Köln | Wenige Tage nach den verheerenden Unwetterkatastrophen, die immer noch nicht abgearbeitet sind, beginnt eine Debatte wie Deutschland sich zukünftig besser auf solche Szenarien vorbereiten könne. Der Städte- und Gemeindebund eine grundlegende Reform des Bevölkerungsschutzes, Bundesforschungsministerin Karliczek will die Forschung zu Extremwetter-Phänomenen ausweiten und Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner fordert eine bessere Vorbereitung auf bundesweite Krisenszenarien.

Kommunen fordern Generalrevision des Bevölkerungsschutzes

Nach der jüngsten Flutkatastrophe fordert der Städte- und Gemeindebund eine grundlegende Reform des Bevölkerungsschutzes. „Die Katastrophe zeigt einmal mehr, dass wir den zivilen Bevölkerungsschutz neu, besser und nachhaltiger aufstellen müssen“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Dabei sollte insbesondere das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowohl personell als auch was die inhaltliche Zuständigkeit angeht deutlich gestärkt werden.“

Darüber hinaus müssten die Frühwarnsysteme verbessert werden. „Zunächst war bei dieser Katastrophe der Eindruck entstanden, es handele sich um einen großen Starkregen, ohne dass das dramatische Ausmaß kommuniziert worden ist“, kritisierte Landsberg. Deswegen seien viele Bürger von der Flutkatastrophe überrascht worden.

Erschwerend sei hinzugekommen, dass auch die Mobilfunknetze sehr schnell ausgefallen seien. Der kommunale Spitzenvertreter sprach sich dafür aus, die Warnsysteme – die es im Kalten Krieg durch Sirenen flächendeckend gab – zu ertüchtigen. Sie sollten mit entsprechender Digitalisierung zum Kommunikationsnetz ausgebaut werden, „das auch noch funktioniert, wenn flächendeckend der Strom ausgefallen ist“.

Ein batteriebetriebenes Radio gehöre in jeden Haushalt. Überhaupt müsse die Eigenvorsorge gestärkt werden, forderte Landsberg. „So kann es richtig sein, Luftschächte gegen das Eindringen von Wasser zu sichern oder Rückstauventile einzubauen“, sagte er.

„Auch das richtige Verhalten in Gefahrensituationen, das Abstellen von Strom und Gas, das Nichtbetreten von Kellerräumen und das Vorhalten bestimmter Lebensmittelreserven sollte zum Standard werden.“ Es werde auch erforderlich sein, im größeren Umfang als bisher Depots mit lebensnotwendigen Gegenständen vorzuhalten, die schnell an die Betroffenen verteilt werden könnten. Als Beispiele nannte Landsberg Notstromaggregate, Zelte, Decken, Hygieneartikel und medizinische Produkte.

Karliczek will Forschung zu Extremwetter-Phänomenen ausweiten

Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat eine bessere Vorbereitung auf Starkregen, Hitze oder Sturm gefordert. „Auch als Lehre aus der Unwetter-Katastrophe im Westen Deutschlands muss die Forschung zu solchen Extremwetter-Ereignissen in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden“, sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntagausgaben). „Ziel muss eine Verbesserung der Vorhersage und Vorsorge sein.“

Der Trend zu extremen Wetterphänomenen auch als Folge des Klimawandels halte unvermindert an, mahnte Karliczek. „Im Schnitt haben sich diese Ereignisse extremer Niederschläge, Hitze oder Sturm in den letzten dreißig Jahren nahezu verdoppelt.“ Derzeit flössen pro Jahr rund 65 Millionen Euro in die Forschung zu Klimaauswirkungen.

„Nach der Katastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sollten wir darüber nachdenken, die Initiativen im Bund und den Ländern noch einmal zu verstärken“, so die Ministerin. „Es geht um den Schutz von Menschenleben und um den Schutz von Eigentum und unschätzbaren Kulturgütern.“ Es müsse möglich sein, Extremwetter noch genauer in den Regionen vorherzusagen und Risikopläne für Hochwasser und Hitze zu erstellen, führte Karliczek aus.

„Ziel muss sein, auch in kleineren Gemeinden verstärkt Vorsorge zu treffen, um im Ernstfall schnell und wirksam handeln zu können.“ Um belastbare Aussagen zu treffen, seien Daten aus hochaufgelösten Messungen und Modellierungen über das Klima erforderlich. Entsprechende Initiativen seien bereits gestartet.

Als Beispiel nannte die Ministerin das Forschungsprojekt „ExTrass“ des Ministeriums, bei dem Forschende eng mit Stadtverwaltungen und Katastrophenschutz zusammenarbeiten. Herauskommen sollen angepasste Notfallpläne, bauliche Vorkehrungen und eine gezieltere Risikokommunikation. Unabhängig davon müsse der Klimawandel gestoppt werden, sagte Karliczek. Die jüngsten Klimabeschlüsse der Bundesregierung und der EU seien dafür eine Basis. „Dies wird aber nur gelingen“, so die Ministerin, „wenn wir zur Vermeidung von CO2-Emissionen Forschung und Innovation in den nächsten Jahren breit vorantreiben“.

Klöckner fordert Vorbereitung auf bundesweite Krisenszenarien

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat angesichts der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vor der Zunahme von extremen Wetterereignissen gewarnt.

„Wir wissen, dass solche Extremwetterereignisse zunehmen werden. Daher brauchen wir entsprechende Anstrengungen beim Klimaschutz – in Deutschland, aber auch weltweit“, sagte Klöckner der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ).

Klöckner kündigte an, die Vorsorge vor Unwettern voranzutreiben. „Wir arbeiten daran, uns mit Blick auf Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen, aber auch den Bevölkerungsschutz bundesweit und über alle Ebenen weiter zu vernetzen. Die Akteure in Bund, Land, Städten und Kreisen sowie Hilfsorganisationen sind leistungsfähig, aber für bundesweite Krisenszenarien brauchen wir einen verlässlichen Rahmen“, sagte Klöckner der „NOZ“.

Es dürfe nicht so weit kommen, dass das Leben an Flüssen und Küsten in Deutschland nicht mehr möglich sei. „Deswegen arbeiten wir mit voller Kraft daran“, sagte Klöckner. Jeder Einzelne sei gefordert, seinen Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz zu leisten.

„Das Bewusstsein dafür ist in den vergangenen Jahren in der Bevölkerung gestiegen, und das ist gut“, betonte die CDU-Politikerin. Die Union hat aus ihrer Sicht „ein überzeugendes Konzept für den Kampf gegen den Klimawandel“ vorgelegt. „Die Pläne sind konkret und ehrgeizig“, sagte Klöckner.

Autor: red, dts
Foto: Symbolbild Sandsäcke