Köln | Im Rahmen der Wahl des neuen Dezernenten für das Ressort „Stadtentwicklung, Digitales, Wirtschaft und Regionale Zusammenarbeit“, des CDU-Geschäftsführers Niklas Kienitz veröffentlichte der „Kölner Stadtanzeiger“ ein ihm vorliegendes Papier einer interfraktionellen Zusammenarbeit in der Stadtwerke Affäre 2018. Daraus entspann sich eine Debatte in der Kölner Stadtgesellschaft über Vertrauen in die politisch Handelnden im Kölner Stadtrat. Der CDU-Fraktionsvorsitzende und CDU-Vorsitzende Bernd Petelkau spricht jetzt von „Fake News der Kölner Medien“. Die deutsche Journalistenunion „DJU“ protestiert und der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall fragt Petelkau in einem Posting: „Nutzen Sie jetzt bewusst manipulative Trump-Vokabeln, um professionelle Medien zu diskreditieren?“ Die Bündnis-Partner der Kölner CDU im Rat Grüne und Volt halten sich zu dem Skandal-Post zurück.

Der Fall und die Dezernentenwahl

Niklas Kienitz ist vom Kölner Stadtrat in geheimer Wahl mit einem äußerst mageren Ergebnis von 56,18 Prozent zum Beigeordneten für „Stadtentwicklung, Digitales, Wirtschaft und Regionale Zusammenarbeit“ am Donnerstag gewählt worden. Im Vorfeld dieser Wahl wurde die Nominierung und Wahl von Kienitz in der Blase der Kölner Polit- und Stadtgesellschaft hitzig debattiert. Der Grund: Dem „Kölner Stadtanzeiger“ wurde ein geheimes Papier der interfraktionellen Zusammenarbeit zwischen CDU, Grünen und SPD zur Stadtwerke-Affäre zugespielt, dass dieser professionell veröffentlichte und mit einem Sceenshot öffentlich dokumentierte. 2018 führten Kienitz und Petelkau die Ratsfraktion der CDU. Beide kannten den Inhalt hatten ihn verhandelt und unterzeichnet. Sie hatten geschwiegen und innerhalb der Kölner CDU-Fraktion hatte die Affäre keine Auswirkung, anders als bei den Fraktionen von SPD und Grünen. Die Kölner CDU und ihre Fraktionsführung saß die Affäre aus.

Der Petelkau-Skandal-Post

Der Skandal-Post begann auf der Facebook-Seite von Bernd Petelkau. Da schrieb der CDU-Vorsitzende: „Herzlichen Glückwunsch an Niklas Kienitz zur Wahl zum neuen Dezernenten für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionales und zum heutigen Amtsantritt von Stadtdirektorin Andrea Blome. Ein guter Tag für Köln.“ 144 Personen gefiel dies und 36 Menschen kommentierten, 11 Mal geteilt. (Abruf 27. Juni, 13:04. Unter anderem ein Werner M. kommentierte: „Man kennt sich – man hilft sich. Auf lange Sicht wird so aber das Vetrauensfundament zerstört. Aber egal – die einzelne Person hat ihr Einkommen und was danach kommt interessiert nicht.“ Das scheint Petelkau erzürnt zu haben und er rekommentierte: „Werner M. Sie sollten nicht den Fake News der Kölner Medien hinterherlaufen. Die Wahl ist das Ergebnis eines ordentlichen Besetzungsverfahren unter Führung der Oberbürgermeisterin und unter Beteiligung eines neutralen Personalberaters. Herr Kienitz hat sich im Auswahlverfahren gegen eine große Zahl von weiteren Bewerbern durchgesetzt.“

Auch einem weiteren Kommentatoren, der die Wahl des Dezernenten kritisiert antwortet Petelkau mit dem „Fake-News“-Vorwurf an die Kölner Medien. Es war also nicht ein einsamer Ausrutscher des CDU-Chefs, sondern scheint seine tiefe Überzeugung zu sein. Die Kommentatoren werfen Petelkau ein Verhalten wie Trump vor oder zumindest „Trumpsche Realitätsverweigerung“.

Die Reaktionen auf den Skandal-Post

Der Chefredakteur des „Kölner Stadtanzeiger“ Carsten Fiedler reagierte auf den Petelkau-Vorwurf mit einem Facebook-Post und fragte: „Sehr geehrter Herr Bernd Petelkau, was genau sind denn die Fake News, die sie den Kölner Medien vorwerfen? Beziehen Sie sich darauf, dass der heute zum Dezernenten gewählte CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz an der Ausarbeitung des in letzter Minute geplatzten Klüngel-Personalpaketes in der Stadtwerke-Affäre 2018 beteiligt war? Und darüber drei Jahre geschwiegen hat, während andere Konsequenzen ziehen mussten? War an der Berichterstattung des ‚KSTA‘ irgend etwas falsch? Obwohl uns das geheime Klüngel-Papier samt Unterschriften vorliegt?“

Der Bundesvorsitzende des Kölner Journalistenverbandes (DJV) Frank Überall postete auf seiner Facebook-Seite: „Das ist schon heftig von Bernd Petelkau. Welche Fake News sollen Kölner Medien genau verbreitet haben? Oder nutzen Sie jetzt bewusst manipulative Trump-Vokabeln, um professionelle Medien zu diskreditieren?“

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in Verdi Köln fordert die Kölner CDU auf „sich umgehend von Äußerungen ihres Fraktionsvorsitzenden Bernd Petelkau zu distanzieren.“

„Aufgabe der Medien in einer demokratischen Gesellschaft ist es, politische Zusammenhänge aufzuklären und Missstände aufzudecken. Nichts Anderes haben die Kolleginnen und Kollegen in diesem Fall getan“, sagt Peter Freitag, Mitglied im Vorstand der dju Köln und stellvertretender Bundesvorsitzender der dju. „Wenn Herr Petelkau dann wider besseres Wissen von Fake News spricht, ist das mehr als befremdlich.“ Weiter heißt es in der Presseerklärung der dju: Aufgabe demokratischer Parteien sei es, die Pressefreiheit zu verteidigen. Petelkau reihe sich mit seiner Entgleisung stattdessen in die Gruppe jener ein, die mit dem vor allem von Rechtspopulisten verwendeten Kampfbegriff „Fake News“ versuchten, Journalistinnen und Journalisten zu diskreditieren. „Eine Entschuldigung von Herrn Petelkau und eine Klarstellung der Kölner CDU, dass sie das Prinzip der Pressefreiheit uneingeschränkt unterstützt, ist das Mindeste, was die Öffentlichkeit erwarten kann“, so Freitag. „Als größte deutsche Mediengewerkschaft steht die dju in ver.di Herrn Petelkau gern für Nachhilfe beim Thema Presse- und Medienfreiheit zur Verfügung.“

Belasten die Postings Petelkaus das Ratsbündnis?

Was sagen eigentlich die Bündnispartner der Kölner CDU-Fraktion die Grünen oder Volt zu den Postings? Es bleibt an dieser Stelle ruhig, wie die Grünen auch schon die Wahl von Kienitz, obwohl sie den Kontext kannten, mittrugen. Die Frage ist: überschreitet der mächtigste Mann des Bündnispartners der Grünen Bernd Petelkau hier nicht rote Linien?

Zu roten Linien könnte es hilfreich sein, an eine Rede der grünen Ikone Claudia Roth zu erinnern. So mahnte die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, Grüne, beim NRW-Journalistentag des DJV im November 2018 in ihrem Impulsvortrag zur Verrohung der Sprache der politischen Kultur und dem Umgang der Medien damit: „Umso wichtiger ist es, immer wieder daran zu erinnern, wie bedeutsam einerseits das hohe Gut der Meinungs- und Redefreiheit ist. Dass diese aber auch Grenzen braucht, um zu bestehen. Hass und Hetze sind eben keine Meinung, sie sind ein Angriff auf uns alle. (…) Nicht zuletzt gegen Medienvertreterinnen und -vertreter. Was hier gerade passiert ist kein Zufall, kein Spiel, kein Geplänkel – sondern ein gezielter Angriff auf die Grundlagen unserer Demokratie, auf Moral und Ethik, auf den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. … Wir müssen die richtige Balance finden und konsequent weiter daran arbeiten, was die Menschen bewegt und beschäftigt. Zugleich aber müssen wir richtigstellen und aufklären, müssen Kontext herstellen.“

Nichts anderes machen die Kölner Medien in der aktuellen Situation: Sie stellen richtig, klären auf und Kontext her. Das Roth damit die weiter rechts aussenstehenden Konservativen der AfD meinte ist klar, aber gilt dies nicht auch für die Konservativen der CDU?

Autor: red
Foto: Screenshot des Posting-Dialoges zwischen Werner M. und dem CDU Chef von Köln Bernd Petelkau