Köln | Martin Börschel, Fraktionsvorsitzender der SPD im Kölner Rat und Mitglied des Landtages NRW, soll hauptamtlicher Geschäftsführer des Stadtwerkekonzerns werden. Ein Aufschrei geht durch die Kölner Gazetten und politischen Influencer Kölns, Klüngel wird geschrien, das Gehalt als übermäßig an den Pranger gestellt. Ist das Verfahren und der Fall Börschel wirklich so einzigartig und kölscher Klüngel, wie es uns die Gazetten und politischen Influencer weismachen wollen? Eine Analyse und ein Re-Kommentar von Andi Goral.

Klüngel und klammheimlich?

„Köln hat einen schweren Klüngel-Rückfall erlitten. Der nur durch einen Verfahrensfehler gescheiterte Plan, den SPD-Politiker Martin Börschel klammheimlich zum neuen Stadtwerke-Chefzu küren, ließ böse Erinnerungen wach werden. Viele Kölner fühlten sich in den letzten Tagen mit der Zeitmaschine zurück in die 80er Jahre versetzt, als es in Köln normal zu sein schien, dass sich Schwarze und Rote im geübten Zusammenspiel die Stadt untereinander aufteilten. Nach dem Motto: „Lass uns mal über die Sache reden. Was wird aus mir?“, kommentiert der Chefredakteur des Kölner Stadtanzeigers Carsten Fiedler. Und das ist noch die feinere Wortwahl, die man in diesen Tagen liest und hört.

Ist das wirklich so und vor allem wie laufen solche Besetzungsverfahren in der freien Wirtschaft oder bei hochrangingen Positionen in Behörden ab? Nehmen wir das Verlagshaus DuMont doch einmal selbst. Dies ist rechtlich gesehen eine „GmbH & Co. KG“ eingetragen beim Amtsgericht Köln, wie auch die Stadtwerkekonzern eine GmbH ist. Ein Unternehmen mit sehr viel öffentlichem Einfluß in Köln. Einziger Unterschied: DuMont ist in der Gruppe A, der Einzelunternehmen, Personengesellschaften und rechtsfähigen wirtschaftlichen Vereine eingetragen und die Stadtwerke in der Abteilung B, der Kapitalgesellschaften. Es gibt also zunächst keinen Unterschied. Den Unterschied könnte man darin sehen, dass der Stadtwerkekonzern zu 100 Prozent im Besitz der Stadt Köln und nicht eines oder mehrerer Privatunternehmen oder Privatpersonen ist. Aber rein rechtlich ist der Stadtwerkekonzern eine Kapitalgesellschaft in Form einer GmbH und kann auch so agieren.

Wenn im Haus DuMont Spitzenpositionen vergeben, neue Vorstandsposten geschaffen werden, fragt das Unternehmen dann die Öffentlichkeit, schreibt die Stelle zuvor intern mit Aushängen in der Teeküche aus, meldet sie der Arbeitsagentur die offene Position oder schaltet Stellenanzeigen in überregionalen und den eigenen Medien? Nein, das tut es nicht. Das Unternehmen wird, entsprechend der Entscheidung und Vorgaben seiner Gremien, geräuschlos im Hintergrund und mit Bedacht nach der richtigen Person Ausschau halten und diese dann, nach der Entscheidung, der Öffentlichkeit präsentieren. Wie transparent ist denn das Verfahren wenn neue Chefredakteure – also Menschen mit erheblichem Einfluss auf die Öffentlichkeit – gesucht werden?

Oder nehmen wir einen anderen aktuellen Fall. Die Deutsche Bank suchte einen Nachfolger für John Cryan. Auch hier wurde die Stelle nicht in der Teeküche ausgehängt, sondern der Aufsichtsrat entschied und verkündete, dass es Christian Sewing geworden ist. Gab es Kritik am Berufungsverfahren? Wurde diese Entscheidung „klammheimlich“ getroffen? Jetzt fragen sich die Medien landauf und -ab, was man von dem Neuen der Deutschen Bank erwarten kann, aber dass ein Aufsichtsrat souverän darüber entscheidet, wen er als operativen Geschäftsführer vorschlägt, zu diesem macht oder nicht, stellt eigentlich niemand in Frage. Man kann die Fragestellung auch noch weiter auf die Spitze treiben: Schreiben Headhunter Stellen aus oder suchen Sie, wenn es um Führungspositionen geht, diejenigen von denen sie glauben, dass sie die Besten sind und die Kriterien erfüllen, die für bestmögliche Arbeit stehen? Sie suchen die, von denen sie glauben dass sie die Besten sind und sie tun dies nicht öffentlich.

Blicken wir auf die Besetzung von Spitzenpositionen in Behörden. Wie wird man eigentlich Staatsminister oder Staatssekretär? Ja, mit dem richtigen Parteibuch, da man ja die Interessen der regierenden Parteien vertreten muss, die zuvor das Volk in die Regierung gewählt hat und durch nachgewiesenes Können und Wissen. Da fragt doch auch keiner die Öffentlichkeit oder spricht von „klammheimlichen“ Besetzungsverfahren. Dies gilt übrigens auch für Spitzenpositionen, wie der des Kölner Polizeipräsidenten.

Qualifikation und Wissen

Unter dem Stadtwerkekonzern vereinigen sich die Unternehmen RheinEnergie AG, Kölner Verkehrs-Betriebe AG, KölnBäder GmbH, NetCologne GmbH, AWB Abfallwirtschaftsbetriebe Köln GmbH, AVG Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft Köln mbH, Häfen und Güterverkehr Köln AG, Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln mbH und die moderne stadt GmbH, um nur die Größten zu nennen. Die Konzernholding ist zu 100 Prozent im Besitz der Stadt Köln. Dies spiegelt sich auch sehr stark im Aufsichtsrat wieder, der von Ratsmitgliedern aus den vorderen Reihen und nicht den Hinterbänklern besetzt ist.

Fragen wir uns doch einmal, welche Qualifikationen und Wissen nötig sind, um als hauptamtlicher Geschäftsführer einer solchen Holding zu fungieren, gerade so, als würden wir die Stellenbeschreibung in die Teeküche hängen. Die neue Frau oder der neue Mann sollte Führungserfahrung in Konzernstrukturen haben und Erfahrung mit politischen Prozessen auf kommunaler, Landesebene oder Bundesebene, um für einen kommunalen Konzern der Daseinsvorsorge sprechen und Einfluss nehmen zu können. Beste Vernetzung in alle Richtungen, also Wirtschaft, Politik und Medien, wären nicht nur wünschenswert, wie gerade auch ein souveräner Umgang mit der Öffentlichkeit, sondern sind Voraussetzung. Der oder die Neue sollte Visionen und Strategien entwickeln, vor allem in einer Zeit, in der disruptive Entwicklungen durch die fortschreitende Digitalisierung zu schweren wirtschaftlichen Verwerfungen führen kann. Vor diesem Hintergrund dürfte es schwer fallen einen politisch unbelasteten und neutralen Kandidaten/in, etwa in der freien Wirtschaft zu finden, der auch noch über profunde Kenntnisse in Verwaltungsabläufen und politischen Entscheidungsprozesse verfügt. Der dazu noch souverän mit der Öffentlichkeit umgehen kann.

Die neue Position

Ein weiterer Aufreger in der Öffentlichkeit ist die Frage, ob es diese Stelle überhaupt geben muss oder ob nicht alles so bleiben könne, wie es ist. Also die Einzelvorstände aus den verbundenen Unternehmen leiten auch weiterhin nebenberuflich die Konzernholding. Da war doch was mit § 6 des Kölschen Grundgesetzes: „Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet!“ Die Frage ist doch eigentlich, welchen Herausforderungen werden sich die einzelnen städtischen Gesellschaften in Zukunft ausgesetzt sehen und können deren Vorstandsvorsitzende im Nebenamt auch noch den Konzern leiten oder sollten sich diese nicht besser auf ihr Unternehmen und dessen Herausforderungen konzentrieren? Nehmen wir die Rheinenergie. Hier gilt es Zukunftsthemen wie der Energiewende, Digitalisierung oder Herausforderungen wie der Blockchain-Technologie zu begegnen. Die Kölner Verkehrs-Betriebe müssen dringend ihr Angebot, vor allem vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt, erweitern und verbessern. Alle Einzelunternehmen müssen sich der Digitalisierung stellen. Also genug Aufgaben in den einzelnen Unternehmen. Insofern ist die Überlegung die Einzelvorstände von der Belastung der Führung der Konzernholding zu entlasten, womöglich nicht die schlechteste aller Ideen. Aber die wird, bei dem Getöse um Personen, denn der Fall Börschel, wird ja mittlerweile auch auf den Fraktionsvorsitzenden der CDU Bernd Petelkau, die grüne Fraktionsvorsitzende Kirsten Jahn, den grünen Geschäftsführer Jörg Frank ausgedehnt, inhaltlich gar nicht mehr diskutiert, beziehungsweise wurde noch gar nicht öffentlich erörtert.

Das Salär

Im Kreuzfeuer der Kritik steht der Gehaltsansatz für den neuen hauptamtlichen Geschäftsführer des Stadtwerkekonzerns: 500.000 Euro sollen es jährlich sein. Der Gesamtumsatz der Gesellschaften des Stadtwerke Köln Konzerns lag 2016 bei fünf Milliarden Euro. Vergleicht man diesen Gehaltsansatz nur mit den Gehältern von Vorständen von Sparkassen aus dem Jahr 2014, so relativiert sich die Summe ein wenig. In der Top Ten Liste lagen die Gehälter der Sparkassenvorstände im Jahr 2014 zwischen 854.000 und 536.000 Euro.

Die Person Martin Börschel

Vor dem Hintergrund der bisher vorgetragenen Überlegungen scheint die Person Martin Börschel nicht die Schlechteste aller Überlegungen zu sein. Börschel ist gut in der Politik im Land und der Kommune vernetzt. Er kennt als Aufsichtsratsvorsitzender den Stadtwerkekonzern. Hier liegt allerdings das Geschmäckle im Fall Börschel. Daneben war er viele Jahre Vorsitzender des Verwaltungsrates der Sparkasse Köln Bonn. Er hat also profunde Kenntnisse, wie strategische, wirtschaftliche und politische Entscheidungen zu Stande kommen, wie man sie einleitet und auf den Weg bringt. Er kennt die Kontrollfunktionen, deren Optionen, Abläufe in der Verwaltung und deren Entscheider. Und last but not least, war Börschel es, der mit den SPD Barcamps als einer der ersten digitale Initiativen angestoßen hat. Er ist also offen für die wichtigen Zukunftsthemen. Zudem leitete er viele Jahre die Stadtratsfraktion der Kölner SPD, die größte Fraktion im Rat der Stadt Köln. Ein Headhunter käme, bei all den Qualifikationen, der Vernetzung und dem Hintergrundwissen nicht umhin Martin Börschels Bewerbung zu prüfen. Dass dies auch von denen, die öffentlich zetern, so gesehen wird, kann man gut daran erkennen, dass sie sich zu den Qualifikationen des Bewerbers Börschel mehr als zurückhaltend äußern, ihm gönnerhaft sogar eine „Chance“ einräumen wollen. Der Headhunter würde übrigens nicht öffentlich, sondern hinter verschlossenen Türen die Personalakten prüfen und dies hinter diesen den Gremien vorschlagen und diskutieren.

Köln streitet nur über die Personen, nicht über die inhaltliche Zielsetzung

Die aktuelle Auseinandersetzung wird lediglich über die handelnden Personen geführt, nicht über die Inhalte und Strategien, die mit der Stelle eines hauptamtlichen Geschäftsführers beim Stadtwerkekonzern verbunden ist. Das ist das eigentliche, kölsche Drama. Warum ist es sinnvoll eine solche Stelle zu schaffen, was ist das Ziel? Also eine inhaltliche Zieldefinition die den Kölner Bürgerinnen und Bürgern und der Stadt Köln zu Gute kommt. Darüber sollte Politik, Gesellschaft und Medien streiten und Leitplanken setzen, an denen der neue Geschäftsführer gemessen wird. Denn es geht hier – blickt man auf das Unternehmensportfolio des Stadtwerkekonzerns – um die Zukunftsthemen Energie (Rheinenergie), Mobilität (KVB) und Digitialisierung und Kommunikation (Netcologne) der Stadt, zum Wohle ihrer Bürgerinnen und Bürger.

Autor: Andi Goral
Foto: Um die Person Martin Börschel und seinen Wechsel in die neu zu schaffende Funktion eines hauptamtlichen Geschäftsführers der Stadwerke Köln GmbH wird heftig gerungen.