Köln | aktualisiert | Ein Sommertag in Köln Meschenich. Strahlend blauer Himmel, auf einem Feld wächst der Rhabarber und ein LKW nach dem anderen donnert dröhnend laut mitten durch den kleinen Ort mit der Hochhaussiedlung Kölnberg. Der Gasthof zur Post ist geschlossen, die Bäckerei hat auch die Rolläden heruntergelassen. Sozialraumkoordinatorin Verena Auerbeck erzählt, dass jeden Tag 900 Schülerinnen und Schüler die Brühler Landstraße queren müssen. Aber eine Umgehungsstraße soll gebaut werden und damit eröffnen sich Chancen. Die SPD will diese nutzen und Meschenich voranbringen: Neuen Wohnraum und Infrastruktur schaffen.

Wer Meschenich aktuell mit dem ÖPNV erreichen will, der muss den Bus nehmen und der fährt selten. Für einen Stadtteil mit rund 5.000 Menschen reicht dies, so die SPD nicht mehr aus. Daher will die SPD jetzt schon die Planung vorantreiben, die Nord-Süd-Stadtbahn, die bisher bis Rondorf geplant ist, bis nach Meschenich-Süd und später sogar zum Bahnhof Brühl zu führen. Diese, so Rafael Struwe, liegenschaftspolitischer Sprecher der SPD und Mitglied des Stadtentwicklungsausschusses, verbessere den Kosten-Nutzen-Vergleich und damit die Möglichkeit einer Förderung durch das Land NRW.

Bessere Einkaufsmöglichkeiten

Dazu passen auch die vier Flächen rund um Meschenich, die für eine Wohnbebauung oder eine Mischbebauung mit Gewerbe von der Stadtentwicklung festgestellt wurden. So können neue Siedlungen entstehen und etwa ein Drogeriemarkt oder ein Vollsortimenter-Supermarkt angesiedelt werden. Denn aktuell gibt es nur zwei Discounter. Das alte Ortszentrum mit seinen Backsteinhäusern wird von der Brühler Landstraße durchschnitten. Ein LKW nach dem anderen rollt an den Schulkindern oder den Senioren mit ihren Rollatoren an diesem Dienstagmorgen vorbei. Ein Verkehrsschild, an dass sich niemand hält, sagt 30 km/h wegen Lärmschutz. Dass hier jeden Tag 900 Schulkinder die Straßenseite wechseln müssen, ist eigentlich indiskutabel. Die Kernstruktur des Ortes ist durch die Lärm- und Verkehrsbelastung zerstört, daher auch der Leerstand bei Ladenlokalen und Gastronomiebetrieben.

Die Ortsumgehung B51n wird jetzt gebaut (report-K berichtete) und damit die Brühler Landstraße vom Durchgangsverkehr befreit. Denn das Baurecht ist geschaffen. Allerdings gibt es noch Fragen, wie diese an die Brühler Landstraße und das Gewerbegebiet Eifeltor angeschlossen werden kann. Auch das ein Grund, warum die Kölner SPD so früh mit ihrer Initiative für Meschenich im Rat agiert. Struwe will eine Neugestaltung der zentralen Ortsmitte mit einer klaren Zurückdrängung des Autoverkehrs. Johannes Waschek von der Bürger- und Vereinsgemeinschaft Meschenich stimmt Struwe zu und fordert eine Belebung des Ortskerns. Auch hierzu könnte die Verlängerung der Nord-Süd-Stadtbahn dienen.

300 neue Wohneinheiten schaffen

Die SPD will zudem die Siedlung erweitern. Neben den identifizierten vier Grundstücken seien weitere zu finden. 30 Prozent der Geschossfläche Wohnen ist im sozial geförderten Wohnraum zu erschließen. 300 Wohneinheiten könnten geschaffen werden, so die SPD. Hier sieht die SPD Möglichkeiten auch Entlastung für die Siedlung Kölnberg zu schaffen, auch wenn die Eigentumsverhältnisse dort schwierig sind. Denn anders als etwa in Chorweiler sind die Hochhäuser nicht in der Hand eines Investors, sondern von vielen Eigentümern. Diesen Zustand will die SPD sukzessive verändern und denkt darüber nach, ob nicht auch die Stadt Köln zunächst Wohnraum kaufen sollte. Aktuell finden sich Wohnungen im Kölnberg im Angebot von Immobilienportalen. So wird eine 72 qm Wohnung für 47.000 Euro angeboten, der Makler schwärmt vom „Durchdachten Hochhauskonzept“.

Sozialraumkoordinatorin Verena Auerbeck erzählt allerdings, dass aktuell für Wohnungsmieter einen Warteliste besteht. Denn anders Chorweiler wurde der Kölnberg bei seiner Errichtung um 1972 von vielen privaten Eigentümern getragen. Sogar ein Tennisplatz wurde damals gebaut und ein Schwimmbad. Beides heute nicht mehr in Betrieb. Die Grundstücke wurden in Erbpacht von der Stadt Köln vergeben und diese läuft 2058 aus. Ungefähr die Hälfte der Wohnungen befinden sich aktuell in der Hand einer Verwaltungsgruppe, der Rest in Streubesitz. Daher ist es auch so schwierig Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen.

Wird der Sperrbezirk nicht richtig kontrolliert?

Aber es tut sich was. So wirken manche Anlagen mittlerweile sehr gepflegt und jeden Tag wird der Müll von den Wiesen geräumt. Ein Wohnblock ist mittlerweile richtig schick saniert. An anderen Stellen allerdings tut sich wenig. Auch die Zurückdrängung der Straßenprostitution gelingt nicht, obwohl die Stadt das Areal zum Sperrbezirk erklärt hat und sogar rote Tafeln darauf hinweisen. Die typischen Spuren seien überall im Umfeld zu finden, so Waschek. Das Ordnungsamt der Stadt sei immer noch zu lax unterwegs berichten auch Anwohner. Die würden die Prostitution tolerieren. Es geht auch um den Ruf des Veedels. So sagt ein Mitarbeiter eines Lebensmittelgeschäfts, dass er immer wieder froh sei, sofort nach der Arbeit den Stadtteil zu verlassen.

Sozialraumkoordinatorin Auerbeck sieht im negativen Image das größte Problem, obwohl sich schon vieles verbessert hat. Die Träger kümmern sich um die sozial Schwachen, die Drogenabhängigen, in einigen Häusern, die als besonders schlimm galten, gibt es mittlerweile Pförtner und Videoüberwachung. Sie nennt auch das Jugendzentrum, dass hervorragende Arbeit leiste. Daher stimme dieses Bild vom Kölnberg nicht mehr so ganz, dass hier jeden Tag etwas Schlimmes passiert, so Auerbeck. Ein großes Problem allerdings sei, dass die Häuser nicht barrierefrei seien und auch in Zukunft durch die bauliche Situation umgestaltet werden können, so Auerbeck. Denn einige Menschen im Veedel sind auch auf den Rollstuhl oder Gehhilfen angewiesen.

Eigentum bündeln

Rafael Struwe erklärte, dass die SPD vor allem einen Impuls für Meschenich setzen wolle und noch gar nicht konkrete Maßnahmen, wie etwa die Einrichtung eines Sanierungsgebietes vorschlagen wolle, obgleich der Antrag klar sagt, die Eigentümerstruktur der bis zu 26 Etagen hohen Häuser mit 1.318 Wohneinheiten mit rund 4.100 Bewohnern aus 60 Nationen anzugehen. Also die Wohnungen auf einen oder wenige Eigentümer zu bündeln, der dann auch ein Interesse an einer Wohnumfeldverbesserung hätte. Denn alleine 900 Kinder wohnen am Kölnberg. Klar fordert die SPD die städtische Verwaltung auf im Rahmen des Wohnungsaufsichtsgesetzes gegen Missstände und Verwahrlosung vorzugehen.

Grüne sprechen von Etikettenschwindel

Der SPD-Antrag wird am 5. Juni im Kölner Stadtrat beraten. Die Grünen im Rat lehnen den SPD-Antrag ab und sprechen von Etikettenschwindel. Die Grünen sagen, der Antrag enthalte wenig Neues und nahezu alle Aspekte seien bereits Bestandteil früherer Beschlüsse oder schon in der Planungsphase. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kölner Rat, Kirsten Jahn erklärt dazu schriftlich: „Nicht zum ersten Mal versucht sich die SPD-Fraktion ein Fleißkärtchen zu verdienen, indem sie bereits verabschiedete oder in Planung befindliche Maßnahmen sammelt und unter eigener Flagge zu einem Antrag zusammenstellt. Doch Fleiß alleine lenkt nicht vom Etikettenschwindel ab, den die Sozialdemokraten mit diesem Antrag betreiben.“

Report-K berichtet am 5. Juni live aus der Stadtratssitzung.

Autor: Andi Goral