YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Köln | Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat auf die Tagesordnung der morgigen Ratssitzung die Wahl einer/s Beigeordneten für das Dezernat IV ohne Vorschlag eines Namens gesetzt und parallel dem Rat nahegelegt das aktuelle Verfahren zu beenden und ein neues Verfahren aufzusetzen. Reker bringt dafür juristische Gründe vor, ohne diese näher auszuführen. Ein Rechtsgutachten von Rechtsanwalt Dr. Knirsch im Auftrag der SPD-Fraktion widerspricht der Oberbürgermeisterin fundamental und sieht in ihrem Handeln und des Rekerbündnisses aus CDU, Grünen und FDP, sollten sich diese morgen für ein neues Verfahren entscheiden, sogar Rechtsunsicherheit für die Stadt. Reker manövriert den Rat und die Ratsmitglieder in eine unmögliche Situation mit negativen Auswirkungen für die Stadt und vor allem die Eltern, die schulpflichtige Kinder haben.

Oberbürgermeisterin legt an dieses Verfahren andere Maßstäbe, als an ihre eigene Bewerbung als Sozialdezernentin

Die Oberbürgermeisterin behauptet in ihrer Empfehlung an den Kölner Rat: „Durch Berichterstattungen ist bereits vor der Einladung zu diesem Vorstellungsgespräch der öffentliche Eindruck einer Vorfestlegung auf eine bestimmte Kandidatin entstanden. Dies hat bei mehreren Bewerberinnen bzw. Bewerbern zu Irritationen und Nachfragen geführt, ob bereits ein Vorschlag feststehe und überhaupt noch zu Gesprächen eingeladen werde. Um in diesem Zusammenhang jeglichem Verdacht eines rechtswidrigen vorzeitigen Ausschlusses von Bewerberinnen oder Bewerbern zu begegnen und ein rechtlich ordnungsgemäßes Auswahlverfahren zu gewährleisten, wird empfohlen, das Verfahren zu beenden und neu aufzusetzen. Allen Bewerberinnen und Bewerbern steht es frei, sich in diesem Verfahren erneut zu bewerben.“

Alleine die Interpretation, dass sich eine Fraktion oder deren Ratsmitglieder nicht  festlegen dürften, entspricht nicht dem Willen der NRW Gemeindeordnung. Es ist vorgesehen, dass sich Ratsmitglieder informieren, ja es ist sogar die Aufgabe der Oberbürgermeisterin, dies zu ermöglichen. Hier muss sich die Oberbürgermeisterin auch fragen lassen, wie denn politische Mehrheiten entstehen sollen, wenn sich Ratsmitglieder nicht über Inhalte oder Personalien austauschen könnten, sich festlegen dürften, um dann Abstimmungsergebnisse zu erzielen. Dies stellt auch das Rechtsgutachten dar.

Dass solch ein Meinungsbild an die Öffentlichkeit durchsickere, stelle, so Dr. Knirsch, keinen rechtlich relevanten Verfahrensmangel dar, der weiter ausführt: „Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, die Information nach Ende der Bewerbungsfrist an die Öffentlichkeit gelangt ist und die Bewerberliste vollständig vorliegt. Hinweise, dass Ratsmitglieder sich vergeblich bemüht haben, rechtzeitig Informationen über die eingegangenen Bewerbungen zu erhalten, liegen nicht vor.“ Wäre der letzte Punkt relevant, so hätte die Oberbürgermeisterin rechtswidrig gehandelt, denn sie ist gegenüber allen Ratsmitgliedern und Fraktionen gegenüber auskunftspflichtig in diesem Bewerbungsverfahren.

Besonders irritierend ist die Auffassung der Oberbürgermeisterin, wenn man die Bewerbungsverfahren um Kölner Dezernentenstellen der letzten Jahre betrachtet. Dazu gehört auch Rekers eigene Bewerbung als Sozialdezernentin. Die war neun Tage vor der Abstimmung im Rat bekannt. Damals hatten die Grünen das Vorschlagsrecht. Die Bewerbungsfrist endete am 10. September 2010, „Der Westen“ und die „WAZ“ berichteten am 28. September 2010 und Reker wurde am 7.10.2010 im Rat gewählt. Zwei Tage vor der Wahl von Kämmerin Doerte Diemert, wieder Vorschlag der Grünen, berichteten am 6. November 2018 die Medien aus dem Haus DuMont und die „WAZ“ über die Personalie. Am 8.November 2018 wählte der Kölner Rat Diemert zur Kämmerin. Auf Vorschlag der CDU wählte der Rat am 26. Februar 2018 den neuen Baudezernenten Greitemann. Bereits am 1. Februar berichtete der Kölner „Express“ über die Personalie. Sogar elf Wochen vor seiner Wahl meldete die „Rheinische Post“ die Personalie Stephan Keller, CDU, dass dieser neuer Stadtdirektor in Köln werde. Dies geschah am 6. Juli 2016. Keller wurde am 22. September 2016 durch den Rat gewählt. Auch die Personalie der neuen Verkehrsdezernentin Blome war 14 Tage vorher bekannt, wie die Wahl von Rekers Nachfolger Harald Rau, der sechs Tage vorher bekannt war. Also alle Dezernentinnen und Dezernenten, übrigens alle von Grünen und CDU vorgeschlagen, waren vor ihrer Wahl bekannt. Alleine diese Liste beweist, dass es in Köln üblich ist, dass Bewerber vor ihrer Wahl der Öffentlichkeit bekannt sind.

Beschließt der Rat ein neues Verfahren ohne das alte rechtsgültig abzuschließen handelt er rechtswidrig

Wenn der Rat morgen mit den Stimmen des Rekerbündnisses aus CDU, Grünen und FDP dem Vorschlag der Oberbürgermeisterin folgt und das erste Verfahren beendet und ein neues Verfahren aufsetzt handelt er rechtswidrig. Denn dann hält er sich nicht an die Grenzen der vom Bundesverfassungsgericht ausformulierten Grundsätze zum Abbruch von Auswahlverfahren und dem von jeder öffentlichen Gewalt zu beachtenden Willkürverbot, so Dr. Knirsch. Wie verfahren die Situation ist zeigt der Umstand, dass dann die Oberbürgermeisterin, die den Rat zum Rechtsbruch auffordert, diese rechtswidrige Abstimmung rügen muss. Schreitet sie nicht ein, ist die Kommunalaufsicht, in diesem Fall die Bezirksregierung Köln gefordert. Wie kann es sein, dass die Oberbürgermeisterin sich in eine solche Situation gebracht hat und ihr CDU, Grüne, FDP und sogar AfD beispringen? Hat die Oberbürgermeisterin das Rechtsamt eingeschaltet? Den Rechtsdezernenten und Stadtdirektor, Dr. Stephan Keller? Ausgerechnet den Dezernenten, dessen Bewerbung bereits elf Wochen vor seiner Wahl geleakt war?

Bewerber aus dem ersten Verfahren könnten klagen, wenn der der Rat das aktuell laufende Verfahren abbricht. Dies stellt das Rechtsgutachten von Dr. Knirsch deutlich dar. Er stellt in seinem Fazit fest: „Es ist kein rechtserheblicher Verfahrensmangel im Ausschreibungs- und Auswahlverfahren bei der Besetzung der Stelle der/des Beigeordneten für das Dezernat IV – Bildung, Jugend und Sport der Stadt Köln ersichtlich. Eine Aufhebung der Ausschreibung und Neuausschreibung der Stelle wäre rechtswidrig und würde dem Bewerbungsfverfahrensanspruch der Bewerberinnen und Bewerber im vorliegenden Verfahren verletzen.“ Er empfiehlt dem Rat der Stadt Köln: „Dem Rat der Stadt Köln ist zu empfehlen, in der Ratssitzung am 14. Februar 2019 unter Punkt 10.31 ‚Wahl einer/eines Beigeordneten für Dezernat IV – Bildung, Jugend und Sport‘ eine Wahlentscheidung zu treffen. Einen Beschlussvorschlag der Oberbürgermeisterin bedarf es dafür nicht.“

Die Kölner SPD stellte das Rechtsgutachten von Dr. Knirsch nicht nur der Öffentlichkeit vor, sondern auch allen Ratsfraktionen zur Verfügung. Gleichzeitig stellte der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Joisten dar, dass die SPD auf die Einhaltung des ersten Verfahrens bestehe, um Schaden von der Stadt Köln fernzuhalten, nicht nur im rechtlichen Sinn. Es gehe der Kölner SPD vor allem darum, dass dieses wichtige Dezernat wieder besetzt wird und nicht monatelang verwaist. Fragen wirft das Verhalten der Oberbürgermeisterin auch gegenüber den Bewerbern auf. Diesen lapidar mit auf den Weg zu geben, sie könnten sich ja im nächsten Verfahren wieder bewerben, spricht nicht gerade für einen respektvollen Umgang mit Bewerberinnen und Bewerbern.

Autor: Andi Goral