, auch weil sie das Entscheidende eben nicht lösten: „Es bleiben Gefahren, und es bleibt Atommüll.“ Die neu entfachte Diskussion um die Atomkraft in der Übersicht am 10. Jahrestag von Fukushima.

Schulze reagierte auf die Debatte über ein Kernkraft-Revival zum Klimaschutz zehn Jahre nach der Katastrophe von Fukushima. US-Präsident Joe Biden hatte kurz nach seinem Amtsantritt angekündigt, die Chancen für sogenannte Small Modular Reactors (SMR) ausloten zu lassen, in die etwa Bill Gates schon Milliarden investiert. „Das Gefährliche an diesen vermeintlich bequemen Scheinlösungen ist, dass sie von dem ablenken, was wirklich nötig ist: der Endlagersuche und einem massiven Ausbau von Wind- und Sonnenstrom“, sagte Schulze dazu.

Die Ministerin kritisierte auch Ansagen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die Atomkraft als klimaschonende Energiequelle für unverzichtbar hält. „Die Aussagen der IAEA zum Atomkraft-Bedarf sind nicht objektiv, denn die Atomkraft-Förderung ist ihre Aufgabe.“ Der Weltklimarat weise hingegen darauf hin, dass bei der Atomkraft anders als bei Wind, Solar oder Speichertechnologien keine vergleichbaren Fortschritte bei Kosten oder Machbarkeit festzustellen sind.

Schulze verteidigte den deutschen Beschluss, erst aus der Atomkraft und dann aus der Kohle auszusteigen. „Bei uns ist seit 2011 die Strommenge aus Atom und Kohle auf die Hälfte zurückgegangen, gleichzeitig verdoppelte sich die Erneuerbaren-Strommenge. Die erneuerbaren Energien haben ihre Leistungsfähigkeit längst unter Beweis gestellt“, sagte die SPD-Politikerin. „Beides geht – raus aus Kohle und raus aus Atom. Und beides passiert.“

Amt für Entsorgungssicherheit: Atomkraft kein Klimaschutz-Mittel

Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Wolfram König, ist gegen eine Renaissance der Atomkraft als Mittel im Kampf gegen den Klimawandel. „Atomenergie kann die jetzt anstehenden Fragen des Klimawandels nicht beantworten“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). „Sie ist und bleibt auch mit den neuen Konzepten eine nicht zu Ende gedachte Technik – sie produziert keinen billigen Strom, beinhaltet hohe Risiken und schafft ewige Lasten an hochradioaktiven Abfällen.“

Die Technologie trage zudem immer das Potential zur militärischen Nutzung in sich, was gerade undemokratische Staaten missbrauchen könnten. „Unsere Aufgabe heute bleibt: Die nuklearen Abfälle sicher verwahren und so den Ausstieg aus der Atomkraft vollenden.“ Vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels war Atomenergie als nicht-fossile Stromquelle zuletzt wieder verstärkt in den Fokus gerückt.

So hatte zum Beispiel Frankreich unter Verweis auf den Klimawandel die Laufzeiten seiner Kernkraftwerke verlängert. Auch wenn andere Länder ihre Energiepolitik selbst gestalten würden, könne Deutschland dazu beitragen, Nachbarstaaten von einem Ausstieg zu überzeugen, so König: „Indem es zeigt, dass selbst in einem Industriestaat die Energiewende durch neue und nachhaltige Technologien geschafft werden kann.“ Sich nachhaltigen technischen Energien zuzuwenden, sei jedenfalls erfolgsversprechender als auf „Techniken von gestern mit bekannten Risiken oder auf Technologiesprünge in veralteten Industrien zu setzen“, sagte König den Funke-Zeitungen.

Umwelt-Staatssekretär sieht Fortschritte bei Atommüll-Endlagersuche

Zum zehnten Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima hat der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, große Fortschritte bei der Atommüll-Endlagersuche in Deutschland gelobt. „Erst der parteiübergreifende Konsens über den Atomausstieg von 2011 ermöglichte den gemeinsamen Neustart der Endlagersuche“, sagte Flasbarth der „Rheinischen Post“ (Donnerstagausgabe). Das Verfahren sei gut und verdiene Vertrauen.

„Wir sind in wenigen Jahren bei der Lösung des Atommüllproblems enorm vorangekommen und mittlerweile weiter als viele andere Länder mit Atomkraftwerken“, hob der Umwelt-Staatssekretär hervor. Von Bundes- wie Landesregierungen forderte er eine konstruktive Begleitung der Endlagersuche. „Wichtig ist, dass alle politischen Verantwortungsträger in Bund und Ländern zur Verantwortung für das gemeinsame Verfahren stehen und ihm dem nötigen Rückhalt geben“, sagte Flasbarth.

Zugleich verteidigte er die Entschädigungszahlungen des Bundes von 2,4 Milliarden Euro an die großen deutschen Energiekonzerne für den Atomausstieg. „Manche Kritiker scheinen nicht verstanden zu haben, dass der Großteil des Ausgleichs aus der 2011 parteiübergreifend beschlossenen Beschleunigung des Atomausstiegs resultiert. Die Beschleunigung war richtig, führte nur bei zwei Konzernen zu übrig bleibenden Atomstrom-Kontingenten. Dafür war laut Verfassungsgericht ein Ausgleich zu schaffen“, sagte Flasbarth. Die Einigung sei zu einem Preis gelungen, der deutlich unter den Vorstellungen der Unternehmen liege. „Das ist aus meiner Sicht darauf zurückzuführen, dass die gesamte deutsche Energiewirtschaft heute mittlerweile ganz auf die Erneuerbaren ausgerichtet ist und auch die Konzerne strategisch mit der alten Strom-Welt abgeschlossen haben. Sie hatten daher meines Erachtens ebenfalls ein Interesse an einer Einigung.“

Autor: dts
Foto: Symbolfoto