Köln | Jochen Ott, Vorsitzender der Kölner SPD, lud zu einer Abschiedstour. Denn am 16. März gibt Ott sein Amt nach 18 Jahren weiter, wenn der Unterbezirkstag der Kölner SPD über eine neue Spitze entscheidet. Ott hatte dies bereits angekündigt. Die Tour führte an sieben unterschiedliche Orte in Köln und das Motto lautete: „18 Jahre Vorsitz der Köln SPD – Viel erlebt, viel geschafft, vieles nicht erreicht – meine Tour der größten kommunalen Misserfolge“. Ott bleibt auch im Abschied seiner Linie treu: Klare und deutliche Worte. Ott bleibt Mittelrheinvorsitzender der SPD und stellvertretender Fraktionsvorsitzender im NRW-Landtag.

„Platz in der Schule“*

Die Tour startete in Kalk, Gummersbacher Straße, gegenüber dem Polizeipräsidium. Dort ist ein Parkplatz. Der wird freigehalten für die Umbauten an der TH Köln. Dort sollte eine Gesamtschule gebaut werden, sagt Ott. Er bemängelt die Priorisierung, dass dort immer noch keine Schule stehe. Und das vor dem Hintergrund dass seit Jahren mehrere hundert Kinder pro Jahr keinen Platz in Kölner Gesamtschulen erhalten. Den ehemaligen Kölner Baudezernenten Bernd Streitberger und Franz-Josef Höing macht Ott den Vorwurf sich zu wenig um den Schulbau gekümmert zu haben und macht das fest an Höings Aussage: „Schulbau ist nicht mein Beuteschema“. Dass der Schulbau noch immer nicht Chefsache ist, also von Oberbürgermeisterin Henriette Reker, bemängelt Ott zudem. Als Schulpolitiker im Land kündigt Ott an, zukünftig den Finger in diese Wunde zu legen. Der Kritik, dass die SPD sechs Jahre lang den Oberbürgermeister stellte und auch die Schuldezernentin, setzt Ott entgegen, dass acht Jahre CDU-Mann Schramma und vier Jahre die parteilose und vom Rekerbündnis aus CDU, Grünen und FDP getragene Henriette Reker das städtische Spitzenamt inne hat und hatte.

„Veedelsmanagerin für Alle“

Elf Sozialräume gibt es in Köln. Ott forderte im OB-Wahlkampf 40 und hält es bis heute für einen Fehler, dass es diese nicht gebe. In Buchforst und Buchheim zeigt Ott seine Vorstellung von Metropole und Kaffeebud. Durch die Sozialraumkoordination vor Ort werde nicht nur die Struktur der Akteure im Viertel verbessert, sondern auch die Stadtentwicklung vor Ort. Zudem machte Ott am Beispiel Mülheim 2020 deutlich, dass es Förderprogramme für die Stadt vom Bund und der EU nur dann gebe, wenn es eine Verknüpfung vor Ort gebe. Bei Mülheim 2020 seien Millionen in den Stadtteil geflossen, etwa in die Ertüchtigung der Frankfurter Straße, soziale Einrichtungen und das Veedelsmanagement vor Ort.

„Notfallplan gegen Fahrverbote“

In Mülheim liegt der Clevische Ring und der ist nicht nur mit Verkehren sondern auch mit Schadstoffen hochbelastet. Es brauche einen Notfallplan gegen drohende Dieselfahrverbote. so Ott. So müsse es eine Busspur von Leverkusen nach Köln-Mülheim an den Wiener Platz geben, damit Bürger aus Stammheim oder Flittard endlich die Möglichkeit haben schnell einen Anschluss an das Stadtbahnsystem zu erhalten. Ott macht Reker schwere Vorwürfe, dass seit vier Jahren nichts voran gehe und die Oberbürgermeisterin nach Berlin zum Dieselgipfel fahre und ein Tempolimit für Schiffe auf dem Rhein fordere. Damit blamierte sich Reker. Ott fordert von der Oberbürgermeisterin, dass sie sich bei den Änderungen des Gemeindeverkehrsinfrastrukturgesetzes einbringt und vor allem bei der Berechnung des Kosten-Nutzen-Faktors auf eine Änderung drängt. Denn bleibe der so wie bisher, sieht Ott, die Verkehrswende gefährdet und noch mehr Probleme auf die wachsende Stadt Köln zurollen.

„Rheinmetropole Köln“

„Die Metropolregion Rheinland wird systematisch vor die Wand gefahren“, sagt Jochen Ott. Städte wie Leverkusen, Krefeld oder Solingen fühlen sich nicht ernst genommen, so Ott, bei der Art und Weise, wie Köln mit dem Verein Metropolregion Rheinland und der Personalentscheidung für Kirsten Jahn, als Geschäftsführerin, umgehe. Hier sei ein Scherbenhaufen hinterlassen worden. Ott sieht zudem ein Defizit in Rekers Aussage, dass die Bezirksregierung die Region organisieren solle. Geht es nach dem scheidenden SPD-Vorsitzenden müsse dies die Metropole schon selbst in die Hand nehmen. Große Veränderungen stehen vor der Tür, wie etwa der Strukturwandel in der Kölner Kohleregion, wo bis 2021 rund 10.000 Arbeitsplätze auf dem Prüfstand stehen, genauso wie die 18.000 Arbeitsplätze bei Ford oder die 30.000 Arbeitsplätze bei Covestra. Köln müsse mit der Region, in der vier Millionen Menschen leben, zusammenarbeiten, so die Forderung Otts, der unter anderem Kooperationsmöglichkeiten bei den Flughäfen, den Messen oder den Häfen sieht.

„Gartenzaun umgedreht“

An der fünften Station wurde es persönlich. Es geht um ein Thema, dass vor allem vom politischen Gegner, während Otts Oberbürgermeisterkandidatur in den öffentlichen Diskurs gebracht wurde. Das Ott und der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Martin Börschel in Nippes nebeneinander wohnen und die Stadt über dem Gartenzaun oder beim Grillen regieren würden, behaupteten führende Vertreter des politischen Gegners. Das Medien immer wieder behaupteten, dass die Häuser der beiden SPD Politiker in der autofreien Siedlung liegen, entkräftete Ott. Dass eine Freundschaft zwischen zwei Politikern als Inbegriff des Kölner Klüngels dargestellt werde, stimme ihn traurig, so Ott.

„Nachtbürgermeister aktiv“

Hier geht es Ott um den Ausgleich zwischen Kreativszene und den Bürgerinnen und Bürgern im Veedel. Am besten zu sehen in Köln-Ehrenfeld. Ott beschäftigt hier die Frage, was mit der Kreativszene in einer wachsenden Stadt passiere, wo sie ihren Platz findet, wenn statt Clubs, wie auf dem Heliosgelände, plötzlich Schule und Wohnbebauung entsteht. Oder warum die Nachtruhe im Kreativviertel nicht erst um Mitternacht beginnen könne. Köln müsse aufpassen, dass „coole“ Orte wie Ehrenfeld nicht einfach weg gentrifiziert werden. Schwer sei der freien Szene auch zu vermitteln, dass die Stadt Köln in den Neubau von Oper und Schauspielhaus 700 oder 800 Millionen Euro investiere.

„Schöner Wohnen exklusiv“

Von Ehrenfeld führte die Ott-Tour nach Lindenthal. Ott fürchtet eine Spaltung der Stadt. 18.000, beziehungsweise später 16.000 Wohnungen, wolle die Stadt Köln bauen. 400 sollten in Lindenthal entstehen, vor allem bezahlbare Wohnungen. Jetzt sollen in Lindenthal nur noch 15 Wohnungen gebaut werden. Für 30 Prozent geförderten Wohnraum in Lindenthal, Weiden oder Junkersdorf finde sich keine Mehrheit in der Bezirksvertretung, so Ott. Und das, obwohl es in Junkersdorf gar keinen geförderten Wohnungsbau gebe. Auch bei der Verteilung von Flüchtlingen ist Lindenthal weit hinten dran und nimmt noch nicht einmal die Hälfte von Geflüchteten auf wie Mülheim. In Lindenthal, wo zwei Drittel der CDU-Mitglieder wohnten, so Ott, hätten diese die bessere Lobby und können sich medial besser in Szene setzen. Auch die Ausstattung des Apostelgymnasiums in Lindenthal sei anders, als die des Gymnasiums Chorweiler bemängelt Ott. Hier sei die Politik in der Pflicht steuernd einzugreifen.

„Versöhnen statt spalten“

Die siebte und letzte Station der Fahrt mit Jochen Ott war das Historische Rathaus. Ott unterlag Reker in der Oberbürgermeisterwahl deutlich, da diese vom Rekerbündnis aus CDU, Grünen, FDP und Deine Freunde gestützt wurde. Noch heute nagt es an Ott, dass Reker sagte: „Köln vor Ott schützen zu müssen“. Heute sehe man das Gegenteil: die Politik in Köln, die Fraktionen im Stadtrat und die Oberbürgermeisterin im Rathaus seien handlungsunfähig einen Kompromiss auszuhandeln. Die Kölner SPD werde bei der Kommunalwahl 2020 auf Sieg spielen, versprach Ott und sich auf dem Parteitag am 16. März neu aufstellen. Die SPD habe die richtigen Antworten und Personen für die Herausforderungen der wachsenden Stadt.

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* Jochen Ott stellte seine „Haltestellen“ mit Titeln vor. Diese übernahm die Redation als Zwischenüberschriften.

Autor: Andi Goral