Berlin | Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hat erstmals bestätigt, dass die Vertreter der libyschen Bürgerkriegsparteien, Premierminister Fayiz as-Sarradsch und General Khalifa Haftar, beide zur Libyen-Konferenz am Sonntag nach Berlin kommen. „Sarradsch und Haftar werden in Berlin dabei sein“, sagte Maas der „Bild am Sonntag“. Ob sie auch gemeinsam am Verhandlungstisch im Kanzleramt sitzen werden, ist noch offen: „Sie können meinetwegen auch hintereinander ihre Vorstellungen für Libyen darlegen. Aber sie sind Teil der Konferenz. Ich hoffe, dass beide die Gelegenheit wahrnehmen, die Zukunft Libyens wieder in libysche Hände zu geben.“ Auf Distanz ging Maas zu dem Vorschlag des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, einen Waffenstillstand in Libyen mit einem EU-Militäreinsatz abzusichern: „Mein Eindruck aus den Gesprächen der letzten Wochen ist bisher nicht, dass es den Libyern vordringlich um eine internationale Truppenpräsenz geht.“

Gleichwohl wolle Deutschland auch nach der Konferenz den politischen Prozess innerhalb Libyens weiter unterstützen. Für diesen Weg sei die Einhaltung des Waffenstillstands natürlich außerordentlich wichtig. Von der Konferenz am Sonntag erwartet Maas eine Vereinbarung für ein Waffenembargo: „Die Unterstützerstaaten der Bürgerkriegsparteien sollen keine Waffen und keine Soldaten mehr nach Libyen schicken.“

Die libyschen Bürgerkriegsparteien könnten sich nur bekämpfen, weil sie von außen militärisch unterstützt würden. „Wir müssen das stoppen, damit Libyen nicht das neue Syrien wird“, so Maas. Ohne diese Hilfe von außen würden die libyschen Kriegsparteien mit Premier Sarradsch und General Haftar ihre Kämpfe nicht fortsetzen können.

„Wir müssen eine Situation schaffen, in der General Haftar sich auf Friedensverhandlungen einlässt. Dafür müssen wir den tödlichen Zustrom von Waffen und Kämpfern aus dem Ausland stoppen. Dieser Konflikt ist für niemanden militärisch zu gewinnen. Das müssen alle verstehen“, so der Außenminister. „Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, am Sonntag alle an einen Tisch zu holen“, sagte Maas. Das sei die Voraussetzung für verbindliche Vereinbarungen. „Die Konferenz kann ein erster Schritt zu einem Frieden für Libyen sein.“ Der Außenminister lobte die Rolle der deutschen Diplomatie: „Wir haben bei der Lösung dieses Konflikts eine Führungsrolle übernommen. Am Sonntag haben wir die wichtigsten Akteure zu uns nach Berlin geholt, von Putin über Erdogan bis zum UN-Generalsekretär. Wir sind seit Jahren die ersten, denen das gelingt. Und zwar ohne rein militärische Logik, sondern mit monatelanger stiller Diplomatie.“ Maas hob hervor, dass die Situation in Libyen große Auswirkungen auf die Flüchtlingsbewegungen nach Deutschland habe: „Schon jetzt kommen Flüchtlinge über Libyen und das Mittelmeer zu uns. Je länger der Konflikt in Libyen dauert, desto weniger können wir die Migrationsbewegungen unter Kontrolle bringen. Nur wenn es dort funktionierende staatliche Strukturen gibt, können wir das Geschäft der Schlepper unterbinden.“

Merkel mit Kronprinz von Abu Dhabi zusammengetroffen

Im Vorfeld der Libyen-Konferenz ist Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag mit Mohammed bin Zayed Al Nahyan, dem Kronprinzen von Abu Dhabi in Berlin zu einem Gespräch zusammengekommen. Die Bundeskanzlerin und der Kronprinz seien sich einig gewesen, dass der Libyen-Konflikt nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden könne, hieß es nach dem Treffen. Frieden und Stabilität in Libyen müssen auf dem Verhandlungsweg erreicht werden.

Beide begrüßten die Waffenruhe, die vor einigen Tagen erreicht worden ist. Sie riefen die Konfliktparteien dazu auf, einen dauerhaften Waffenstillstand zu vereinbaren. Die staatlichen Institutionen Libyens müssten wieder vollständig aufgebaut werden, der Sicherheitssektor des Landes bedürfe einer Reform.

Dies schließe die Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus ein. „Die Beendigung von äußerer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Libyens ist aus beider Sicht hierfür eine notwendige Voraussetzung“, hieß es in einer Erklärung der Bundesregierung am Samstagnachmittag. Darüber hinaus hätten die Bundeskanzlerin und der Kronprinz Fragen der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie „eine Reihe regionaler Angelegenheiten des Nahen und Mittleren Ostens erörtert“. Nähere Details dazu wurden nicht bekannt.

Deutschland offen für Einsatz in Libyen

Nach dem Vorschlag der italienische Regierung, eine europäischen Sicherheitstruppe zur Überwachung eines erhofften Waffenstillstands in Libyen aufzustellen, signalisiert auch Deutschland grundsätzlich Bereitschaft. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (FAS). Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu gegenüber der FAS: „Die Bundesregierung plant für die Zeit nach der Konferenz einen strukturierten Nachfolgeprozess. Dieser soll die Umsetzung der Beschlüsse des Gipfels sowie den weiteren innerlibyschen politischen Prozess unter der Ägide der Vereinten Nationen begleiten.“ Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte der FAS:: „Eine internationale, von der UN mandatierte Schutzmission ist ein mögliches Szenario, um einen umfassend beschlossenen Friedensprozess abzusichern. Europa würde damit unmittelbar in seiner Nachbarschaft nachhaltig zu Stabilität und Frieden beitragen können.“

Allerdings müsse das auch gründlich bedacht werden. „Die EU muss ihre Optionen prüfen, um ein glaubwürdiges Angebot zur Unterstützung an Libyen machen zu können und um sich als wieder handlungs- und gestaltungsfähigen Akteur gegenüber Russland und den Regionalmächten ins Spiel zu bringen.“ Eine Mission könnte ein solcher Beitrag sein.

Ähnlich sieht es sein Fraktionskollege Johann Wadephul: „Erst wenn die Konfliktparteien dem grundsätzlich zustimmen, ist es nötig und sinnvoll, über Art und Umfang eines Engagements der UN in Libyen zu diskutieren.“ Wünschenswert sei ein solcher Einsatz allemal, betont Wadephul in der FAS. Der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagte der FAS: „Deutschland als Initiator des Berliner Prozesses steht im Falle einer Verständigung aller beteiligten Konfliktparteien selbstverständlich auch in der Mitverantwortung, dass eine solche Vereinbarung erfolgreich umgesetzt wird.“ Deutschland habe „selbstverständlich ein großes Interesse daran, den seit neun Jahren währenden Bürgerkrieg in Libyen zu beenden“.

Sein Kollege Christoph Matschie meinte: „Auf der Libyen-Konferenz in Berlin wird das kein Thema sein, dafür ist es noch zu früh. Aber natürlich sollte Deutschland offen sein für eine solche Mission, wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind. Der Waffenstillstand muss eingehalten werden, es bräuchte einen Friedensvertrag, der durch die UN-Truppen kontrolliert werden könnte. Und der Sicherheitsrat muss zustimmen.“ Für die Grünen sagte Omid Nouripour der FAS: „Es wäre unklug, einen europäischen Einsatz in Libyen von vornherein auszuschließen. Allerdings sind damit sehr hohe Hürden verbunden. Wir Grüne prüfen jeden Bundeswehreinsatz auf dessen rechtliche, politische und militärische Sinnhaftigkeit, wenn ein konkretes Mandat der Bundesregierung vorliegt.“ Stefan Liebich von der Linkspartei ist zwar grundsätzlich für einen UN-Einsatz, aber gegen eine deutsche Beteiligung. Der FAS sagte er: „Wenn es gelänge, unter dem Dach der UN eine nachhaltige Friedenslösung für Libyen zu verhandeln, dann sollten die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats auch bereit sein, diese mit Blauhelmen zu garantieren, vorausgesetzt, es werde von Libyen so gewünscht.“ Die FDP-Fraktion ist vorsichtiger. Über ein UN-Mandat mit deutscher Beteiligung nachzudenken, sei viel zu früh, sagte der Bundestagsabgeordnete Frank Müller-Rosentritt der FAS: „Die Interessenlage ist komplex, deswegen müssen alle Verha ndlungspartner an den Tisch geholt werden.“ Wichtig sei, das Europa einheitlich auftrete, „damit wir auf Augenhöhe mit Russland und der Türkei verhandeln können“.

Autor: dts