Düsseldorf | Ein Twitter-Eintrag des nordrhein-westfälischen Piraten-Abgeordneten Dietmar Schulz zum Nahost-Konflikt hat Empörung ausgelöst. Schulz hatte am Sonntag (Volkstrauertag) das Gedenken an die Holocaust-Opfer mit der israelischen Militäroffensive gegen die islamistische Hamas im Gaza-Streifen in Zusammenhang gebracht. Er bat am Montag um Entschuldigung und sprach von Missverständnissen.

„Grotesk: Gedenken der Opfer von Gewaltherrschaft und Krieg auf jüdischem Friedhof während Israel bombt, was das Zeug hält“, schrieb Schulz in dem Kurznachrichtendienst. Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) nannte die Äußerung am Montag „unerträglich“: „Wer die systematische Ermordung von Millionen von Juden während der Nazi-Diktatur mit der heutigen Gefahr eines Krieges im Nahen Osten verknüpft, verhöhnt die Opfer der NS-Verbrechen ein zweites Mal.“

Landtags-Vizepräsident Eckhard Uhlenberg (CDU) sprach in der „Bild“-Zeitung (Dienstagausgabe) von einer „ungeheuren Entgleisung“ des Piraten-Politikers. „Aufrechnen und vergleichen ist unsäglich und gehört sich nicht. Herr Schulz sollte erst einmal nachdenken, bevor er sich äußert. Diese gedankenlose Twitterei schadet dem Ansehen der Politiker und setzt die Würde des Parlaments herab.“

Die Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen, Sigrid Beer, sagte zu „Bild“: „Dieses unsägliche Vermischen von Holocaust und dem Handeln des Staates Israels erschreckt mich zutiefst. Ich erwarte von einem Landtagsabgeordneten, dass er nachdenkt vor dem Twittern. Wir dulden keine antisemitischen Äußerungen aus dem Parlament.“

Piraten weisen Antisemitismus-Vorwurf zurück

Die Piraten-Fraktion wies die Kritik zurück. Es sei „völlig abwegig“, der Partei oder der Fraktion Antisemitismus vorzuwerfen, teilte der Vorstand mit. Doch sei der Tweet von Schulz „offensichtlich missverständlich“ formuliert.

Auch Schulz selbst nahm Stellung und betonte, die Äußerung „hatte und hat nicht die Absicht, das Gedenken der Opfer von Gewaltherrschaft und Krieg in Mitleidenschaft zu ziehen oder gar zu diskreditieren.“ Er bedaure zutiefst, wenn sich Opfer oder Angehörige von Opfern durch den Tweet in ihrer Ehre und dem Andenken verletzt fühlten. Zudem entschuldigte sich der Abgeordnete „für die – wenn auch aus meiner Sicht fernliegende – Schaffung der nicht ausschließbaren Grundlage für eine solche, nicht beabsichtigte Interpretationsmöglichkeit.“

Er weise den Vorwurf des Antisemitismus‘ oder der Leugnung des Holocaustes zurück. „Meine Äußerung sollte die Besorgnis über die Eskalation kriegerischer Auseinandersetzungen in Israel und dem Gaza-Streifen zum Ausdruck bringen.“

Die Piraten waren jüngst bereits wegen mehrerer anzüglicher Twitter-Äußerungen ihrer Abgeordneten Birgit Rydlewski in die Kritik geraten. Sie hatte freizügig über ein gerissenes Kondom und den daraus folgenden HIV-Test berichtet. Vergangene Woche ärgerte sie sich via Twitter über die Länge der Plenarsitzungen.

Der Ältestenrat des Landtags will sich am Mittwoch mit Rydlewskis Twitter-Äußerungen befassen. Es wird erwartet, dass nun auch die Äußerung von Schulz Thema sein wird.

Autor: Frank Bretschneider und Helena Baers, dapd