Brüssel/London | Theresa May will sowohl den Brexit als auch die zukünftigen Beziehungen zeitgleich verhandeln. Damit geht sie auf Konfrontationskurs zur Europäischen Union, die erst nach einer Einigung auf die konkreten Brexit-Bedingungen über die weiteren Beziehungen beraten will. „Nichts ist vereinbart, bevor alles vereinbart ist“, sagte May der „BBC“ am Sonntag.

Sie werde kein Abkommen einem schlechten weiterhin vorziehen, betonte die britische Premierministerin erneut. Zu den Dingen, die die EU vor einem eventuellen Freihandelsabkommen regeln will, zählen die ausstehenden finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens: Nach Schätzungen der EU-Kommission könnte das Vereinigte Königreich der Union bis zu 60 Milliarden Euro für eingegangene Verpflichtungen aus dem EU-Haushalt schulden.

— — —

Britischer Ex-Premier Tony Blair sieht Chance für Brexit-Exit

Nach dem Brüsseler Brexit-Gipfel hat Großbritanniens Ex-Premier Tony Blair die Regierungen der 27 EU-Staaten vor einem feindseligen Auftreten gegenüber London gewarnt. „Die Debatte über Brexit ist in Großbritannien noch nicht vorbei. Sie hat noch einen langen Weg vor sich. Darum sollten die 27 EU-Staaten jede Art der Feindseligkeit gegenüber Großbritannien vermeiden“, sagte Blair im Interview mit mehreren europäischen Zeitungen, unter ihnen die „Welt am Sonntag“. Der ehemalige Regierungschef und Vorsitzende der Labour-Partei sieht Chancen für eine Abkehr von einem harten Brexit oder sogar vom Ausstieg selbst. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir am Ende in der EU bleiben. Es ist ein schwerer Fehler, uns in dieser Zeit von Europa zu lösen.“ Mit den Brexit-Verhandlungen würde eine wachsende Zahl seiner Landsleute verstehen, welchen Preis sie für den Ausstieg aus dem EU-Binnenmarkt zahlen müssen. „Der Unterschied zwischen der Mitgliedschaft im Binnenmarkt und einem Freihandelsabkommen ist fundamental, weil er die Zukunft von Hunderttausenden Jobs bedeutet, von unserem Lebensstandard, unserer Wirtschaft“, warnte Blair. In der Folge rechnet er mit einer neuen Debatte über den Brexit.— — —

EU-Kommission skeptisch vor Brexit-Verhandlungen

In der EU-Kommission herrscht große Skepsis über einen erfolgreichen Abschluss der Brexit-Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich. Grund dafür ist der Verlauf des Treffens zwischen Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der britischen Premierministerin Theresa May am vergangenen Mittwoch in London. Wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (F.A.S.) berichtet, verabschiedete sich Juncker nach zwei Stunden Gespräch mit den Worten: „Ich verlasse die Downing Street zehnmal skeptischer, als ich vorher war.“

Wie die Zeitung weiter berichtet, hatte May bei dem Treffen keinerlei Kompromissbereitschaft erkennen lassen und unrealistische Vorstellungen über den Verlauf der Verhandlungen geäußert, schreibt die F.A.S. weiter. Die Wahrscheinlichkeit eines Scheitern der Verhandlungen wird demnach auf „über fünfzig Prozent“ taxiert. May soll demnach darauf bestanden haben, dass von Anfang an über ein Freihandelsabkommen geredet wird – die EU ist dazu erst bereit, wenn die Trennungsmodalitäten geklärt sind.

Die Premierministerin vertrat außerdem die Ansicht, dass ihr Land gemäß der europäischen Verträge den anderen Staaten kein Geld schulde – die machen hingegen eine Rechnung auf, die sich auf 60 bis 65 Milliarden Euro beläuft. Sie wiederholte ihre Auffassung, dass man aus dem Brexit einen Erfolg machen solle – in Brüssel herrscht dagegen die Überzeugung vor, dass das nicht möglich sei, weil sich Britannien als Drittland schlechter stellen werde als heute. May schlug außerdem vor, die Rechte von Unionsbürgern auf der Insel und von Briten in Europa gleich beim nächsten Europäischen Rat Ende Juni zu klären, nur zwei Wochen nach der von ihr angesetzten Unterhauswahl.

Allerdings würden Unionsbürger dann nicht anders behandelt als andere Drittstaatler auch. Die EU will hingegen möglichst viele Rechte erhalten; ihre Unterhändler gehen von wochenlangen, technischen Vorbereitungen aus.

Autor: dts | Foto: CharlieBard/www.Shutterstock.com