Köln | Köln wählt in diesem Jahr eine neue Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister. Eine Kandidatin steht fest: Henriette Reker (parteilos), sie tritt als unabhängige Kandidatin an. Präsentiert von den Kölner Grünen und unterstützt von FDP und CDU. Diese Unterstützung ist sehr ungewöhnlich. Wer wird Gegenkandidat oder Gegenkandidatin? Die SPD schweigt noch öffentlich. OB Roters bittet Reker zum Gespräch. Eine Analyse der politischen Situation und Kräfteverhältnisse im Kölner Stadtrat. Mit einem Kommentar von Andi Goral

SPD ist in der Frage des Oberbürgermeisterkandidaten politisch isoliert

Die stärkste politische Kraft im Kölner Stadtrat, die Kölner SPD schweigt, wen Sie für das Amt des Oberbürgermeisters nominiert. Lange wurde der Name des SPD Finanzministers Dr. Norbert Walter-Borjans gehandelt. Dann standen zwei Kandidaten im Raum, der Kölner SPD Vorsitzende Jochen Ott und der Fraktionsvorsitzende Martin Börschel, der zu Letzt in die Favoritenrolle wechselte. In politischen Kreisen Kölns stellt man die Frage ob das nach der Nominierung von Reker immer noch so ist. Die SPD erreichte 29,42 Prozent bei der Kommunalwahl 2014 und steht derzeit alleine und isoliert mit der Ankündigung einen Gegenkandidaten ins Rennen zu schicken. Der oder die auch eine realistische Chance hätte. Und keine andere Partei oder Splittergruppe hat sich zu ihr bekannt. Ganz anders die unabhängige Kandidatin Henriette Reker. Sie konnte die CDU und die FDP hinter sich bringen. Die Kölner Grünen präsentieren sie. Dieses Bündnis brachte 51,7 Prozent der Stimmen bei der Kommunalwahl hinter sich.

CDU stellt keinen eigenen Kandidaten auf

Das ist schon bemerkenswert. Einer der größten Kreisverbände innerhalb der CDU Deutschlands, die im Bund derzeit vor Kraft kaum laufen kann und fast alleine den Anspruch formuliert die größte Volkspartei zu sein, stellt in der viertgrößten Stadt keine eigene Kandidatin oder Kandidaten auf. Formuliert damit aktuell keinen eigenen Führungsanspruch. „Henriette Reker ist allgemein sehr geschätzt und hat in den letzten Jahren als Sozialdezernentin in Köln eine sehr gute Arbeit geleistet“, so Petelkau der Fraktionsvorsitzende im Kölner Rat und CDU-Chef schriftlich. Weiter teilt er mit: „Vor allem hat sie auch bei schwierigen Themen eine außerordentliche Durchsetzungsfähigkeit bewiesen und gezeigt, dass es ihr gelingt, die wichtigen Akteure in unserer Stadt zusammenzuführen“. Auch Alt-OB Schramma unterstützt die Kandidatur Rekers. Petelkau erklärt weiter schriftlich: „Für uns ist entscheidend, mit einer Kandidatin ins Rennen zu gehen, der wir zutrauen, diese Stadt endlich wieder nach vorne zu bringen. Nach fast sechs Jahren Stillstand muss Köln wieder von einer starken Persönlichkeit regiert werden. Uns geht es um unsere Stadt. Eine unabhängige Kandidatin kann sich vorbehaltlos für die Interessen Kölns einsetzen. Ich halte Henriette Reker für eine sehr gute Wahl!“ Die Kölner CDU wird am 20. Januar einen Kreisparteitag abhalten, der die einstimmige Entscheidung der Findungskommission bestätigen soll.

Die politischen Kräfteverhältnisse im Rat

Die SPD hat 27 Sitze. Die Kölner Grünen 18 Sitze (45 gemeinsam). Diese beiden Fraktionen reagierten bis zur Wahl 2014 vereint in einer Fraktion mit einer Stimme Mehrheit, der des Oberbürgermeisters. Diese Situation ist auch nach der Wahl stabil geblieben. Mit einem Unterschied. Nach der Wahl hatte man gemeinsame Koalitionsverhandlungen beschlossen, diese wurden aber von der SPD ausgesetzt, nachdem die Kölner Grünen für eine von der CDU geforderte Neuauszählung der Kommunalwahl votierten. Seit dieser Woche haben SPD und Grüne beschlossen ihre Koalitionsverhandlungen fortzusetzen, wenn die SPD Parteibasis sich dafür entscheidet. Führten also SPD und Grüne ihre Koalition weiter und Reker würde zur Oberbürgermeisterin mit Unterstützung der CDU und FDP gewählt, dann wäre die grüne Position innerhalb der Koalition gestärkt. Aber was hätten die Wähler der CDU und FDP davon? Nehmen wir ein einfaches kommunalpolitisches Thema, ohne zu werten was die bessere Lösung ist und war: Die Bonner Straße. Hier wollten die Kölner Grünen eine einspurige Verkehrsführung. Den Wählern in den CDU Hochburgen Bayenthal, Rodenkirchen oder Hahnwald im Kölner Süden dürfte dies wenig schmecken.

CDU und Grüne haben im Rat, auch mit der Stimme des Oberbürgermeisters keine Mehrheit. Sie wären auf wechselnde Mehrheiten oder die dauerhafte Unterstützung der FDP angewiesen. Diese so genannte Jamaika Koalition hat zusammen 47 Stimmen im Rat. Und damit eine Mehrheit auch ohne die Stimme des Oberbürgermeisters. Eine Zusammenarbeit setzt voraus, dass die Basis der Parteien dies unterstützen. Nach der Kommunalwahl hatte sich aber die Parteibasis der Grünen für ein Bündnis mit der SPD ausgesprochen. Würden Piraten und Deine Freunde noch das Bündnis für Reker unterstützen kämen noch einmal 4 Stimmen hinzu. SPD und Linke dagegen kämen nur auf 33 Sitze.

Was aber passiert wenn der SPD Kandidat gewönne und es nicht zu einer Koalition mit den Grünen käme? Dann bliebe eigentlich nur die große Koalition aus SPD und CDU als politische Option, mit der CDU als Juniorpartner mit gemeinsam 51 Sitzen im Kölner Stadtrat. In den letzten Ratssitzungen gab es schon mehrfach Entscheidungen, die beide großen Volksparteien getragen haben.

Oberbürgermeister Jürgen Roters bittet Reker zum Gespräch

Er habe die Kandidatur von Sozialdezernentin Henriette Reker zur OB-Wahl am 13. September 2015 zur Kenntnis genommen, so Jürgen Roters, SPD. Er werde jetzt zeitnah mit Reker ein Gespräch führen, in dem er klären möchte wie sie „ihre dringenden Aufgaben als Sozialdezernentin mit ihrer Wahlkampftätigkeit“ in Einklang bringen möchte. Mit Unverständnis reagierte Roters auf die Unterstellung Rekers die Verwaltung sei parteipolitisch gesteuert.

Im weiteren Verfahren muss jetzt die Mitgliederversammlung der Grünen und der Kreisparteitag der CDU über die Unterstützung der unabhängigen Kandidatin Reker entscheiden.

[infobox]Kommentar

Ist das die völlige Entpolitisierung des höchsten Amtes der Stadt?

Mit der breiten Unterstützung Rekers stellen sich gleich mehrere Fragen, nach einer neuen Definition des Amtes eines Oberbürgermeisters und dem Umgang der politischen Klasse damit. War es bislang so, dass politische Parteien um das höchste Amt buhlten und auch, obwohl die Position später neutral sein sollte, damit einen politischen Führungsanspruch, aber auch eine politische Richtung und Vision zumindest im Wahlkampf dokumentierten, darf man jetzt gespannt sein, wie sie dies neu deuten werden. Gebe ich diesen Anspruch auf, stellt sich aber auch die Frage warum dann der Kreis der Bewerber nicht gleich noch viel weiter gespannt wird und man einen Headhunter einsetzt um den besten Stadtmanager oder bestvernetzten und klügsten Kopf zu bekommen, der die Stadt voranbringt? Diese Frage stellt keine Abwertung der Kompetenzen Rekers dar, sondern fragt nach den Kriterien die für eine Auswahl gesetzt werden, etwa spielt es dann eine Rolle das Reker Kölnerin ist? Auch das eine Partei diese unabhängige Kandidatin präsentiert und damit doch ein politisches Signal setzt und diese auch nur erst in einer parteiinternen grünen Findungskommission ausgesucht wurde, irritiert in diesem Zusammenhang. Hätten dann nicht CDU, FDP und Grüne zusammen einen unabhängigen Kandidaten suchen müssen und dies politisch so auch nach außen sichtbar für den Wähler dokumentieren müssen? Bekanntlich sind sich die drei Parteien inhaltlich und politisch ja nicht immer grün. Warum hat Reker nicht erst ihre unabhängige Kandidatur, also ihren Hut in den Ring geworfen und dann um Unterstützung bei allen politischen Parteien geworben?

Aus der Binnensicht der Kölner Politik im Dunstkreis des Rathauses sind Argumente die für diese Art der Kandidatur sprechen nachvollziehbar. Aber wird das auch der Wähler verstehen. Dann wenn Politik aus der Komplexität von Anträgen, Verwaltungsvorlagen, Prüfaufträgen und mehr dann im Wahlkampf auf einfache politische Botschaften, Parolen heruntergebrochen wird, dürfte die Vermittlung deutlich schwieriger werden. Hat der Wähler nicht einen Anspruch darauf vor der Wahl zu wissen für welche grundsätzliche Haltung der Kandidat am Ende steht? Verwaltungskompetenz alleine reicht da nicht aus, vor allem gehe ich als Wähler davon aus, das dies das Pflicht- und nicht Kürprogramm ist. Und das in einem Rat der bunter geworden ist, mit schwierigen Mehrheiten? Befürworter des Modells sagen in der Kommunalpolitik gehe es um Sachpolitik, für die man sich wechselnde Mehrheiten suchen muss. Das stimmt auch. Als Wähler möchte ich aber eine grundsätzliche Haltung erkennen, die sich mit meinen Interessen deckt, denn die will ich vertreten wissen. Da darf man gespannt sein, wie eine unabhängige Kandidatin den unterschiedlichen parteipolitischen Interessen im Wahlkampf Rechnung tragen wird. Das fängt morgen an, wenn Reker zum Dreikönigstreffen der Kölner FDP in die Kölner Flora kommen wird. Auch die Mitgliederversammlung der Grünen und der Kreisparteitag der CDU dürfte hier Klarheit bringen.

Andi Goral

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Autor: Andi Goral