Berlin | Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) steht vor einer schwierigen Woche. Am Dienstag könnte der Fakultätsrat der Universität Düsseldorf entscheiden, ein Verfahren zur Aberkennung ihres Doktorgrades einzuleiten. Rückendeckung erhielt die 57-Jährige am Wochenende aus dem Kanzleramt. Auch sprachen sich Wissenschaftler zu ihren Gunsten aus. Die 57-Jährige will erneut für den Bundestag kandidieren – wie auch immer das Plagiatsverfahren ausgeht.

Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel stehe fest zu ihrer engen Vertrauten, heißt es laut „Spiegel“ aus der Regierungszentrale. Ein Rücktritt der Ministerin komme nicht infrage.

Schavan wird vorgeworfen, in ihrer 1980 verfassten Doktorarbeit „Person und Gewissen“ Textpassagen unsauber übernommen und Quellen nicht klar gekennzeichnet zu haben. Die Ministerin hat wiederholt beteuert, ihre Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen erstellt zu haben. In einem im vergangenen Oktober bekannt gewordenen internen Prüfbericht wurde Schavan hingegen eine „leitende Täuschungsabsicht“ bescheinigt.

Die Universität hat nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ inzwischen ihre Vorwürfe im Plagiatsverfahren etwas abgeschwächt. Die Promotionskommission erhebt demnach nicht mehr den Vorwurf, Schavan habe absichtlich getäuscht. Allerdings habe sie in Kauf genommen, gegen gängige Regeln wissenschaftlichen Arbeitens zu verstoßen. Das Gremium spreche sich weiter dafür aus, ein Verfahren zur Aberkennung des Titels einzuleiten, hieß es.

Flüchtigkeitsfehler – aber keine Täuschungsabsicht

Unterdessen streiten Wissenschaftler weiter über die Beurteilung von Schavans Dissertation. Der Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers von der Universität Zürich wertet dem „Spiegel“ zufolge die Dissertation nicht als Plagiat, obwohl sie „viele Flüchtigkeitsfehler“ enthalte. „Die Urteile der Autorin sind eigenständig, sie versteckt sich nicht hinter Dritten.“ Zwar gebe es auch Umschreibungen außerhalb der ausgewiesenen Zitate. Doch sei das in der Entstehungszeit der Arbeit üblich gewesen.

Der ehemalige Präsident der Humboldt-Universität Berlin, Christoph Markschies, sagte der „Welt am Sonntag“: „Die Mängel in der Arbeit sind offensichtlich, ich sehe jedoch keine Täuschungsabsicht.“ Er habe die Doktorarbeit gelesen und viele der Vorwürfe geprüft. „Wenn die Universität Düsseldorf in diesem Verfahren den Titel entzieht, dann müsste sich sicherlich noch vielen anderen Personen den Doktorgrad entziehen“, sagte er.

Der Experte für wissenschaftliches Arbeiten, Manuel Theisen von der Ludwig-Maximilians-Universität München, sieht die Universität Düsseldorf nach dem eindeutigen ersten Gutachten in Zugzwang: „Wenn die Prüfung einer Universität feststellt, dass es sich um einen Betrug handelt, dann ist die Entscheidung klar“, sagte Theisen. So wäre es bei „jedem x-beliebigen Studenten. Für Frau Schavan kann es keine Ausnahme von der Regel geben“.

Das Nachrichtenmagazin „Focus“ berichtete, der emeritierte Philosophieprofessor Ludger Honnefelder habe ebenfalls eine Expertise erstellt. Darin werfe er dem Gutachter der Universität vor, sich vorwiegend an formalen Textvergleichen zu orientieren. Die maßgebliche Frage, „nämlich, ob die Arbeit einen selbstständig erarbeiteten wissenschaftlichen Beitrag erbringt, der die Vergabe des Doktortitels rechtfertigt“, werde vom Berichterstatter der Universität, Stefan Rohrbacher, dagegen nicht erörtert.

Schavan will sich wieder nominieren lassen

Schavan denkt trotz der seit Monaten schwelenden Affäre um ihre Doktorarbeit nicht an Rückzug: Die CDU-Politikerin will sich in jedem Fall am Freitag als Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Ulm/Alb-Donau nominieren lassen. „Ich trete am 25. Januar an. Das bin ich der Wissenschaft schuldig“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Die 57-Jährige will auch dann kandidieren, wenn ein Verfahren zur Aberkennung ihres Doktorgrades eingeleitet wird.

Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Ulmer Gemeinderat, Thomas Kienle, sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der CDU-Kreisverband wolle an Schavans Nominierung selbst dann festhalten, wenn sie von ihrem Ministeramt zurücktreten müsse.

Schavan war stellvertretende CDU-Vorsitzende und gilt als eine der wenigen engen Vertrauten der Bundeskanzlerin. Zehn Jahre war die CDU-Politikerin Kultusministerin in Baden-Württemberg. Seit 2005 ist sie Bundesministerin für Bildung und Forschung in Berlin.

Den Stein ins Rollen gebracht hat im Mai vergangenen Jahres ein anonymer Blogger. Auf der Internetseite „schavanplag“ warf er/sie der CDU-Politikerin vor, an mehreren Stellen ihrer Doktorarbeit abgeschrieben und Quellen nicht genannt zu haben. Dort heißt es: „Insgesamt gibt es 97 Seiten im Haupttext der Dissertation von Seite 11 bis 335, auf denen Übernahmen aus 45 Quellen nicht oder nicht ausreichend kenntlich gemacht werden.“

Autor: Vera Fröhlich, dapd | Foto: Thomas Trutschel/Deutscher-Bundestag/photothek.net