Düsseldorf | Prügelnde Hooligans, in dunklem Rauch versunkene Fantribünen und immer wieder bengalische Feuer auf den Zuschauerrängen: Abseits spannender Spiele und spektakulärer Tore sorgt der deutsche Fußball seit Monaten für negative Schlagzeilen. Leidenschaftlich und hoch emotional wird quer durch die Republik darüber diskutiert, wie die Sicherheit in und um die Stadien herum verbessert werden kann. Vereine, Verbände, Fans und Polizei reden dabei immer öfter über- statt miteinander.

Im Düsseldorfer Landtag haben sich an diesem Donnerstag alle Seiten den Fragen der nordrhein-westfälischen Abgeordneten gestellt und siehe da: Es geht auch anders. Unaufgeregt, sachlich und in weiten Teilen darauf bedacht, für Verständnis zu sorgen, präsentierten sich die Vertreter von DFB, DFL und mehrerer Fangruppierungen. Nur die Polizeigewerkschaften zeigten sich unnachgiebig.

Als höchster Vertreter der deutschen Profivereine war der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga, Andreas Rettig, der Einladung des Innenausschusses gefolgt. Vor rund drei Monaten hatte die DFL mit der Verabschiedung ihres umstrittenen Sicherheitskonzepts noch große Proteste in den Reihen der Fans ausgelöst.

Mit zeitlichem Abstand zeigte sich Rettig nun versöhnlich. Man habe es nicht geschafft, die Fans in diesem Prozess mitzunehmen, sagte er. Er träume von einem „Fan-Parlament“, in dem die Heterogenität der Szene abgebildet werde. Allerdings dürfe die Kommunikation auch keine Einbahnstraße sein. „Dieser falschverstandene Korpsgeist in den Kurven, die Straftäter zu decken, muss aufhören“, sagte der Fußballfunktionär.

Viel deutlicher im Ton präsentierten sich die Vertreter der Polizei, die die Situation jedes Wochenende vor Ort erleben. Zwar seien 99 Prozent der Fans friedlich. Eine Gruppe von 4.000 Personen habe allerdings andere Vorstellungen vom Fußball und nutze die Bühne für Krawalle, sagte der NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert. „Das sind Kriminelle und Straftäter.“

Bezeichnend dafür seien die Vorfälle am Dortmunder Flughafen vom Mittwochabend. Dort gerieten rund 120 Personen aus der Schalker und Dortmunder Ultraszene aneinander; es flogen Steine, und Pfefferspray kam zum Einsatz. Auf beiden Seiten fand die Polizei nachher Schlagstöcke, Baseballschläger, Messer und Sturmhauben. Plickert warnte davor, dass sich die Szene immer besser organisiere und Auseinandersetzungen vorbereitet würden.

Ultras gegen pauschale Kriminalisierung

Diesem Eindruck widersprachen allerdings die geladenen Fanvertreter aus Düsseldorf, Köln und Schalke. „Wie wollen Sie mit jungen Leuten ins Gespräch kommen, wenn Sie von vornherein sagen, die Gruppe ist höchst kriminell und muss entfernt werden“, sagte der Schalker Ultra Stefan Kleier. Die gesamte Szene könne nicht „über einen Kamm geschoren“ werden. Als „größte jugendliche Subkultur in Deutschland“ bezeichnete der Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte bei der Deutschen Sportjugend, Michael Gabriel, die Ultraszene. Diese allgemein zu verbannen und mit Repressalien gegen sie vorzugehen, verfestige nur noch das „Feindbild“ Polizei.

Unterstützung erhielten die Ultras vom Bochumer Kriminologen Thomas Feltes. Immer mehr und immer härtere Maßnahmen würden das Problem nicht lösen, sagte er mit Blick auf Stadionverbote oder Meldeauflagen. Auch dass die Gewalt zugenommen habe, sei falsch. So führe der verstärkte Einsatz von Pfefferspray seitens der Polizei automatisch zu einer steigenden Zahl der Verletzten. Stattdessen müsse die Fanarbeit „dringend nachgebessert werden“, sagte Feltes.

Dies lässt sich auch als Fazit aus der über zweieinhalb Stunden dauernden Anhörung festhalten: Mehr Unterstützung – sowohl finanziell als auch personell – für die Fanbeauftragten und Fanprojekte. Und was in der Debatte vielleicht noch stärker wiegt, ist die Bereitschaft auf allen Seiten zum Dialog. „Wir werden hier am Ball bleiben“, sagte der DFB-Sicherheitsbeauftragte Hendrik Große Lefert.

Autor: Christian Wolf, dapd