Berlin, Köln | Bei den Verhandlungen über die Bildung einer neuen Großen Koalition haben sich Union und SPD beim Streitthema Familiennachzug offenbar geeinigt. Das berichten am Dienstagmorgen mehrere Medien übereinstimmend unter Berufung auf Verhandlungskreise. Demnach soll der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus noch bis Ende Juli 2018 ausgesetzt bleiben. Der Kölner Flüchtlingsrat zeigt sich entsetzt.

SPD bestätigt Einigung beim Familiennachzug

Die SPD hat eine Einigung mit der Union beim Familiennachzug bestätigt und dies als Erfolg für sich deklariert. „Wir schaffen den Wiedereinstieg in den Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus“, sagte SPD-Chef Martin Schulz am Dienstag. Es gebe jetzt „eine Regelung 1000+“. Im Sondierungspapier war eine Neuregelung vereinbart worden, mit der ein „geordneter und gestaffelter Familiennachzug“ für 1.000 Menschen pro Monat ermöglicht werden sollte. Aus Reihen der SPD waren danach Rufe nach Nachverhandlungen laut geworden. Am Dienstagabend sollen die Koalitionsverhandlungen in der sogenannten 15-er-Runde fortgesetzt werden.

Kölner Flüchtlingsrat findet klare Worte

Der Kölner Flüchtlingsrat stellt fest, dass der Familiennachzug durch die neue Einigung faktisch ausgesetzt bleibe. Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrates stellt schriftlich fest: „Die Große Koalition in spe schafft mit einer solchen Regelung jeglichen Rechtsanspruch auf Familiennachzug zu subsidiär Geschützten ab. Das Grundrecht auf den Schutz von Ehe und Familie darf weiter ausgehebelt werden. Die großspurig verlautbarte ‚Einigung‘ ist inhaltlich reines Gnadenrecht. Dabei geht es nicht um Gnade, hier geht es um Kinderrechte und Familienschutz!“ Es werde nur eine andere Sprache benutzt, die Härtefallregelung sei schon lange geltendes Recht.

Kinderhilfswerk kritisiert Kompromiss beim Familiennachzug

as Deutsche Kinderhilfswerk hat den Kompromiss von Union und SPD beim Familiennachzug von Flüchtlingen als „menschenrechtliche Katastrophe“ kritisiert. „Die jetzt getroffene Vereinbarung ist ein fauler Kompromiss“, sagte Vizepräsidentin Anne Lütkes der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwochsausgabe). Nach ihren Worten muss die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus sofort beendet werden, weil „Kinder besonders hart getroffen“ würden.
Die derzeitige Rechtslage bedeute für die betroffenen Familien eine Trennung auf viele Jahre. „Hier muss schnell Abhilfe geschaffen werden“, forderte Lütkes. Die jetzt angestrebte Lösung sei ein Kompromiss auf dem Rücken von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen.

Die FDP sieht die CDU/CSU als Gewinner

Die FDP wertet die Einigung zum Familiennachzug als klare Niederlage für die SPD und ihren Vorsitzenden Martin Schulz. „Der Änderungsantrag gibt die bisherige Position der Union wieder, nur unverständlicher und sprachlich schlechter formuliert“, sagte FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae dem „Handelsblatt“ (Mittwochsausgabe). Die „angebliche Einigung“ lasse nicht erkennen, wo sich die SPD bei den Härtefällen durchgesetzt habe.

Autor: dts, ag