Köln | Es ist Freitag Nachmittag im Körners in Köln-Riehl. Nebenan der Kölner Zoo, in der Kneipe tippen Anneliese, Frank und Martina für den FC. Ihre Tipps stehen mit Kreide auf einer Tafel. Von oben blickt ein Plastikgeisbock herab und Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, spricht beim Stadtteilgespräch, initiiert von Landtagskandidat Andreas Kossiski über Steuerfahnder, gekaufte CD-Roms mit den Daten von Steuerhinterziehern und über Anständigen und Unanständigen. Nach dem Stadteilgespräch sprach Stefan Ehrhardt mit dem NRW-Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans.

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Andreas Kossiski und Dr. Norbert Walter-Borjans, beide SPD, beim Stadtteilgespräch in Köln-Riehl

Der Staat muss handlungsfähig bleiben

Ein Mann setzt sich an einen der Tische und sagt: „Die Sozis wähle ich nicht, aber dass er (gemeint ist Norbert Walter-Borjans, Anm. d. Redaktion) die Steuer-CDs aufgekauft hat, das rechne ich ihm hoch an. Wählen werde ich ihn trotzdem nicht. Richten Sie ihm das aus.“ Sagt es und setzt sich vor der Kneipe in die Sonne. Drinnen spricht Walter-Borjans vor Kölner Dom und Altstadtpanorama aus Neonlämpchen und kleiner Kulisse. Er plädiert für einen handlungsfähigen Staat, der in Infrastruktur, Breitband, Hochschulen, Sicherheit und Zusammenhalt der Gesellschaft investieren könne und warnt vor dem Versprechen mancher Bundespolitiker die Steuern um 30 Milliarden Euro zu senken. Dann fehlten den Ländern 15 Milliarden, denn so viel müssten sie bei einer Steuerentlastung zusteuern und nicht nur das, auch den Kommunen fehle das Geld, dass das Land weiterreiche. Die würden dann etwa an der Gewerbestreuerschraube drehen und damit die Mehrheit belasten und so würden wieder nur die Millionäre entlastet. Walter-Borjans plädierte dafür die kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten. Dazu zählt er vor allem die Familien mit Kindern. Auch müssten die Menschen in Deutschland in Würde alt werden können und nicht nach einem langen Arbeitsleben auf Transferleistungen angewiesen sein. Dies, so der NRW-Finanzminister, sei sonst für ein reiches Land wie Deutschland beschämend.

Die CD-Roms brachten 6,3 Milliarden an Rückzahlungen bundesweit

Das Land NRW habe 11 CD-Roms gekauft und dafür 20 Millionen Euro gezahlt. Diese 20 Millionen hätten zu einem Rückfluss an Nachzahlungen von 6,3 Milliarden Euro geführt, so Walter-Borjans. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble habe sich zur Hälfte an den Kosten beteiligt, die andere Hälfte haben NRW und die anderen Länder bezahlt. Auch Bayerns Finanzminister Markus Söder habe sich beteiligt, fügt der NRW-Politiker extra hinzu. Am Ende haben die Steuer-CD-Roms das Land NRW rund zwei Millionen Euro gekostet und 2,3 Milliarden an Steuernachzahlungen eingebracht. Menschen die Steuer hinterziehen seien keine „Steuersünder“, sondern vergingen sich an der Allgemeinheit und begingen eine schwere Straftat. Daher habe er in NRW der Steuerfahndung den Rücken gestärkt, so Walter-Borjans.

An den Pranger stellte der NRW-Finanzminister auch die Unternehmen, die sich Steuer erstatten lassen, die sie nicht bezahlt haben oder die das europäische ungleiche Steuersystem ausnutzten und legal Geld verschöben, um Steuern zu sparen. Er nannte Apple, Ikea oder Google. Diese Unternehmen profitierten von den Leistungen des Staates und seien nicht bereit sich an den Lasten zu beteiligen. Als ein Beispiel nannte Walter-Borjans das Unternehmen Starbucks. Die Kaffeeröster nutzen einen Trick. Die Niederlande gewähren innovativen Produkten eine geringe Steuer von nur fünf Prozent. Das nutzt Starbucks aus und sendet, so der NRW-Finanzminister, die Rezepte für das Rösten des Kaffees benötigt werden, nach Deutschland und lässt sich diese bezahlen. So fließt der Gewinn in die Niederlande mit dem niedrigen Steuersatz und der Sondersteuer von nur fünf Prozent.

„Unanständigkeit darf sich nicht lohnen“

Es gehe ihm beim Thema Steuergerechtigkeit, so Walter-Borjans, nicht um unten gegen oben, links gegen rechts, sondern um anständig und unanständig. „Unanständigkeit darf sich nicht lohnen“, so der Appell des Ministers. Dem deutschen Staat gingen jedes Jahr Milliardensummen im dreistelligen Bereich verloren, so der Minister. Wenn es gelänge davon zehn bis 15 Prozent abzuschöpfen, dann stünden dem Staat 15-20 Milliarden Euro jedes Jahr mehr für Infrastruktur, Bildung und Soziales zur Verfügung. Walter-Borjans monierte zudem, dass Arm und Reich immer stärker auseinanderdriften. So haben 38 Haushalte mit rund 200 bis 250 Personen mehr Vermögen als die Hälfte aller Bundesbürger. Dies störe den Zusammenhalt in der Gesellschaft, der aber allen nutze.

Industrielle Arbeitsplätze in Köln erhalten

Andreas Kossiski, MdL und Kandidat der SPD für Nippes und Chorweiler, unterstützte seinen Parteifreund. Die Arbeit des Finanzministers habe es ermöglicht, dass 2.000 bis 2.300 neue Polizisten in NRW eingestellt werden könnten. Dazu zählten aber auch die Förderung der Kitas oder dass es in NRW keine Studiengebühren gebe. Innenminister Ralf Jäger und er wollen, dass die Zahl der Veedelsbeamten erhöht werden, denn sie seien der Ansprechpartner der Menschen vor Ort, wenn es Probleme gebe. Für Köln, so Kossiski bedeute dies, dass nicht nur das Domumfeld durch mehr Polizeibeamte bestreift werde, sondern auch die Veedel berücksichtigt werden. Andreas Kossiski, der auch Vorsitzender des DGB in Köln ist, zeigte sich erbost über die Haltung von CDU und Grünen, die der Verlust der 50 industriellen Arbeitsplätze der Ellmühle in Köln nicht schmerze. Die Ellmühle verlässt den Standort Köln in Richtung Krefeld, weil die Stadt ein neues Quartier am Deutzer Hafen errichten will. Köln brauche industrielle Arbeitsplätze, mahnte Kossiski.

Autor: Stefan Ehrhardt, Andi Goral