Köln | Gemeinsam mit der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus im NS-Dok (ibs) laden Vereine aus Köln-Esch am 20. Juni 2012 zu einer Informationsveranstaltung ein. Im Fokus stehen die jüngsten Aktivitäten der neonazistischen Gruppierung „Autonome Nationalisten Pulheim“ im Veedel. Dort sind derzeit rechte Graffitis und Aufkleber auf der Straße zu sehen, zudem kam es vereinzelt schon zu Übergriffen gegen Jugendliche. Im Interview mit report-k.de erklärt Hendrik Puls von der ibs vorab, was das für eine Gruppe ist und wie sich die Bürger gemeinsam dagegen wehren können.

Report-k.de: Sie laden am 20. Juni zu einer Informationsveranstaltung gegen Neonazis in Esch ein. Gibt es dafür einen aktuellen Anlass?
Hendrik Puls, ibs: Anlass der Infoveranstaltung sind die Aktivitäten von Neonazis aus dem Spektrum der „Autonomen Nationalisten“ im Stadtteil. Neonazis gibt es schon länger in Esch, jedoch haben ihre Aktivitäten nun die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt. Die Vereine aus Esch haben beschlossen, dass es Zeit ist, zu handeln. Und wir unterstützen sie dabei.

Welche Gruppierungen aus der rechten Szene sind in Esch aktiv?
Die Neonazis, die in Esch auftreten, gehören zu einer Gruppe, die sich „Autonome Nationalisten Pulheim“ (ANP) nennt. Die Gruppe ist in Pulheim und im Kölner Norden aktiv, einige ihrer Mitglieder wohnen in Esch-Auweiler. Viele von diesen waren gut im Dorf integriert, waren Mitglieder von Vereinen oder der Freiwilligen Feuerwehr. Von ihren Neonaziaktivitäten haben viele im Stadtteil nichts gewusst – manche wollten wohl lange Zeit auch nichts davon wissen. Die ANP sind mit anderen organisierten Neonazis aus der Umgebung vernetzt, wie der „Aktionsgruppe Rheinland“ oder der Anfang Mai verbotenen Kameradschaft um den Kölner Axel Reitz.

Wie wird die Gruppe aktiv?
Wie man in Esch selbst sieht, betätigen sich die Escher Neonazis „vor ihrer eigenen Haustür“ in erster Linie mit Propaganda: Im Ort findet man Graffitis und Aufkleber, die nach ihrem Entfernen auch regelmäßig erneuert werden. In der Nacht auf den 1. Mai gab es auch einen gewalttätigen Übergriff mit vermutlich rassistischem Hintergrund. Ein Jugendfußballspieler wurde am Rande eines Festes von Neonazis zusammengeschlagen. Außerdem nehmen die örtlichen Neonazis an Aufmärschen in ganz NRW teil. Auf diesen Aufmärschen, wie zum Beispiel am 7. April in Stolberg, betätigen sie einzelne auch als Redner. Seit Ende April betreiben die ANP auch eine Homepage unter dem Namen „Pulheim in Bewegung“, auf der sie ihre extrem rechte Propaganda unter einem bürgerlich anmutenden Deckmantel versteckt verbreiten wollen.

Wie bewerten Sie die derzeitige Situation in Esch?
Die Neonazis betätigen sich in Esch, „vor ihrer eigenen Haustür“, hauptsächlich mit einer Masse von Propagandadelikten, die einzelnen schwer nachzuweisen sind. Zugleich handelt es sich bei den Escher Neonazis um überregional vernetzte und organisierte Neonazis, die man nicht unterschätzen darf. Die Kreise, in denen sie sich aufhalten, sind durchaus gewaltbereit – und die Gruppe ist vollständig in sie integriert. Bereits im Mai 2008 gab es einen Übergriff von zehn „Autonomen Nationalisten“ auf zwei Jugendliche, die Naziaufkleber entfernen wollten. Ein aktueller Grund für vermehrte Aktivitäten der ANP könnte das polizeiliche Vorgehen gegen die Kameradschaft Köln und deren Verbot durch das Innenministerium sein. Die ANP versuchen den Raum auszufüllen, der dadurch frei geworden ist.

Derzeit ist der in Esch lebende Abu Nagie, der im Internet Selbstmordattentate verherrlicht, in aller Munde. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Medienaufmerksamkeit zu Abu Nagie und der verstärkten Aktivität der rechten Szene in Esch?
Wir sehen keinen Zusammenhang zwischen den neonazistischen Aktivitäten in Esch und der betreffenden Person.

Wie sollten die Kölner im Veedel reagieren? Was können sie tun?
Die Bürgerinnen und Bürger haben ja schon angefangen, sich zu engagieren. Sie sind zunächst einmal aufmerksam auf das Thema geworden und haben sich zusammengesetzt, um ein gemeinsames Vorgehen zu besprechen. Die Infoveranstaltung ist ein Ergebnis davon, mit ihr beziehen die lokalen Vereine deutlich Stellung. Wir werden am Mittwoch über die Problematik informieren. Wenn die Bürgerinnen und Bürger sensibilisiert sind und somit aktiv auf extrem rechten Aktivitäten achten, kann den Neonazis die Agitation erschwert werden. Eine kontinuierliche Auseinandersetzung ist aber notwendig. In der Jugendarbeit, also in Vereinen und Schulen, könnten toleranzfördernde Maßnahmen durchgeführt werden, um dem rechten Gedankengut keinen Nährboden zu geben und somit ein Wachsen der Szene zu verhindern. Außerdem sollte man den Neonazis zeigen, dass man ihre Propaganda in Esch nicht duldet: Schmierereien und Aufkleber sollten schnellstmöglich entfernt werden.

Infobox
ibs in Esch
20. Juni 2012, 19 Uhr
Grundschule Köln-Esch
Martinusstr.

Autor: cs
Foto: Die rechten Grafittis wurden mittlerweile an manchen Stellen überpinselt