Aachen | Der Internationale Aachener Karlspreis geht im kommenden Jahr an die litauische Präsidentin und frühere EU-Haushaltskommissarin Dalia Grybauskaite. Dies gab das Karlspreis-Direktorium am Samstag in Aachen bekannt. Mit Grybauskaite werde „eine der herausragenden Persönlichkeiten der baltischen Region“ geehrt, heißt es in der Begründung. Zudem sollten mit der Preisvergabe ihre Verdienste um die Bewältigung der europäischen Schuldenkrise gewürdigt werden.

Im kommenden Jahr jährt sich zum zehnten Mal die Unterzeichnung der EU-Beitrittsverträge von Litauen, Estland und Lettland. Die Zugehörigkeit der baltischen Staaten zur Europäischen Union sei eines der „großen und bewegenden Ereignisse der revolutionären Dekade“. Der nötige Transformationsprozess habe den Menschen aber auch viele Opfer abverlangt, und die europaweite Wirtschaftskrise habe das aufstrebende Land besonders hart getroffen. „Umso beeindruckender ist der Weg, den die baltischen Republiken seither beschritten haben“, stellt das Direktorium fest.

Vertrauen in die Währungsunion

In der aktuellen Situation zeichne Preisträgerin Grybauskaite mit „Mut und Augenmaß, Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein“ einen Weg zur Überwindung der europäischen Probleme. Dabei schaffe sie im eigenen Volk und bei den europäischen Partnern Orientierung und Vertrauen. So sei es ein wichtiges Signal, „wenn in einer Zeit größter Verunsicherung, in der fast allerorten über ein Auseinanderbrechen der Währungsunion spekuliert wird, die Republik Litauen unverändert in die Währungsunion strebt“.

„Wir ehren sie als große Europäerin und als Vertreterin einer ganzen Region, die sich deutlich zu Europa und seiner gemeinsamen Währung bekennt“, sagte der Sprecher des Karlspreis-Direktoriums, Jürgen Linden. Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU) betonte, Europa sei mehr als nur seine Mitte: „Es ist wichtig, den Blick auch in den Nordosten der Europäischen Union zu richten.“ Dort werde eindrucksvoll bewiesen, wie mit klarer Strategie, großer Disziplin und Opferbereitschaft auch tiefgreifende Krisen bewältigt werden könnten. „Dalia Grybauskaite erhält die Auszeichnung als große Europäerin“, sagte Philipp.

Resolute Krisenmanagerin

Nach dem Beitritt Litauens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 war Grybauskaite in die Europäische Kommission eingezogen, in der sie zunächst die Verantwortung für Bildung und Kultur, später für Haushalt und Finanzen übernahm. Im Mai 2009 wurde sie mit knapp 70 Prozent der Stimmen zur litauischen Präsidentin gewählt. Bereits vor ihrer Wahl hatte Grybauskaite die Stabilisierung des Wirtschafts- und Finanzsystems zur Schwerpunktsetzung ihrer Präsidentschaft erklärt. Im litauischen Volk gilt sie als resolute Krisenmanagerin.

Der Aachener Karlspreis zählt zu den bedeutendsten europäischen Auszeichnungen und würdigt Verdienste um Europa und die europäische Einigung. Traditionell wird der Preis an Christi Himmelfahrt im Krönungssaal des Aachener Rathauses verliehen – im kommenden Jahr am 9. Mai. Dieses Jahr ging die Auszeichnung an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Autor: Marc Wahnemühl und Christian Wolf, dapd