Köln | „Stadt versemmelt Denkmal in der Keupstraße“, schimpfte der Express. „Peinliche Panne“, zog der Kölner Stadt-Anzeiger Ende Januar nach. Hauptziel beider Artikel: Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach. In der Kulturausschuss-Sitzung Anfang März war die Zukunft des Denkmals für die Opfer des Nagelbomben-Attentats dann Thema. Hier stellte sich das Problem in wesentlichen Punkten ganz anders dar. Streitpunkte sind der Standort und die Frage, wann der Investor von diesem Mahnmal erfahren hat.

Darum geht es: Am 9. Juni 2004 wurde vor einem Friseur-Salon in der vor allem von türkischen Migranten bewohnten Keupstraße eine Nagelbombe gezündet. 22 Menschen wurden dadurch zum Teil schwer verletzt. Das Verbrechen wird der rechtsextremen Terrorgruppe NSU zugerechnet, gegen deren Mitglied Beate Zschäpe derzeit vor dem Oberlandesgericht in München verhandelt wird.

Die Anwohner der Keupstraße wurden in die Entscheidung einbezogen

Bald gab es Überlegungen, ein Mahnmal für die Opfer zu errichten. Opfer, die zunächst von Politik und Polizei zu Tätern gemacht wurden. Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums, entwickelte ein Verfahren, in dessen Zentrum der Dialog mit den Opfern und den Anwohnern der Keupstraße stand. Es wurde ein Kunstwettbewerb durchgeführt. Im November 2016 fiel die Entscheidung einstimmig zugunsten des Berliner Künstlers Ulf Aminde.

Sein Entwurf sieht ein virtuelles Denkmal vor, das nur die Besitzer eines Smartphones mit entsprechender App sehen können. „Bestückt“ werden soll es mit Filmen über friedliches Zusammenleben oder Dokumentationen zum alltäglichen Rassismus. Die „Leinwand“ für diese Filme erhebt sich auf einem 30 Zentimeter hohen Sockel mit den Maßen von etwa 25 x 6 Metern, der – in einer Parallelverschiebung – den Grundriss des Friseur-Salons nachzeichnet.

Der Lieblingsstandort der Jury war klar: Die Ecke Keupstraße/Schanzenstraße in Sichtweite des Anschlagortes. Für den Fall, dass sich dieser Standort nicht realisieren lassen würde, hatte die Jury vorgesorgt und auch eine Alternative beschlossen. Dafür war ein Dialog mit den Investoren, denen das Grundstück gehört, vorgesehen.

Investor will erst „durch Zufall“ von dem Mahnmal erfahren haben

Der Investor Bernd Odenthal erhebt nun via Zeitungen und anderen Medien den Vorwurf, er habe erst Anfang 2017 „per Zufall von diesen Plänen erfahren“. Die Stadt plane also auf einem Grundstück, ohne die Eigentümer zu fragen. Mehr als merkwürdig scheint diese Beschwerde. Bereits seit 2015 war dem Investor und seinem Architekten bekannt, dass ein Denkmal geplant war. Denn bei dem städtebaulichen Werkstattverfahren für die Bebauung des ehemaligen Güterbahnhofs in Mülheim hatten alle Planungsteams die Aufgabe, einen möglichen Standort für ein Denkmal auszuweisen. So geschah es auch auf dem Grundstück Odenthals: Der Standort für das Denkmal ist dort in einer neu anzulegenden Straße vorgesehen, einem 30 Meter breiten Boulevard, der von der Keupstraße abzweigt.

Investor und Architekt wurden zum Gespräch eingeladen

Am 6. November 2017 ging schließlich der Entwurf von Ulf Aminde im Kunstwettbewerb für das Denkmal als Siegerentwurf hervor. Einen Tag später wurden alle Entwürfe in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Dazu war der Architekt eingeladen und wohl auch anwesend. Unmittelbar danach wurde das Gespräch gesucht. Die Stadt lud am 12. Dezember 2016 für den 23. Januar 2017 Herrn Odenthal, seinen Architekten, den Künstler, Vertreter der IG Keupstraße und städtische Mitarbeiter ein. Und alle kamen – Zufall sieht anders aus.

Teilnehmer des Gesprächs berichten, dass Herr Odenthal seinen Architekten während des Gesprächs darum bat, in einigen Wochen einen Entwurf zu erstellen. Doch diese Runde hat nie einen Entwurf gesehen. Stattdessen wurde am 27. Juni 2017 mitgeteilt, dass die Eigentümergemeinschaft eine Verwirklichung des Denkmals an der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße ablehne und die Realisierung auf einem Grundstück anderer Eigentümer empfehle.

Stadt mit „Verschiebung“ auf den Boulevard einverstanden

Damit war für die städtischen Vertreter klar, dass nun die Alternative in die Diskussion gebracht werden sollte, die ja auch bereits die Jury empfohlen hatte: Den Standort im Boulevard, den schon 2015 das Planungsteam auf dem Grundstück vorgesehen hatte. Auch der Künstler und die Betroffenen haben sich jetzt mit diesem Standort einverstanden erklärt.

Inzwischen sieht der Investor offenbar eine Ecke an der KVB-Haltestelle Clevischer Ring als geeigneten Standort für das Mahnmal. Dass es von dort nicht mehr vom Anschlagsort aus zu sehen ist, scheint unwichtig. Möglich sei auch ein Platz in dem Park, der an der Schanzenstraße entstehen soll.

Dass in der Kulturausschuss-Sitzung Walter Wortmann, für die Freien Wähler Köln als beratendes Mitglied in den Ausschuss gesandt, sich in der Ausschuss-Sitzung gegen die „Größe“ des Denkmals aussprach und eine Gedenkplakette oder einen Straßennamen für ausreichend hält, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.

Autor: ehu
Foto: So stellt sich der Berliner Künstler Ulf Aminde sein virtuelles Denkmal für die Opfer des Nagelbomben-Attentats in der Keupstraße vor.