Köln | Als erster deutscher Sozialdemokrat besuchte Dr. Rolf Mützenich, für Köln im Deutschen Bundestag und außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, die CHP-Politiker Mustafa Balbay und Prof. Mehmet Haberal im Istanbuler Gefängnis. Seit über drei Jahren sind beide inhaftiert, weil die türkische Regierung ihnen Putsch-Pläne vorwirft.

Haft hat Spuren hinterlassen

Am 21. Mai 2012 reiste  Dr. Rolf Mützenich in das Gefängnis nahe Istanbul. Dort besuchte er die beiden CHP-Parlamentarier Mustafa Balbay und Prof. Mehmet Haberal. Die CHP ist die kemalistische Oppositionspartei in der türkischen Regierung. Die beiden Abgeordneten sind seit über drei Jahren inhaftiert. Zusammen mit rund 10.000 weiteren Häftlingen sind sie in einem riesigen Gefängnis in der Nähe von Istanbul untergebracht. Vor Ort erhielt Mützenich die Gelegenheit, jeweils rund eine Stunde mit den beiden Parlamentariern in Anwesenheit eines Haft-Aufsehers zu sprechen. Gesundheitlich erschienen Haberal und Balbay ihm dabei stabil, allerdings hätte die lange Haft bereits ihre Spuren hinterlassen.

Dem Universitätsprofessor Haberal und dem Journalisten Balbay wird vorgeworfen, an der Planung eines Putsch-Versuchs gegen die türkische Regierung von Ministerpräsident Erdogan beteiligt gewesen zu sein. Bislang konnten laut Mützenich dafür jedoch noch keine Beweise vorgelegt werden. Auch deswegen befürchtet Mützenich, dass der Vorwurf von der Regierung dazu genutzt werde, um die Oppositionellen aus der Politik herauszuhalten. „Der Prozess verläuft nicht nach einem europäischen rechtsstaatlichen Verfahren“, so der Kölner Sozialdemokrat.

Rechtsstaatliche Prinzipien auf dem Rückzug?

Tayfun Keltec, stellvertretender Vorsitzender der türkischen Sozialdemokraten Köln, bezeichnete das Verfahren als „Phantasievorstellung der der türkischen Regierung“. Er befürchtet, dass der Prozess den Beitritt der Türkei in die Europäische Union verzögern könnte. Zwar habe die Türkei in den vergangenen Jahre große Fortschritte gemacht, „insbesondere aber bei rechtsstaatlichen Prinzipien scheint die Türkei wieder auf dem Rückzug“, sagte auch Mützenich.  Nach seinem Besuch sprach er bei der türkischen Botschaft in Berlin vor. Dort habe er deutlich gemacht, dass die Haftbedingungen nicht akzeptabel seien. Inzwischen hätte sich auch Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, dahingehend geäußert. Und auch in der Türkei selbst sei sein Besuch gut angekommen. Einige türkische Medien hätten seinen Besuch trotz des zunehmenden Drucks auf ihre Berichterstattung dazu genutzt, um auf den Prozess aufmerksam zu machen.

Autor: cs
Foto: Dr. Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion aus Köln, und Tayfun Keltec, stellvertretender Vorsitzender der türkischen Sozialdemokraten Köln