Düsseldorf | Der rot-grünen Landesregierung droht eine langanhaltende Diskussion über den Bau neuer Einrichtungen für psychisch kranke Straftäter. Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) kündigte am Dienstag in Düsseldorf an, in den kommenden Jahren fünf neue Kliniken errichten zu wollen. Damit soll auf die steigende Zahl von psychisch kranken und suchtkranken Straftätern reagiert werden. Betroffen sind Wuppertal, Lünen, Haltern am See, Hörstel (Kreis Steinfurt) und Reichshof (Oberbergischer Kreis). In den Kommunen regt sich großer Widerstand.

Derzeit gibt es in Nordrhein-Westfalen rund 2.400 Plätze in 14 forensischen Kliniken. Der Bedarf ist allerdings weitaus höher. Patienten werden deswegen in allgemeinen Psychiatrien oder in anderen Bundesländern untergebracht. Auch zu Überbelegungen in den bestehenden Kliniken kommt es. Da sich die Zahl der Patienten im Maßregelvollzug in den vergangenen zehn Jahren um zwei Drittel erhöht habe und voraussichtlich weiter steigen werde, brauche das Land bis 2020 rund 750 zusätzliche Klinikplätze, sagte Steffens.

Da sich bislang nicht alle Regionen in NRW an der Behandlung und Unterbringung der Patienten beteiligen, traf die Landesregierung zunächst eine Vorauswahl. Die neuen Standorte sollten in den Landgerichtsbezirken Bonn, Dortmund, Essen, Münster und Wuppertal errichtet werden. Alle 125 Städte und Gemeinden wurden informiert und konnten Vorschläge machen. Am Ende wurden fünf Standorte ausgewählt – darunter ein ehemaliges Munitionsdepot der Bundeswehr, ein ehemaliger NATO-Flugplatz und das Grundstück einer Zechenanlage.

Gesundheitsministerin Steffens informierte am Montag die Bürgermeister der fünf betroffenen Städte und Gemeinden. Zudem will sich die Grünen-Politikerin „der Diskussion vor Ort stellen“ und an jedem Standort an Veranstaltungen teilnehmen. Ziel sei es, den Anwohnern ihre Befürchtungen zu nehmen. „Ich möchte nicht, dass Menschen in Nordrhein-Westfalen unbegründet Angst haben“, sagte Steffens.

In dem Zusammenhang wies die Ministerin darauf hin, dass es in den forensischen Kliniken, die in den vergangenen zehn Jahren gebaut wurden, keine Ausbrüche gegeben habe. Zudem würden hohe Sicherheitsstandards wie meterhohe Mauern und Zäune sowie umfangreiche Videoüberwachungen gelten. Dennoch rechnet Steffens damit, dass es an den geplanten Standorten „hoch emotionalisiert zugehen kann“.

Geballte Ablehnung aus betroffenen Kommunen

Was auf die Landesregierung in den kommenden Monaten zukommen kann, zeichnete sich bereits nach Bekanntwerden der Entscheidung ab. Nur wenige Minuten nach der Veröffentlichung teilte Wuppertals Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) mit, dass sein Standort „gänzlich ungeeignet“ sei, da er mitten in einem Wohngebiet liege. Zudem nehme die Stadt mit der neuen Justizvollzugsanstalt in Ronsdorf bereits Belastungen in Kauf.

Noch deutlich weiter in seiner Kritik ging der Bürgermeister der Gemeinde Reichshof, Rüdiger Gennies: „Ich sehe das sehr kritisch und lehne das von Grund auf ab“, sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur dapd. Für die Bevölkerung bestehe ein „nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial“, weswegen seine Gemeinde auch rechtliche Möglichkeiten prüfen werde. Der Bürgermeister von Haltern am See, Bodo Klimpel (CDU), zeigte sich „überrascht und schockiert“. Da der Standort mitten in einem Naherholungsgebiet liege, müsse mit sinkenden Touristenzahlen gerechnet werden.

Dass der Bau einer Einrichtung für den Maßregelvollzug ordentlichen Zündstoff birgt, zeigt das Beispiel Herne. Bevor dort Anfang 2011 eine forensische Klinik eröffnete, kochten die Emotionen in der Ruhrgebietsstadt hoch. Doch auch Unterschriftensammlungen, Demonstrationen und eine Klage der Stadt bis vor das Bundesverwaltungsgericht vermochten den Bau nicht zu verhindern.

Autor: Christian Wolf, dapd