Köln | aktualisiert | Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), hält angesichts der andauernden Gewalt in der ukrainischen Hauptstadt Kiew EU-Sanktionen gegen die Regierung des Landes für möglich. Der Caritas-Chef in der Ukraine, Andrij Waskowycz, begrüßt die von der EU angedrohten Sanktionen.

„Wenn die Gewalt nicht gestoppt wird und wenn die Regierung weiterhin auf Gewalt setzt, dann wird man ihr sagen müssen, das hat Auswirkungen bis hin zu Kontensperrungen oder Visa-Restriktionen“, sagte Schulz am Donnerstag im „Deutschlandfunk“. Der EU-Parlamentspräsident rate auf der anderen Seite aber auch dazu, die Tür zur EU für die Ukraine nicht zuzuschlagen.

Damit würde die EU „der Opposition in den Rücken“ fallen, so Schulz. Er rate deshalb „dringend dazu“, über Maßnahmen nachzudenken, gleichzeitig aber auch den Dialog mit der ukrainischen Regierung weiter fortzusetzen.

Ukrainischer Caritas-Chef begrüßt mögliche EU-Sanktionen gegen Kiew

Der Caritas-Chef in der Ukraine, Andrij Waskowycz, begrüßt die von der EU angedrohten Sanktionen gegen die ukrainische Regierung. „Man geht davon aus, dass die Regierung dem erhöhten Druck aus dem In- und Ausland mit der Zeit nicht mehr widerstehen kann“, sagte Waskowycz am Donnerstag in hr-Info. Er betonte zudem, dass die ukrainische Opposition die Regierung nicht stürzen wolle.

„Die Opposition ruft dazu auf, dass man Neuwahlen durchführt, dass der Präsident zurücktreten soll, dass die Regierung zurücktreten soll und dass Neuwahlen des Parlamentes und des Präsidenten ausgerufen werden sollen.“ Weiterhin dränge die Opposition darauf, dass das jetzige Parlament neue Wahlgesetze auflege. Diese sollten einen demokratischen, transparenten Wahlkampf sowie transparente Wahlen garantieren, sagte Waskowycz, der der ukrainischen Opposition nahe steht.

Die seit Ende November andauernden Proteste gegen die Regierung waren in den vergangenen Tagen in offene Gewalt umgeschlagen. Auslöser für die Wut der Demonstranten war ein neu verabschiedetes Gesetzespaket, mit dem das Demonstrationsrecht deutlich beschnitten wurde. Die ukrainische Opposition um Vitali Klitschko hatte Präsident Wiktor Janukowitsch am Mittwochabend ein Ultimatum gestellt: Der Staatschef müsse binnen 24 Stunden zurücktreten, forderte sie.

SPD-Fraktionsvize hält Sanktionen gegen Ukraine nicht für angebracht

Der Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagfraktion, Rolf Mützenich, hält Sanktionen gegen die Ukraine derzeit nicht für angebracht. „Bevor man über Sanktionen redet, sollten wir erst mal alles für die Beruhigung der Lage tun. Über alles andere muss man unter den europäischen Partnern reden und einen Konsens finden“, sagte Mützenich „Handelsblatt-Online“.

Die Grünen zeigten sich hingegen offen für Sanktionen. Präsident Viktor Janukowitsch müsse „endlich bereit sein, ernsthafte Verhandlungen mit der Opposition zu führen“, sagte der Vize-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Frithjof Schmidt. Die EU sollte einen solchen Weg unterstützen, notfalls auch, indem sie Druck auf die Machthaber ausübe.

„Dafür können gezielte Sanktionen, die sich insbesondere gegen Personen des Janukowitsch-Clans richten, ein wichtiges Mittel sein“, sagte der Grünen-Politiker. Aus Mützenichs Sicht kommt es nun darauf an, in den kommenden Stunden alle Anstrengungen darauf zu richten, gewaltfreie und konstruktive Rahmenbedingungen für eine politische Bearbeitung der Krise zu schaffen. „Drohungen, Ultimaten und Gesetze, die friedliche Proteste behindern, schaffen das Gegenteil“, fügte er hinzu.

„Die Europäische Union, aber auch Russland müssen Präsident Janukowitsch klarmachen, dass er und seine Regierung die politische und moralische Verantwortung dafür tragen, dass eine innenpolitisch tragbare Lösung bisher nicht gefunden wurde.“ Wünschenswert wären aus Sicht Mützenichs gemeinsame Anstrengungen in diese Richtung. „Das Denken und Argumentieren in Einflusszonen muss aufhören“, unterstrich der Sozialdemokrat.

Präsident Janukowitsch warf er vor, es „sträflich versäumt“ zu haben, ernsthaft an einer gemeinsamen und verantwortlichen Lösung zu arbeiten. Mit Blick auf die Regierungsgegner ergänzte Mützenich allerdings: „Dass die Verantwortlichen der Opposition es bisher nicht geschafft haben, sich auf ein Programm und einen legitimen Repräsentanten zu einigen, wird der Mehrzahl der friedlichen Demonstranten und deren Wunsch, politische Alternativen zu schaffen, bisher nicht gerecht.“

Autor: dts
Foto: Symbolfoto