Köln | Der Kölner Rat und die Ratspolitik kennt immer einen Teil der öffentlich ist: Die Inszenierung der Politik und Botschaft für die eigene Klientel, aber auch an die städtische Öffentlichkeit. Und den nicht öffentlichen Teil, die Themen und Gespräche in den Fraktionen, den Flurfunk im Spanischen Bau oder ganz amtlich und offiziell in den Ausschüssen und der Ratssitzung. Auch die Findung neuer oder bekannter politischer Konstellationen nach der Kommunalwahl 2020 finden derzeit im Hintergrund statt. Die wichtigste Frage derzeit lautet: Wer spricht mit wem?

Es ist schwierig derzeit einen Einblick zu erhalten, wie sich die Politik – nicht die Verwaltung – mit der Konstituierung des neuen Rates positionieren wird. Eines dürfte klar sein: Die Alternative für Deutschland, also die AfD-Fraktion spielt bei den Gesprächen derzeit keine Rolle.

Grüne sollen offen verhandeln

Die Verhandlungsführerschaft liegt bei den Kölner Grünen, als stärkste Kraft im Kölner Rat. Die sollen jetzt doch – vielleicht waren anders lautende Gerüchte auch nur Nebelkerzen – mit vielen Fraktionen und Gruppen im Gespräch sein, wie Politikinsider berichten. Also scheint Grün-Schwarz, obwohl favorisiert von Oberbürgermeisterin Henriette Reker, nicht mehr zwangsläufig gesetzt zu sein. Für den politischen Diskurs und Auftrag des Rates nach der Gemeindeordnung wäre dies mehr als nur ein Vorteil: Denn die Politik setzt den Rahmen, im dem die Verwaltung handeln kann und darf. Eine starke politische Rahmensetzung und Kontrolle ist nicht nur demokratischer, weil sie dem Wählerwillen entspricht, sondern könnte auch für mehr Schwung in der Stadt sorgen und der Bräsigkeit, die aus Abgestimmtheit zwischen Verwaltung und Politik entwächst ein Ende setzen. Es ist eben nicht so, wie manche in der Kölner Kommunalpolitik sagen und denken, dass sie sich auf die Seite der Verwaltung schlagen müssten, weil sie die Stadt Köln repräsentieren. Die Politik muss die Verwaltung kontrollieren und die gesellschaftliche Debatte und den Willen der Bürgerinnen und Bürger im Rat vertreten. Der bleibt nicht mehrere Jahre lang gleich, sondern entwickelt sich weiter. Die Politik ist näher bei den Bürgerinnen und Bürgern als die Exekutive und sollte dies als Stärke verstehen.

Also ist es gut, dass es anscheinend Gespräche zwischen vielen Fraktionen und Gruppen gibt und sich die Politik womöglich als starke Kraft neu findet. Denkbar wäre Grün-Rot-Rot, die grüne Jugend forderte zum Dialog auf. Denkbar wäre auch Grün-Rot-Lila oder Grün-Schwarz-Lila. Mit Lila ist etwa Volt gemeint. Auch die Wählergruppe Gut oder die Klima Freunde stünden als drei Parteien Option zur Verfügung. Wer noch einmal in die Parteienprogramme zur Kommunalwahl zurückblättert kann einfach feststellen, wer hier mehr Gemeinsamkeiten aufweist. Ein, wie auch immer geartetes politisches Dreierbündnis im Rat, würde sich gegenüber der Oberbürgermeisterin Henriette Reker emanzipieren, die bei Zweierbündnissen ganz gleich ob Grün-Schwarz oder Grün-Rot immer das Zünglein an der Waage durch ihre Stimme wäre.

Politik gewinnt an Stärke

Noch ein Gedanke: Henriette Reker als parteilose, aber von Grünen und CDU bei ihrer OB-Wahlkampagne unterstützte Kandidatin, macht es den Parteien schon lange vor und hat damit selbst ihre politischen Unterstützerinnen und Unterstützer schon manchmal irritiert. Sie sucht sich die für ihre Position – und manchmal auch Machtposition – günstigste Konstellation aus und verkauft dies als moderne Story der Politikgestaltung. Warum sollten hier nicht auch die Parteien so agieren, immer vor dem Hintergrund in den wirklich wichtigen Fragen den größten gemeinsamen Nenner zu suchen, wenngleich auch in Detailfragen neue Bündnisse möglich sein müssen, ohne, dass einer in der Schmollecke sitzt. Vor allem wer bedenkt, wie oben geschildert, dass eben der Wählerwille auch nicht über eine gesamte Wahlperiode gleich bleibt.

Sollte es also diesen offenen Austausch und die Gespräche der Grünen mit fast allen politischen Fraktionen und Gruppierungen im Rat geben, so ist das ein positives Zeichen aus dem Spanischen Bau, dass sich die Politik ihrer eigenen Stärke bewusst wird. Ganz besonders wichtig ist dies in der Frage der Verwaltungsreform. Gerade hier muss die Politik prüfen, debattieren und gegebenenfalls wenn nötig intervenieren, damit sie nicht nur das abstimmt, was ihr vorgelegt wird. Dies gilt zudem für die anstehenden oder weiter zu treibenden Transformationsprozesse im Mobilitäts- und Energiesektor oder der Digitalisierung.

Aber alles ist, daran sei zum Schluss erinnert, derzeit nicht öffentlich und damit nichts, als reine Spekulation. Die Kölnerinnen und Kölner dürfen also darauf gespannt sein, welches Bündnis oder eine Bündnisform von wechselnden Mehrheiten die Politik vor der Konstitution des Rates Anfang November präsentieren wird.

Autor: Andi Goral