Berlin | Die Zahl der gewaltorientierten Extremisten in Deutschland ist angestiegen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 hervor, der am Dienstag von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, vorgestellt wurde. Mit 12.700 Rechtsextremisten (2016: 12.100; 2015: 11.800) und 9.000 Linksextremisten (2016: 8.500; 2015: 7.700) zählen die Verfassungsschutzbehörden im Berichtsjahr so viele Personen wie nie zuvor zum gewaltorientierten Spektrum.

Dies seien mehr als die Hälfte aller Rechtsextremisten und etwa ein Drittel aller Linksextremisten, so Seehofer. Auch innerhalb der islamistischen Szene zeichnete sich 2017, wie auch schon im Jahr 2016, eine Kräfteverschiebung in den gewaltorientierten Bereich ab. Problem seien insbesondere sogenannte „Rückkehrer“ aus den Kampfgebieten in Syrien und im Irak.

„Bei jedem einzelnen müssen wir genau prüfen, ob eine Gefahr von ihm oder ihr ausgeht und wie wir mit ihnen umgehen müssen“, sagte Seehofer. „Von der strafrechtlichen Verfolgung über ausländerrechtliche Maßnahmen bis hin zum Einbringen in Deradikalisierungsprojekte ist Vieles denkbar und möglich. Man muss in jedem Einzelfall genau prüfen, welche Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung zu ergreifen sind.“

Der Schwerpunkt „linksextremistischer Agitation“ lag nach Angaben des Innenministeriums im Jahr 2017 auf der Mobilisierung gegen den G20-Gipfel. Mehr als 230 Polizisten wurden bei den Ausschreitungen rund um den Gipfel verletzt. Die Zahl linksextremistisch motivierter Gewalttaten gegen die Polizei und Sicherheitsbehörden sei im Berichtsjahr um über 65 Prozent gestiegen (2017: 1.135, 2016: 687) – alleine in Hamburg wurden 832 dieser Gewalttaten begangen, heißt es im Bericht.

„Besonders verwerflich ist, dass Fotos von Polizisten, die in Hamburg im Einsatz waren, auf Plakaten im Internet und in linken Szeneläden veröffentlicht wurden“, klagte Seehofer am Dienstag. Auch insgesamt war im vergangenen Jahr mit 6.393 Straftaten ein deutlicher Anstieg linksextremistisch motivierter Straftaten zu verzeichnen (2016: 5.230). Darunter waren 1.648 Gewalttaten (2016: 1.201) – ein Anstieg um 37 Prozent. Im Berichtsjahr betrug das linksextremistische Personenpotential 29.500 Personen (2016: 28.500; 2015: 26.700). Das Personenpotential im Bereich Rechtsextremismus ist im vergangenen Jahr abermals angewachsen, auf nunmehr 24.000 Personen im Vergleich zu 23.100 im Jahr 2016 (2015: 22.600). Mehr als die Hälfte dieser Personen (12.900) rechnen die Verfassungsschutzbehörden keiner klassischen, festen rechtsextremistischen Struktur zu.

„Täter rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten sind oft nicht einschlägig bekannt. Sie weisen keine `rechtsextremistische Karriere` auf, lassen sich keiner festen Struktur zuordnen und radikalisieren sich in kürzester Zeit“, sagte der Innenminister. Zur organisatorisch und ideologisch sehr heterogenen Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ rechnen die Verfassungsschutzbehörden im Berichtsjahr 16.500 Personen (2016: 10.000). Die hohe Steigerung des Personenpotenzials gegenüber dem Vorjahr sei Ergebnis der fokussierten Aufklärung dieses Phänomens und beruhe zu einem großen Teil auf einem verbesserten Informationsaufkommen, so der Innenminister. Nur rund fünf Prozent der Szene zählten zu den Rechtsextremisten. Sorge bereite aber weiterhin die hohe Waffenaffinität der Szene.

„Antisemitische Vorfälle der letzten Zeit, wie die Angriffe auf Kippa tragende Männer oder antisemitisches Mobbing an Schulen, sind inakzeptabel. Auf deutschem Boden ist für Judenhass kein Platz“, sagte Seehofer weiter. Im Bereich der Spionage stellt der Verfassungsschutzbericht 2017 fest, dass fremde Nachrichtendienste nach wie vor verstärkt auf Cyberangriffe setzen. Der Verfassungsschutz werde sich auf diese Herausforderung personell und technisch weiter einstellen, sagte der Innenminister.

Zahl der Salafisten in Deutschland steigt auf 10.800

Die Zahl der Salafisten in Deutschland hat erstmals die Marke von 10.000 überschritten. Im vergangenen Jahr waren es laut des Jahresberichts 2017 des Bundesamtes für Verfassungsschutz exakt 10.800. Das berichtet die „Welt“ vorab unter Berufung auf das Dokument, das Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen am Dienstag in Berlin vorstellen. Im Jahr 2016 hatte die Zahl bei 9.700 Salafisten gelegen.

Vergleicht man die Zahl von 2017 mit der fünf Jahre zuvor, hat sich die Anzahl der Salafisten mehr als verdoppelt. Im Jahr 2012 hatte der Verfassungsschutz 4.500 Salafisten registriert. Laut der „Welt“ stieg durch die zunehmende Radikalisierung der salafistischen Szene in den vergangenen Jahren auch die Zahl der Strafverfahren mit einem islamistischen Hintergrund an.

Insbesondere gegen Rückkehrer aus den Kriegsgebieten in Syrien und im Irak sowie gegen Personen, die Anschlagspläne im Inland vorbereitet oder unterstützten, wurden Gerichtsverfahren durchgeführt und Urteile gesprochen. Laut Verfassungsschutz steht die Bundesrepublik nach wie vor im Fokus islamistischer Terroristen. Weiterhin besteht demnach eine ernstzunehmende Bedrohungslage.

Die Anschläge der letzten Jahre in Brüssel, London, Manchester und Paris würden deutlich machen, dass jederzeit mit einem islamistisch motivierten Terroranschlag zu rechnen sei. Das identifizierte islamistisch-terroristische Personenpotenzial liege bei 1.880 Personen – Tendenz steigend. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft gab es im vergangenen Jahr rund 1.200 eingeleitete Terror-Verfahren.

Das waren fast fünf Mal so viele wie im Jahr 2016 (rund 250). Von diesen Verfahren hätten rund 1.000 einen islamistischen Hintergrund (2016: etwa 200) gehabt.

Autor: dts