Karlsruhe | aktualisiert | Das Bundesverfassungsgericht hat die derzeit gültige Grundsteuerregelung gekippt und eine Reform eingefordert. Die Berechnungsgrundlage für die Steuer sei verfassungswidrig, urteilten die Karlsruher Richter am Dienstag. Der Gesetzgeber habe spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung zu treffen.

Bis zu diesem Zeitpunkt dürften die verfassungswidrigen Regeln weiter angewandt werden. „Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen sie für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden.“ Konkret ging es in dem Verfahren um drei Richtervorlagen des Bundesfinanzhofs sowie um zwei Verfassungsbeschwerden zur Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung für bundesweit 35 Millionen Grundstücke.

Der Bundesfinanzhof und die Kläger hielten die Erhebung der Grundsteuer für verfassungswidrig, weil es bei der Feststellung der sogenannten Einheitswerte zu gleichheitswidrigen Wertverzerrungen komme. Der Einheitswert wurde seit Jahrzehnten nicht angepasst. Die bisherige Grundsteuer basiert deshalb im Westen auf Werten von 1964 und im Osten auf Werten von 1935.

Grüne wollen Einnahmen erhalten – Kritik an Großer Koalition

„Die Bundesregierung muss als Reaktion auf das Urteil jetzt schnell einen mehrheitsfähigen und verfassungskonformen Vorschlag für die Reform der Grundsteuer auf den Tisch legen. Mit der vom Bundesverfassungsgericht gewährten Übergangsfrist besteht zumindest die Möglichkeit, dass der von 14 Bundesländern entwickelte Vorschlag eines Kostenwertmodells fristgereicht umsetzt werden kann. Nun muss dieses Modell schnellstmöglich in Bundesrat und Bundestag eingebracht, verabschiedet und umgesetzt werden“, erklärte der Sprecher für Kommunalfinanzen der Bundestagsfraktion der Grünen, Stefan Schmidt.

Der Grünen-Politiker machte aber darauf aufmerksam, dass die knapp 14 Milliarden Euro an Einnahmen aus der Grundsteuer für die Kommunen eine der wichtigsten Einnahmequellen überhaupt darstellt. Die müsse unbedingt erhalten werden, damit die knapp 11.000 Städte und Gemeinden ihrem Auftrag kommunaler Daseinsvorsorge nachkommen können. „Insbesondere Finanzminister Scholz und die CSU, die das Kostenwertmodell in der Vergangenheit nicht mittragen wollten, müssen nun im Interesse der Kommunen handeln und ihren Widerstand aufgeben“, forderte Schmidt abschließend.

Mieterbund freut sich über Urteil zur Grundsteuer

Der Direktor des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten, hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer begrüßt. „Was bisher war, war so ungerecht, dass das Gericht nur zu diesem Schluss kommen konnte“, sagte Siebenkotten dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND). Das Verfassungsgericht in Karlsruhe hatte die bisherigen Vorschriften zur Einheitsbewertung für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt.

Bis Ende 2019 muss der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen haben. Die bisherigen Werte können bis Ende 2024 herangezogen werden. Siebenkotten erklärte den Zeitplan für „straff“, dennoch müssten Bund und Länder eine Lösung finden.

„Die Bundesregierung wird sich nicht die Blöße geben, die Frist verstreichen zu lassen. Es liegen so viele Vorschläge auf dem Tisch, da kann man erwarten, dass der Zeitplan eingehalten wird“, erklärte der Bundesdirektor des Mieterbunds. Der Mieterbund setzt sich dafür ein, dass die bisherige Form der Grundsteuer durch eine reine Bodensteuer abgelöst wird.

Hierbei soll ausschließlich der Wert der Fläche besteuert werden. Den Alternativvorschlag der Mehrheit der Bundesländer, die sich für ein sogenanntes „Kostenwert-Modell“ einsetzen, lehnt der Mieterbund ab. „Alles ist besser als das bisherige Modell und alles andere ist besser als das Kostenwert-Modell, bei dem erst zehn Jahre lang recherchiert werden muss, bis es angewendet werden kann“, sagte Siebenkotten.

Statement von Ulf Reichardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln, zur Grundsteuer-Entscheidung des BVerfG:

„Mit seinem heutigen Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die Bemessungsgrundlage im aktuell geltenden Grundsteuergesetz als nicht verfassungsgemäß erklärt. Nun kommt es darauf an, dass die vom Gericht geforderte Reform nicht zu einer versteckten Steuererhöhung genutzt wird. Die Unternehmen im Bezirk der IHK Köln werden bereits seit Jahren durch steigende Hebesätze der Kommunen bei Grund- und Gewerbesteuer zusätzlich belastet. Der Gesetzgeber muss nun Mut beweisen: Er muss ein Gesetz formulieren, das sowohl für den Fiskus als auch für die Betriebe auf überbordenden Verwaltungsaufwand verzichtet. Dass die Bewertungen von 1964 (West) und 1935 (Ost) nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar sind, war zu erwarten. Jetzt sind Politik und Verwaltung gefragt. Die Verfassungsrichter geben dem Gesetzgeber knapp zwei Jahre – bis 31.12.2019 – Zeit, um das Grundsteuergesetz zu reformieren. Nach Verkündigung des Gesetzes hat die Finanzverwaltung dann noch bis Ende 2024 Zeit, das neue Gesetz auch in der Praxis rechtssicher umzusetzen. Dieser Zeitraum lässt keinen Spielraum für allzu aufwendige Umsetzungsmodelle. Auch die Vollversammlung der IHK Köln wird sich ganz aktuell am heutigen Abend mit dem Urteil beschäftigen.“

Autor: dts