Berlin/Köln | Der ehemalige nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD) hat den Vorwurf zurückgewiesen, nach dem NSU-Anschlag in der Kölner Keupstraße im Jahr 2004 frühzeitig einen rassistischen Hintergrund der Tat ausgeschlossen zu haben. Er habe dies öffentlich nicht so dargestellt und „keinerlei Weisung in diese Richtung gegeben“, sagte Behrens am Donnerstag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages in Berlin.

Allerdings räumte der SPD-Politiker auch Fehler ein. Er habe bis zum Auffliegen des NSU einen Zusammenhang zu den anderen Taten der Terrorgruppe nicht für möglich gehalten und sprach von einer „fatalen Fehlentscheidung mit verheerenden Folgen“. Zudem wäre es richtig gewesen, unmittelbar nach dem Anschlag zum Tatort zu fahren.

Die Ermittlungen nach dem Nagelbombenanschlag, bei dem 22 Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden, fokussierten sich sehr schnell auf einen Hintergrund im Bereich Organisierte Kriminalität. Der Begriff „Terroristischer Anschlag“ wurde noch am Tattag aus einem Rundschreiben der Polizei wieder rausgestrichen. Nach heutiger Kenntnis war die rechtsextreme Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) für das Attentat verantwortlich. Dem NSU werden zudem zehn Morde und ein weiterer Bombenanschlag in Köln 2001 zur Last gelegt.

Die Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion im Untersuchungsausschuss, Eva Högl, hob nach der Sitzung hervor, dass Behrens die Richtung der Ermittlungen nicht beeinflusst habe. Dennoch hätte es eines „größeren Engagements“ des Ministers bedurft. Zu kritisieren sei unter anderem, dass Behrens den Opfern des Anschlags nicht vor Ort seine Anteilnahme aussprach und sich im Laufe der Ermittlungen mit „Wasserstandsmeldungen“ der Polizei zufriedengab. Dadurch habe er auch nicht erkennen können, dass einem möglichen fremdenfeindlichen Hintergrund „nicht mit der erforderlichen Intensität nachgegangen wurde“, sagte Högl.

LKA betrieb Scheinfirma am Anschlagsort

Unterdessen wurden neue Details rund um die Ermittlungen zum Anschlag bekannt. Die Polizei hat offenbar fast zwei Jahre lang die türkischen und kurdischen Anwohner der Keupstraße gezielt ausgeforscht. Laut einem Bericht des „Kölner Stadt-Anzeigers“ setzte das Landeskriminalamt NRW zu diesem Zweck zwischen Juni 2005 und Februar 2007 zwei verdeckte Ermittler und fünf Vertrauenspersonen ein. Das LKA richtete eine Scheinfirma ein, die Räume in der Keupstraße anmietete, wie die Zeitung aus einem LKA-Bericht aus dem Juni 2007 zitiert.

Ziel der Aktion soll gewesen sein, dass Ermittler und Vertrauenspersonen leichter ein Vertrauensverhältnis zu den Anwohnern aufbauen konnten. Offenbar mit Erfolg: Laut Bericht entwickelten die Ermittler „einen engen persönlichen Kontakt zu türkischen Betreibern von Lokalen, Restaurants und anderen Geschäften auf der Keupstraße sowie zu den regelmäßig dort verkehrenden Gästen“. Das Verhältnis erreichte einen „hohen Grad an Vertrautheit“.

Das Landeskriminalamt wollte sich am Donnerstag zu dem Bericht nicht näher äußern. Ein Sprecher bestätigte auf dapd-Anfrage lediglich, dass es auf Bitten der Kölner Polizei verdeckte Maßnahmen gegeben habe. Wie diese aussahen und welchen Umfang sie hatten, könne mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht näher beschrieben werden.

Autor: Johann Tischewski und Christian Wolf, dapd